zur startseite
zum archiv
Henners
Traum
2.000 neue Arbeitsplätze für
Nordhessen? Wer könnte da Nein sagen? In seiner neuen Dokumentation begleitet
Klaus Stern (Weltmarktführer) einen Mann und seine Vision durch die
Niederungen der Projektentwicklung
Henner ist 62 Jahre alt, trägt Bürstenschnitt
und Schnauzer und sammelt seine überschäumende Energie beim Joggen
durch sein kleines Reich. Henner Sattler ist Bürgermeister des schmucken
nordhessischen Städtchens Hofgeismar. Als solcher hat er einen weltbewegenden
Traum. Der CDU-Mann will nämlich in der sanft hügeligen Landschaft
einen gigantischen Tourismuspark entwickeln. Mit fünf Hotels und fünf
Golfplätzen, 400 Ferienhäuschen, Trabrennbahn, mehreren künstlichen
Seen mit Robinsoninsel und Lagune soll »Schloss Beberbeck Resort«
das größte Freizeit- und Ferienprojekt Europas werden. Nebenbei sollen
2.000 Arbeitsplätze für die strukturschwache Region entstehen. Derzeit
befindet sich auf dem Gelände noch eine
Staatsdomäne in hessischem Landesbesitz, die acht Menschen Lohn
und Brot gibt und unter anderem ein Pflegeheim beherbergt, das – so heißt
es in einem Gespräch von Sattler mit Investoren – »elegant und geräuschlos«
entsorgt werden soll.
Betriebsleiter Bernd Köhling ist
Henners härtester Adversant, sonst gibt es anscheinend kaum Widerstand.
Die eigentliche Herausforderung für die Planer sind die 420 Millionen,
die von privaten Investoren aufgebracht werden sollen. Denn die potenziellen
Geldgeber machen zwar viele schöne Worte, gerieren sich in der Praxis aber
störrisch. Vielleicht regnet es in Nordhessen einfach zu viel. Doch Sattler
ist nicht der Mann, der sich von Misserfolgen die Tatkraft rauben lässt.
Tapfer reist er von Messe zu Messe und stellt in kaum vorhandenem Englisch seinen
Traum vor.
Sattlers Sancho Pansa ist der Architekt
Tom Krause vom Büro Krause Bohne & Partner, eine der wenigen Firmen,
die sich weltweit auf Hotel- und Resortbau spezialisiert haben, Dubai eingeschlossen.
Tom, ein Rheinländer vom Typ knuffeliger Hirtenhund, ist der Teil des Duos,
der – höchst erfolgreich – für Kommunikation und Verkauf zuständig
ist. Mit Henner steht er auf Du. Doch auch
der kumpelhafte Ton kann auf Dauer nicht über den Umstand hinwegtäuschen,
dass Krause auch für Konkurrenzprojekte in Dienst steht.
Filmemacher Klaus Stern, der 2004 mit
Weltmarktführer schon einen anderen grandios gescheiterten
Unternehmenstraum dokumentiert hatte, begleitet das Beberbeck-Projekt mit Kameramann
Harald Schmuck von der ersten Bürgerversammlung bis zum vorläufigen
Aus. Dazwischen: Sitzungen des Projektteams, auf denen viel visualisiert und
»konkret nachgedacht« wird. Präzise inszenierte Präsentationen
und schlampig improvisierte Bettelgespräche. Und ab und zu kommt Parteikumpel
Roland Koch auf Werbetour vorbei. Sterns durchaus von kritischer Sympathie für
seine Protagonisten getragene Dokumentation kommentiert die Ereignisse nicht
direkt, setzt aber mit musikalischen Zwischenspielen immer wieder ironische
Untertöne. Es fasziniert vor allem die Offenheit, mit der die Parteien
vor der Kamera agieren. So gibt es immer wieder großartige Momente dokumentarischer
Einsicht. Ein bisschen mehr Struktur jenseits der durchgehaltenen Chronologie
der Ereignisse hätte dem Film gut getan. Im besten Sinne lehrreich und
auch durchaus unterhaltsam ist das Ergebnis aber nichtsdestotrotz geworden.
Silvia Hallensleben
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: epd Film 3/2009
Henners
Traum
Deutschland
2008. R, B, P: Klaus Stern. K: Harald Schmuck, Stefan Pape, Gerhard Müsch.
Sch: Friederike Anders. M: Michael kadelbach. T: Christian Lang, Sebastian Schmidt.
Pg: sternfilm/ZDF-Das kleine Fernsehspiel. V: Sternfilm/Realfiction. L: 93 Min.
Mit: Henner Sattler, Tom Krause, Bernd Köhling u.a.
Dt. Start: 26.3.2009
zur startseite
zum archiv