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Hilde
Sie war Trümmermädchen, Schauspiel-
und Bühnenstar und begann, nachdem alle sie schon abgeschrieben hatten,
eine zweite Karriere als Chansonsängerin: Kai Wessel hat das Leben der
Hildegard Knef in einen filmischen Bilderbogen gefasst
In Hilde fallen spitze Sätze wie:
»Wenn du mit der Kunst verheiratet bist, hast du die Kritik zur Schwiegermutter.« Solche Pointen könnten der Stoff für
eine böse Screwball-Komödie übers Showgeschäft sein, sie
könnten die Gabe von Hildegard Knef aufs Korn nehmen, das Scheitern in
der Schauspielerei durch mediengestützte Coups als Diseuse, Schlager- und
Memoirenautorin in grandiose Erfolge umzumünzen. Immerhin erkannte, liebte
und hasste sich die bundesdeutsche Nachkriegsgeneration in der unverwüstlichen
Neuerfindung der Knef einst selbst.
Kai Wessels Biopic überlässt
jedoch die Schlagfertigkeit und den Mutterwitz einseitig seinem in die Rolle
der Knef geschlüpften Star Heike Makatsch. Vielleicht verdankt sich diese
Ungleichgewichtigkeit der Orientierung des Drehbuchs an Knefs legendären
Memoiren »Der geschenkte Gaul«, deren narzisstische Formulierungspirouetten
berüchtigt waren. Statt komödiantischer Leichtigkeit setzt sich so
in den Dialogen wie in der gesamten Episodenkonstruktion die schwerere Melodie
verkannter Größe, unterschätzter Intelligenz und wehrhaft widerspenstiger
Weiblichkeit durch. Hildegard Knef als verlassenes Kriegskind, als Volkssturmkämpferin
wider Willen und nach Nahrung und Erfolg hungernde Schauspielerin inmitten der
Trümmer – für diese Ursprungserfahrungen, die den unbedingten Willen
zum Aufstieg plausibel machen, nimmt sich Hilde viel Zeit. Die Coolness dagegen, die
die rauchige Stimme der Knef, ihre lässige Bühnenshow und ihre melancholischen
Texte in die piefige Bundesrepublik importierten, kommt zu kurz.
Der Hamburger Fernsehregisseur Kai Wessel
ist dafür bekannt, dass er historische Eventfilme wie »Klemperer
– Ein Leben in Deutschland« oder das Ostpreußendrama »Die
Flucht« stemmen konnte; auch Hilde ist als bunter Bilderbogen inszeniert,
bei dem die Lebensstationen der Knef im Eiltempo serviert werden, als sei die
Materialfülle eines Mehrteilers für die eines Spielfilms amputiert
worden.
Den Handlungsrahmen bildet ein Konzert
der Knef, bei dem sie 1966 in der Berliner Philharmonie auftrat. Die Ankunft
der Künstlerin auf dem Tempelhofer Flughafen, ihre Angst vor der missgünstigen
Presse, ihre Einsamkeit in der Garderobe dienen als dramaturgische Stütze
für eine Rückblende in ihre von Abstürzen geprägte Karriere.
Das Leben backstage mit einer missgünstigen Boulevardpresse sind dem Biopic
wichtig, während die Filme, Theaterstücke und Musicals, in denen die
Knef in Berlin, Hollywood, New York und London ihre Talente schliff und ihre
Kampfeslust gegen Spießer, schlechte Drehbücher und miese Produzenten
erprobte, auf Blitz-Anekdoten schrumpfen. Als Mentor fungiert die Vaterfigur Erich Pommer, der die Knef als einstiger
Ufa-Chef und amerikanischer Filmoffizier beriet. Hanns Zischler verleiht ihr
mild gelangweilt sein Format. Die ersten beiden Ehemänner der Knef, Kurt
Hirsch (Trystan Pütter) und David Cameron (Dan Stevens), bringen es dagegen
auf wenig mehr als Stichwortgeber. Hildegard Knefs Konflikt zwischen Karriere
und Liebe steht als eingängiges Identifikationsangebot im Zentrum, stärkere
Gegenspieler für die hochsensible Nervensäge, die Heike Makatsch –
auch tapfer singend – vorführt, hätten gut getan.
Claudia Lenssen
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: epd Film 3/2009
Hilde
Deutschland
2008. R: Kai Wessel. B: Maria von Heland. P: Judy Tossell. K: Hagen Bogdanski.
Sch: Tina Freitag. A: Thomas Freudenthal. Pg: Egoli Tossell. V: Warner. L: 136
Min. Da: Heike Makatsch, Dan Stevens, Monica Bleibtreu, Michael Gwisdek, Hanns
Zischler, Roger Cicero.
Start: 12.3. (D, CH), 13.3. (A)
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