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Im
Auftrag des Drachen
Macho
Man
„The Eiger
Sanction“ (1975) und Clint Eastwoods frühe Kriegsfilme
Das Gros von Clint Eastwoods Regiearbeiten lässt sich in bestimmte
Kategorien einordnen. Da sind zum einen die kommerziellen, durchaus meisterlichen
Genrefilme, die Western und die Polizeifilme, die er in regelmäßigen
Abständen drehte. Und dann gibt es die persönlichen, gewagten Projekte,
die sich wiederum grob in Künstlerbiographien und Melodramen aufteilen
lassen. In keine dieser Kategorien fallen jedoch Filme wie „The Eiger Sanction“
(„Im Auftrag des Drachen“, 1975), „Firefox“ (1982) und „Heartbreak Ridge“ (1986).
Auch zählen sie nicht zu dem Strang in Eastwoods Werk, der das Projekt
verfolgte, jener bei Leone und Siegel geformten Eastwood-Persona sukzessive etwas von ihrer Misanthropie, ihrer Gewalttätigkeit
und ihrer antisozialen Attitüde zu nehmen, wie dies beispielsweise „The
Outlaw Josey Wales“ (1976) und „Honkytonk Man“ (1982) betrieben. Und es sind
bis auf „Heartbreak Ridge“ kommerzielle Projekte des Regisseurs, die nicht in
seinen Stammgenres angesiedelt sind.
Müsste man sie einem Genre zuordnen, dann am ehesten dem Kriegs-
und Spionagefilm, und hier gilt, zumindest bis zum Dyptichon „Flags of Our Fathers“ und „Letters from Iwo Jima“ (2006), wie Paul Smith angemerkt hat: „Clint Eastwood
is perhaps not best known for his war movies“ (Smith 1993, S. 195). Hinzu kommt,
dass sie nur im weitesten Sinne Kriegsfilme sind. Sie thematisieren zwar den
Kalten Krieg mehr oder weniger direkt, doch nur die letzte halbe Stunde von
„Heartbreak Ridge“ kommt an die typischen Situationen und Motive des Genres
heran. Ganz so, als ob ihr Regisseur der Gattung nicht recht traut, sind die
drei Filme eher Genre übergreifend angelegt. „The Eiger Sanction“ ist Spionage-,
Abenteuer- und Bergfilm zugleich und „Firefox“ trägt Züge eines Science-Fiction-Films,
orientiert sich in der Schlusssequenz etwa deutlich an George Lucas’ „Star Wars“ (1977). „Heartbreak Ridge“ wiederum changiert zwischen
Psychogramm eines alternden Militärs und Kriegsfilm, nicht ohne Züge
einer schwarzen Komödie zu integrieren. In Bezug auf ihre Genres sind diese
Filme also alles andere als „rein“. Und sie waren trotz ihrer kommerziellen
Ausrichtung auch Experimente für ihren Regisseur: „The Eiger Sanction“
etwa als organisatorisches und körperliches Wagnis und „Firefox“, der erste
Film, für den Eastwood als Produzent zeichnete, als kommerzielles. „Heartbreak
Ridge“ leitete letztendlich sogar den bedeutendsten Wandel von Eastwoods Leinwandimage
ein: das Altern seines realen Körpers am Körper des Stars Eastwood
auszustellen.
Mit jedem seiner frühen Kriegs- und Spionagefilme versuchte sich
Eastwood auch an unterschiedlichen Entwürfen von Männlichkeit. In
dieser Beziehung sind sie wie nur wenige andere Eastwood-Filme auf der Höhe
ihrer Zeit, auch wenn sich durchaus Rückgriffe auf die 50er und 60er Jahre
finden lassen. „Firefox“ etwa steht mit seinem zunächst traumatisierten
und erst im Körperpanzer Erlösung findenden Helden den Hardbodies der 80er Jahre nahe, wenngleich Muskel gepanzerte Körper
erst in „Heartbreak Ridge“ ausgestellt werden. Zugleich stellt der finale Luftkampf
in „Firefox“ fast schon einen paradoxen Zirkelschluss in Eastwoods Karriere
da, die unter anderem mit einer sehr kleinen Rolle als Pilot in Jack Arnolds
„Tarantula“ (1955) begann (vgl. Cole / Williams 1994, S. 282).
Auch „The Eiger Sanction“, Eastwoods vierte Regiearbeit, greift auf
populäre Männlichkeitsbilder zurück, vornehmlich auf die narzisstischen
Maskulinitätsentwürfe der James Bond-Serie. Eastwood spielt hier Dr.
