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Humpday
Bumstag
Aus einer Kifferidee
macht Lynn Shelton in "Humpday"
einen ganzen, sehr wortreichen Film: Zwei Heteromänner wollen einander
zu Nutz und Frommen der eigenen Liberalität für einen Kunstporno ficken.
Wackelkameraschuss - Rhabarberrhabarber - Wackelkameragegenschuss
- Rhabarberrhabarber: das ist das ziemlich konsequent durchgehaltene Formprinzip
(sit venia verbo) von Lynn Sheltons Film "Humpday".
Du darfst auch Mumblecore dazu sagen. (Jedenfalls solange dir klar ist, dass es
auch richtig gute Mumblecorefilme wie Andrew Bujalskis "Beeswax" gibt.)
Wir beginnen im Bett: Ben und Anna sprechen über
Sex, einigen sich dann darauf, jetzt keinen, dafür morgen früh einen
zu haben. Es rummst an der Tür und es steht Andrew davor, bevor er
ins Haus fällt. Andrew ist ein Jugendfreund von Ben, trägt jetzt Bart,
hält aber so wenig vom geordneten Leben eines Ehemanns mit kleinfamilialen
Ambitionen wie Ben, der jetzt Ehemann ist, früher auch davon hielt. Man
umarmt sich, dann steht Anna in der Tür und kuckt, als
ahnte sie, was dann kommt, etwas pikiert aus der Wäsche.
Was dann kommt: Andrew und Ben auf einer Party. Anna
kocht und bleibt allein zu Haus und so auf ihren Koteletts sitzen. Andrew und
Ben auf einer Party im Hause namens Dionysos (sic!), wo man kifft und ein paar
Wackelkamera-unschärfe-schussgegenschuss-rhabarberrhabarbers später auf seltsame Ideen kommt: Andrew dreht einen
Film für das Festival namens "Humpday" (also: "Bumstag" - und das ist jetzt ausnahmsweise mal ein Titel, den man mit
Gewinn an Gemeinverständlichkeit ins Deutsche hätte übersetzen
können), und zwar soll es ein Kunstporno sein, und zwar ein schwuler Kunstporno,
und zwar mit Ben und Andrew beim Ficken, also, da muss man jetzt schon präzise
sein: beim Einander-Ficken. Wow.
Super Idee, klar. Weil man so zeigen kann, wie man als
straighter Liberaler in Seattle wirklich nix gegen Schwule hat.
Irgendwie heftet sich von da an der Film an diese Idee, als wäre sie mehr
als ein blöder Gimmick für einen komplett belanglosen Film, den man
dann aber sogar bis nach Deutschland verkaufen kann, weil: pseudoliberale Verklemmtheit,
Schwulenporno mit zwei straighten weißen Mittelschichtmännern, wackelkameraauthentisch.
Anna is not amused, zunächst jedenfalls. Bei näherer, noch näherer
und allernächster Betrachtung sind auch Ben und Andrew nicht mehr so amused, aber da müssen sie jetzt durch, oder auch nicht. Ziellos kreist
das endlos - endlos wackelnd, endlos rhabarbernd - um sich selbst.
Kein klarer Gedanke, nirgends. Jede Andeutung eines Reflexionsversuchs landet
sehr direkt wieder im Bauchnabel eines Milieus, von dessen Fleisch dieser Film
aber sowas von Fleisch ist. Humpday is as humpday does. Komisch ist’s
nicht, an keiner einzigen Stelle (sag ich jetzt für mich), und wenn Lynn
Shelton, die Regisseurin, geglaubt hat, es sei ihr entweder eine Heteromännerselbstquälsatire oder gar eine Liberale-weißemittelschichtjungs-schlaflosundhomophobinseattle-komödie
gelungen, dann ist sie zwar sehr schief, aber ganz sicher nicht queer gewickelt.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen in: www.perlentaucher.de
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Humpday
USA 2009 - Regie: Lynn Shelton - Darsteller: Mark Duplass, Joshua Leonard, Alycia Delmore, Lynn Shelton, Trina Willard, Stellan Mathiesen, Steven Schardt, David Bundgren, J. Martin Dinn - FSK: ab 16 - Fassung: O.m.d.U. - Länge: 95
min. - Start: 9.9.2010
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