zur startseite
zum archiv
zu den essays
Ich - Einfach Unverbesserlich 2
In permanenter Feierlaune
Der Animationsfilm "Ich - Einfach
Unverbesserlich 2" von Pierre Coffin und Chris Reynaud findet in den Shoppingmalls
dieser Welt zu sich selbst. Wir empfehlen: Kaufen!
"Despicable Me" ist manchen wahrscheinlich noch in (ausnehmend
guter) Erinnerung, auch wenn man den deutschen Verleihtitel "Ich - Einfach
Unverbesserlich" am besten gleich wieder vergaß: Eine Achterbahnfahrt
von einem Animationsfilm war das, an der Hand des Möchtegernbösewichts
Gru (gesprochen von Steve Carrell), der stets das Böse will und, nun ja,
zumeist das Gute schafft. Wobei "Ich - Einfach Unverbesserlich" das
gerade nicht von seiner Hauptfigur verlangte: sich zum Guten (mit großem
G) zu bekennen. Selbst dann nicht, als Gru beschließt, den Beruf des Supervillain
an den Nagel zu hängen und - inmitten böser Machinationen und Maschinen
- drei Waisenmädchen aufzuziehen. Das klingt klebriger als es sich anfühlte,
nämlich: als gelungene Errettung derselben Patchworkfamilie, die das amerikanische
Indie-Kino seit gefühlten Jahrzehnten melkt, bis die Tränen kommen.
(Sich im Bild der "dysfunktionalen Familie" wiederzuerkennen und einzurichten,
schreibt Manfred Hermes in seinem Buch zur Fassbinder-Serie
"Berlin
Alexanderplatz", bindet unsere soziale
Fantasie an ein restauratives Projekt.) "Ich - Einfach Unverbesserlich"
machte es besser, stellte sich und uns ein Familienleben vor, das nur noch entfernt
an geläufige Modellierungen erinnerte.
Den detailverliebten, perfektionistischen Animationsfilmen aus dem Hause Pixar
konnte der karikatureske, aber schnörkellose Stil von "Ich - einfach
unverbesserlich" zwar nicht das Wasser reichen. Aber das war auch nicht
die Absicht: Den Plastik-Look, den Pixar zu überwinden (und darin sich
selbst zu überbieten) trachtet, erhob "Ich - Einfach Unverbesserlich"
in den Rang eines ästhetischen Konzepts, das in seiner schlanken, ökonomischen
Anmutung überzeugte. Auch die Erzählung gab sich ganz unverschämt
als reiner Funktionsträger zu erkennen. Viel mehr als ein guter Vorwand
für eine Aneinanderreihung von 3D-tauglichen Setpieces (allen voran, was
sonst, eine Achterbahnfahrt) war sie nicht, unterlegt mit ein, zwei nachlässig
produzierten Pharrell-Tracks, die keinen anderen Zweck hatten als den, dem Franchise
zweitverwertbares Material zuzuführen.
Wenig überraschend haben das Regie-Duo Pierre Coffin und Chris Reynaud
nun einen zweiten Teil folgen lassen, der die Stärken seines Vorgängers
teilt, einiges von dem, was "Ich - Einfach Unverbesserlich" ausgemacht
hat, aber leider wieder zurücknimmt. Vor allem der Plot macht einen Rückzieher:
Wo der erste Teil eine entschieden unkonventionelle Gemeinschaft entwarf, verfolgt
der zweite Teil den geradlinigen und, bei aller Sympathie, erzkonservativen
Erzählvektor einer (von Anfang an absehbaren) finalen Familienzusammenführung.
Die Mission: Grus Waisenmädchen brauchen eine Mutter.
Die begnadete Kristen Wiig spricht (in der englischen Originalversion) diese
Figur, die nicht nur physiognomisch ganz nach Wiigs Vorbild gestaltet ist: Lucy
spricht und geht und gestikuliert wie Wiig (zuletzt in der großartigen
Hochzeitskomödie "Bridesmaids"). Ein signature move zum Wiedererkennen,
den "Ich - Einfach Unverbesserlich 2" sich eins zu eins aneignet:
Wiig hebt beide Hände so ungelenk in die Höhe als gehörten sie
einer Marionette und ruft mit zum Ende hin absterbender Stimme: "Yay?"
So gern man diese Wiig-Figur hat, sind ihre Möglichkeiten als animierte
Witz-Figur dennoch etwas beschränkt, vor allem im Vergleich zu der erneuten
Meisterleistung, die Steve Carrell in der Sprecherrolle des Gru vollbringt.
Nicht nur sein Kunstdialekt mit vage osteuropäischem Einschlag macht ihn
zur interessanteren Figur, sondern auch die sehr viel größere, fast
unüberbrückbare Distanz, die Carrells (aus "The Office"
und "40 Year Old Virgin" herleitbare) Schauspielpersona von Grus sonderbarer
Physis trennt - Gru ist im Wesentlichen eine Kugel, von der zwei lange, spindeldürre
Fortsätze (als Beine) und ein spitz zulaufender Zinken (seine Nase) abstehen.
Wiigs Problem ist, dass sie zu nah dran ist an der ihr auf den Leib geschneiderten
Figur, so dass sie hinter der Animation durchscheint, während Carrell seinen
Gru gegen den Materialwiderstand der animierten Gestalt erst erschaffen muss:
sehr viel bessere Bedingungen für kreativen Funkenschlag.
Wie schon im Vorgänger darf sich das Profitmotiv auch hier offen zu erkennen
geben. Wenn überhaupt, dann treibt "Ich - Einfach Unverbesserlich
2" es sogar noch weiter mit der Franchise-Überformung: Der für
eine Auswertung in den Malls und Multiplexen dieser Welt gedachte Film bettet
weite Teile seiner Handlung ohne inneren Grund in ebensolche Konsumwelten ein.
Das hat eine gewisse, auch ästhetische Konsequenz: Richtig gesehen hat
man den Film erst, wenn man nach den Credits aus dem Kino ins Einkaufszentrum
tritt.
Nicht unerwähnt bleiben dürfen schließlich Grus minions, eine Heerschar
knallgelber, Munchkin-artiger Arbeitsdrohnen in permanenter Feierlaune: Allein
ihretwegen lohnt es sich, "Ich - Einfach unverbesserlich 2" zu sehen.
Und so steht am Ende dieser Kritik, damit sie der Konsequenz ihres Gegenstands
auch gerecht wird, ausnahmsweise eine Kaufempfehlung, zumindest an Fans des
Vorgängers: Hingehen!
Nikolaus Perneczky
Dieser Text ist zuerst erschienen im: www.perlentaucher.de
Ich - Einfach Unverbesserlich 2
(Despicable Me 2) - USA 2013 - 98 Minuten - Start(D): 04.07.2013 - FSK: ohne Altersbeschränkung - Regie: Pierre Coffin, Chris Renaud - Drehbuch: Ken Daurio, Cinco Paul - Produktion: Christopher Meledandri - Schnitt: Gregory Perler - Stimmen in der engl. Version: Al Pacino, Steve Carell, Miranda Cosgrove, Moises Arias, Elsie Kate Fisher, Dana Gaier
zur startseite
zum archiv
zu den essays