Jonathan Hemlock, Ex-Spion, Bergsteiger und Kunstsammler, Universitätsprofessor
und Auftragsmörder. Teils aus Gier, teils aus persönlichen Motiven,
halb gezwungen und halb aus Langeweile, nimmt er eine weitere „Sanktion“ an,
einen Auftragsmord, der ihn schließlich bis an die Eiger-Nordwand bringt.
Schon die kaum zu vereinbarenden Professionen des Protagonisten zeigen, wie
wenig ernst sich der Film nimmt und wie sehr es Eastwood „an allen Ecken und
Kanten“ übertreibt (Grob 2004, S. 25). So liegt der Reiz des Films vor
allem in seinem Camp-Charme und seinen parodistischen Momenten. Der Geheimdienstchef
beispielsweise ist ein fetter Albino, der in regelmäßigem Turnus
eine Blutwäsche benötigt. Die Szenen, in denen ihn Hemlock aufsucht,
wirken mit ihrer primärfarbigen Ausleuchtung, als habe man Mario Bava für
die Lichtsetzung angeheuert, ebenso wie an der Universität ein ungesundes
grünliches Licht vorherrscht. Die Charaktere von „The Eiger Sanction“ sind
so exotisch wie ihre Namen: Der affektiert-tuntige Spion Miles Mellough mit
seinem Yorkshireterrier „Faggot“, die attraktive indianische Bergsteigerin „George“,
der Geheimdienstchef „Dragon“, der schon mit den Nazis Geschäfte gemacht
hat (die Sequenz, in der wir dies erfahren, fehlt in der deutschen Fassung).
Um den Intellektualismus des Kunstprofessors zu betonen, fällt Eastwood
nichts Besseres ein, als mit Brille und Tweedjackett aufzutreten und gekünstelt
zu sprechen, was jedoch schnell den bekannten sarkastischen One-linern weicht. Unvereinbares steht nebeneinander, auch der Plot
zerfällt in drei nur notdürftig verbundene Abschnitte.
Wenn anfänglich „kaum ein Eastwood-Film ohne Exzesse, Längen
oder überzogene Effekte aus[kam]“ (Midding / Schnelle 1996, S. 7), dann
ist „The Eiger Sanction“ das beste Beispiel dafür. Eastwood selbst hat sich in Interviews offen zu seinen
Problemen mit dem Film bekannt: “I took a book Universal owned - a bestseller
- and I couldn’t figure out what to do.“ Und: „The
only excitement you could do was on a visual level and that is the way it was
written.” (McGilligan 1999, S. 40/39). Einige der visuellen Umsetzungen
sind in der Tat außerordentlich gelungen. In einer Szene besteigen Hemlock
und sein Buddy Bowman (Burt Kennedy) etwa Totem Pole, einen der säulenartigen Tafelfelsen in Monument
Valley. Als sie auf dem Gipfelplateau angekommen sind und ihren Erfolg in der
Dämmerung hoch über der roten Sandsteinlandschaft feiern, zoomt die
Kamera kurz zurück, erhebt sich von einem Two-shot der beiden Männer über ihre Köpfe und
zieht in einer umkreisenden Bewegungen in eine majestätische Totale. Je
höher die Kamera steigt, desto mehr geht sie in eine Aufsicht über,
die von der Feier des Augenblicks zur Betonung des Ausgeliefertseins angesichts
der Schwindel erregenden Höhe kippt. Wie in dieser Sequenz akzentuiert
Frank Stanleys Kameraarbeit immer wieder zugleich das Aufgehen der Männer
in der Natur wie auch die Gefahr, die von dieser ausgeht. Die zerklüftete
Landschaft der Eiger-Nordwand bildet einen Raum, der weniger befreit denn einschließt,
eher Gefahr verheißt als Freiheit (vgl. Gallafent 1994, S. 243). Hier
testen sich die Männer aus, wobei Männlichkeit mit Kontrolle über
die Natur gleichgesetzt wird. Dazu stellen die Bergsteigersequenzen, die tatsächlich
vor Ort und nicht im Studio realisiert wurden, wiederholt ihre Echtheit aus.
Um zu beweisen, dass es kein Stuntdouble, sondern wirklich Eastwood selbst ist,
der da 1200 Meter über einem Abgrund hängt, fängt die Kamera
zugleich den Schauspieler wie die Tiefe unter ihm ein oder zoomt immer wieder
aus Landschaftstotalen in nahe Einstellungen.
Parallel hierzu stellt „The Eiger Sanction“ zwei Modelle von Männlichkeit
einander gegenüber, eine starke machistische und eine schwache feminisierte, beide über ihr Verhältnis zur Natur definiert. Auf der
einen Seite stehen der unförmige Albino (Thayer David) und der tuntige
Mellough (Jack Cassidy), dessen Namen schon an das englische mellow (zart, mürbe,
weich) erinnert. Mit beiden wird Betrug, Verrat und Intrige assoziiert, beide
sind schwach und in einer natürlichen Umgebung nicht lebensfähig.
