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Independence
Day
Gell, jetzt staunen auch die Amerikaner,
wie sparsam Schwaben wirtschaften können. Emmerichs US-patriotischer Trick-
und Effekte-Film kam mit einem Drittel der dort sonst üblichen Produktionskosten
aus. Da funkelten & glänzten die Augen der Betriebswirte und Filmmanager.
Emmerich avancierte zum Star des Film-Busineß und verbuchte gleich vier
neue Aufträge für preisgünstige Filmgroßproduktionen. Geschmeichelt
meldeten die deutschen Nachrichtenmagazine nationales Interesse an der Weltgeltung
an, die deutscher Geschäftstüchtigkeit nun zukomme. Diese Berichte
fügten sich wunderbar in die Mega-Werbekampagne ein, die zum Konsum des
Filmwerks animieren soll. Ein Drittel der Produktionskosten geht bekanntlich
in die Publizität. Anders ausgedrückt: Wir werden in das Patriotenwerk
hineingeprügelt. Emmerich ist kein US-Patriot, aber er huldigt mit seinem
Film zum amerikanischen Nationalfeiertag allen Vaterlandsgläubigen, die
in erhebenden Momenten die Hand aufs Herz legen, und das bis zum Gehtnichtmehr.
Bei uns aber, bei den Aliens, dürfte der patriotische Schmarren zum Abkotzen
einladen. Vergessen wir nicht, daß im amerikanischen Sprachgebrauch Aliens
in erster Linie und ganz normal Ausländer sind, Andersartige, Fremde, eben
Unamerikaner. Die deutsche Synchronisation macht es wie immer falsch, wenn sie
das Wort »alien« nicht übersetzt. Denn für die braven
amerikanischen Bürgerkinder ist es natürlich kein Fremdwort, wenn
sie patriotisch korrekt spielen: »Daddy, ich erschieß Ausländer!« Entschlösse sich die Synchronisation zur
Übersetzung, würde es auch plausibler, warum Emmerich dem amerikanischen
Volk aus dem Herzen spricht, wenn er auf dem Höhepunkt seines Werks – es
ist der siegreiche Atomschlag – seinen Helden hetzen läßt (ungeschönte
Übersetzung): »Ihr Ausländer-Arschlöcher!« Was soll
der Zuschauer von diesem Fremdenhasser halten? Das Drehbuch (Emmerich) rät:
»Du kannst stolz auf ihn sein!« Damit
ist auch schon die Handlung erzählt. Sie ist einfältig. Ausländer
im Anmarsch. Eine Katastrophe! Der Präsident, gespielt vom unfähigsten
Schauspieler Hollywoods, spricht zur Nation: »Ruhe ist die erste Bürgerpflicht!« Unvermittelt besinnt er sich auf seine Kenntnisse
als Kampfflieger im Vietnamkrieg, und ebenso unvermittelt kippt der Katastrophenfilm
um in eine Militärklamotte. Selten so gelacht, Kamerad! Der Atomschlag
geht in ein wunderschönes Feuerwerk über, das den Abend des Nationalfeiertags
krönt. Alle erheben sich von den Sitzen und applaudieren. Die Welt ist
gerettet, und uns wird gesagt, daß die ganze Welt, Irak inklusive, fortan
den Independence Day feiern wird.
Der neue Kaiser von Amerika, dem gehuldigt
wird, ist selbstredend Emmerich selbst, jedenfalls soweit es die Filmwirtschaft
angeht. Das Drehbuch, das er zu diesem Behufe verfaßt hat, gibt jeder
Dumpfbacke recht. Es zahlt sich eben nicht
aus, wenn die USA 1969 auf dem Mond verkünden: »We came in peace.« Alles Gefühlsduselei.
Denn das Fremde, das die Erde besucht, kommt aus dem Reich des Bösen. Bloß
das langmähnige Studentenpack sieht das anders. Emmerich schickt dies verblendete
und abgedrehte Volk hoch auf das Dach der Wolkenkratzer, obwohl doch der unfähige
Präsident das Aufsuchen der Schutzräume angeordnet hatte. Woodstockbunt,
verzückt, unpatriotisch, landesverräterisch halten die Studis den
anreisenden Ausländischen Transparente entgegen, auf denen sinngemäß
so etwas steht wie »Bitte nehmt uns mit nach drüben!«
In Emmerichs Film sind sie wieder da,
die Bilder von den Anti-Vietnamkriegs-Demonstrationen auf dem Campus. Wer sich
damals gewünscht hatte: »Alle abknallen – alle!«,
der kommt, freilich sehr verspätet, in »Independence Day« voll
auf seine Kosten. Denn die Sympathisanten der fremden Macht werden umgelegt,
alle, und zwar von den Bösen, die aus der Fremde kamen. Klammheimlicher
kann die Freude an der Bestrafungsaktion gar nicht sein. Recht so! Das war längst
fällig! Ist es nicht so, daß Südkorea völlig recht hatte,
vor ein paar Wochen den Studenten, die für die Einigung mit dem doch völlig
fremdartigen Nordkorea demonstrierten, mit Waffengewalt mores zu lehren? »Aus
dem Weg! Feuer frei!«, das ist der kernige
Befehlston des Filmdialogs. Wer sinniert, ist völlig unfähig. Der
amerikanische Präsident: »Im Golfkrieg wußten wir, was wir
zu tun hatten. Heute ist es nicht mehr so einfach. Helfe uns Gott!«
Natürlich ist das eine Clinton-Karikatur. Der Film ist in seinem katastrophalen
ersten Teil eindeutig erzrepublikanisch. »Wir wollten einen Helden und
bekamen einen Feigling«, murrt es drohend auf der Dialogliste. Zu retten
ist der Clinton-Klon erst, nachdem dieser im Klamottenteil des Films zu einer
Reinkarnation von Jagdflieger Moelders mutiert. Den Schlips gelockert, den Steuerknüppel
in der Hand – wenn nicht Gott, so hilft doch das Militär in Not und Gefahr.
Viel Glück, Kamerad, und sagt meinen Kindern, daß ich sie sehr sehr
lieb habe. Ab in den Tod für Volk & Vaterland. – Das Filmbild füllt
sich bis zum Bersten mit Uniformen-mit-ganz-viel-Orden-dran. In »Independence
Day« hat das Militär die Macht ergriffen.
Dietrich Kuhlbrodt
Dieser Text ist zuerst erschienen in: Konkret 10/1996
Independence
Day
Regie:
Roland Emmerich
Buch:
Dean Devlin, Roland Emmerich
Kamera:
Karl Walter Lindenlaub
Musik:
David Arnold
Schnitt:
David Brenner
Special
Effects: Volker Engel, Douglas Smith
Darsteller:
Will Smith (Capt. Steven Hiller)
Bill
Pullman (Präsident Thomas J. Whitmore)
Jeff
Goldblum (David Levinson)
Mary
McDonnell (Marilyn Whitmore)
Judd
Hirsch (Julius Levinson)
Robert
Loggia (Gen. William Gray)
Randy
Quaid (Russell Casse)
Harvey
Fierstein (Gilbert)
Adam
Baldwin (Major Mitchell)
Brent
Spiner (Dr. Okun)
Lisa
Jakub (Alicia Casse)
Harry
Connick jr. (Capt.
Jimmy Wilder)
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