„Dragon“ würde im Sonnenlicht sofort sterben und genau dieses Schicksal
wird Mellough von Hemlock bereitet: Er setzt den Schwulen, dem gegenüber
ihm die Verachtung ins Gesicht gemeißelt ist, in der gleißenden
Wüstensonne Arizonas aus und lässt ihn verdursten. Im Hinblick auf
homophobe Momente in Eastwoods Werk ist dies vielleicht der Tiefpunkt: Mellough
ist die widerliche Karikatur eines Frauen verachtenden Schwulen; dem Protagonisten
ist er es nicht einmal wert, ihn eigenhändig umzubringen und selbst sein
Hund verlässt ihn, um zu Hemlock in den Wagen zu springen. Als Gegenmodell
dieser Karikatur wird Hemlocks vital-polygame Heterosexualität permanent
betont; wohin er auch kommt, eindeutige Angebote und künftige Geliebte.
Was „The Eiger Sanction“ eng mit den Kriegsfilmen Eastwoods verbindet
(auch mit den beiden Ende der 60er Jahre von Brian G. Hutton inszenierten),
ist das zynische Weltbild, das der Film in Bezug auf sein Genre ins Extrem steigert:
„The mission is a pointless fake, both sides being equally corrupt“ (Gallafent
1995, S. 243). In dieser korrupten Welt, das ist der amüsante Twist des
Films, ist Hemlock letztlich alles andere als der player, für den er sich hält, sondern im Gegenteil
ein „man on a string“ (Grob 2004, S. 25), eine Puppe, die an unsichtbaren Fäden
bewegt wird in einem Spiel, dass er nicht durchschaut. Dies mildert die bösartigen
Momente des Films ab und verhindert, dass hier tatsächlich der „All-American
warrior hero“ glorifiziert wird, wie einzelne Rezensenten erkennen wollten (Joy
Gould Boyum zit. nach Schickel 1996, S. 316).
Harald Steinwender
Im
Auftrag des Drachen
THE
EIGER SANCTION
USA
- 1974 - 123 min. – Scope - Verleih: CIC - Erstaufführung: 22.8.1975 -
Produktionsfirma: Malpaso - Produktion: Robert Daley
Regie:
Clint Eastwood
Buch:
Hal Dresner; Warren B. Murphy; Rod Whitaker
Vorlage:
nach einem Roman von Trevanian
Kamera:
Frank Stanley
Musik:
John Williams
Schnitt:
Ferris Webster
Darsteller:
Clint
Eastwood (Jonathan Hemlock)
George
Kennedy (Ben Bowman)
Vonetta
McGee (Jemima Brown)
Jack
Cassidy (Miles Mellough)
Heidi
Brühl (Mrs. Montaigne)
Thayer
David (Drachen)
Reiner
Schöne (Freytag)
Michael
Grimm (Meyer)
Jean-Pierre
Bernard (Montaigne)
Literatur:
Beier,
Lars-Olav (1996): Zwischen Freund und Feind. Eastwoods Krieger und Agenten.
In: Midding, G. / Schnelle, F. [Hrsg.]: a.a.O., S. 157-167.
Cole,
Gerald / Williams, Peter (1994): Clint Eastwood. Seine
Filme, sein Leben. München, 4. Auflage 1994 [= Heyne-Filmbibliothek, Nr.
32/199].
Gallafent,
Edward (1994): Clint Eastwood. Filmmaker and Star.
Grob,
Norbert (2004): Man on a String. The Eiger Sanction. In: Screenshot. Texte zum
Film 2004 (7. Jhg.), Heft 2, S. 25.
McGilligan,
Patrick: Clint Eastwood (1999, zuerst 1976). In: Kapsis, Robert E. / Coblentz,
Kathie [Hrsg.]: Clint Eastwood. Interviews.
Midding,
Gerhard / Schnelle, Frank (1996) [Hrsg.]: Clint Eastwood. Der konservative Rebell.
Schickel,
Richard (1996): Clint Eastwood. A Biography.
Smith,
Paul (1993): Clint Eastwood. A Cultural Production.
Steinwender,
Harald (2007): Men at War. Die Kriegsfilme von Firefox bis Letters
from Iwo Jima. In:
Maurer, Roman [Hrsg.]: Clint Eastwood. München 2007 [= Film-Konzepte, Bd.
8, hrsg. von Thomas Koebner u. Fabienne Liptay], S. 69-82.
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