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In
meinem Herzen, Schatz
Frisch,
fromm, fröhlich, deutsch
Hans Blumenberg hat einen Film fürs
wiedererwachende deutsche Gemüt gedreht. Hans Albers, Star am NS-Filmhimmel
und fröhlicher Propagandist der Endlösung, wird als Faszinosum präsentiert.
Sein Stellvertreter Tukur sorgt mit strahlender Miene und hellem Tenor dafür,
daß die deutsche Kontinuität so richtig flutscht
Blumenberg, »Der Madonna-Mann«,
hat dem Hans Albers, seinem Idol, einen Fan-Film gewidmet. »In meinem
Herzen, Schatz« zieht und preßt Ulrich Tukur, Jungstar des Hamburger
Schauspielhauses, das Schifferklavier: immer noch und schon wieder »auf
der Reeperbahn nachts um halb eins«, denn wenn Schatz Albers überleben
soll, dann in den Herzen seiner Fans, und je jünger und allseits beliebter
einer wie der Tukur ist, umso besser fürs Überleben und für die
Kontinuität.
Folgerichtig hat Blumenberg das Mannsbild
Albers, in dem sich die Deutschen der späten zwanziger, der dreißiger
und vierziger Jahre wiederfanden, aus dem Film ziemlich herausgedrängt,
jedenfalls äußerlich; nur ganz ausnahmsweise wird einmal ein Filmausschnitt
gezeigt. Dafür ist aber der einschlägig populäre Tukur omnipräsent,
32 Jahre alt. Und wenn ihm die Herzen der aktuellen Generationen zufliegen,
weil in ihm Hans Albers lebt und lacht, dann ist die Verinnerlichung geglückt,
und das deutsche Gemüt feiert fröhliche Urständ. Ja, »Flieger,
grüß mir die Sonne«, bittet er im schummrigschweren Neo-Plüsch
des Schmidt-Theaters auf der Reeperbahn; sein heller Tenor bringt das Marschlied
aus dem Männerfilm von 1932 – »F.P. I antwortet nicht« – überzeugend
rüber. Zusammen mit den Couplets fließt die Alberszeit ins Gemüt,
nostalgisch verklärt, und Goebbels ist für eine Anekdote gut. Wilma
Schultz, Freundin der Familie Albers und Zeitzeugin des Films, gibt zum Besten,
wie der Star Albers sie in Hamburg besucht und den Propagandaminister in Berlin
habe sitzen lassen. Schon ist das Thema abgehakt, Albers überspielt sie
alle. Kinderleicht war das, damals.
Aber war das vielleicht ein Problem, daß
Albers' Lebensgefährtin, Hansi Burg, eine Jüdin war? Wilma Schultz
zu glauben, war der, der leiden mußte, Hans Albers, einfach sitzengelassen
wie er war, 1938. »Frau Burg ist von sich aus, ohne daß Albers das
wußte, nach England abgereist«. Und trotzdem war der arme Albers
großzügig: »Er hat ihr Geld überweisen lassen«.
Und dann schweigt Blumenbergs Film. Bloß in der Wochenschauaufnahme von
1960 ist noch eine Grabschleife zu sehen, die Hansi Burg ihrem Schatz als letzten
Gruß geschickt hatte. Sollen wir das jetzt geschmacklos finden, wo sie
doch »von sich aus« abgereist war?
Blumenbergs Schwarzweißfilm transportiert
die Schwarzweißfotos und -filmdokumente ungebrochen übers Jahr 1945.
Damit uns die große Alberszeit schön eingängig wird, wird Naheliegendes,
aber Störendes ausgespart oder doch bemüht verniedlicht. Wenn von
der untreuen Hansi schon die Rede ist, warum dann nicht von ihrem Vater? Eugen
Burg, sozusagen Albers' Schwiegervater, wurde 1944 in Theresienstadt ermordet.
Und Albers spielte – schon 1941 – die Hauptrolle in dem rassistischen Nazifilm
»Carl Peters«. – »In meinem Herzen, Schatz...«: Schweigen.
Aber zu dem wegbereitenden Lied von 1932
– »Hoppla, jetzt komm' ich ... und die Straße frei für mich«
– hat Blumenbergs Film einen Einfall. Zur Albers-Parodie – aus dem Film »Der
Sieger« – wird das Wochenschaudokument vom Einzug Hitlers in Hamburg gezeigt,
freilich in experimenteller Manier am optischen Printer bearbeitet. Die unvermutete
ästhetische Anstrengung sagt uns: Hitler und die Hakenkreuze passen nicht
zum Hans Albers-Bild; sie bleiben fremd.
Nur noch ein zweites Mal greift der Film
zum Mittel, das Dokument ästhetisch zu entschärfen. KZ-Häftlinge
sind in den Trümmern Hamburgs dabei, unter Aufsicht von SS-Bewachern die
Straße vom Schutt zerbombter Häuser zu säubern – ein strukturelles
Ornament – , während auf der Tonspur
Susanna getröstet wird: »drum weine nicht so sehr ... trockenes Schießgewehr
... auf einen toten Bräutigam kommen tausend neue her ... Leben ist nicht
schwer«.
Was virulent bleibt, ist die Lebensphilosophie
der Albers-Lieder. Der Film »Große
Freiheit Nr. 7«,
gedreht während und nach dem Bombenterror von 1943, machte die Dreharbeiten
»so schwierig .... daß kein normales Leben« möglich war,
belehrt uns die in die Jahre gekommene Darstellerin von damals, Ilse Werner,
1989. Es ging also gar nicht um die KZ-Häftlinge und die SS-Leute, sondern
um die Illustrierung schwieriger Dreharbeiten und natürlich um die Illustrierung
des Lieds von 1943: »Beim ersten Mal, da tut's noch weh«, und Ilse
Werner singt und pfeift, wie es Eltern und Großeltern noch im Ohr haben.
Das Jahr 1945 war für Albers kein
Anlaß, seine Lebensweisheiten zu revidieren. Schon 1947 weiß er
in dem Josef-von-Baky-Film »Und über uns der Himmel«: »Denn
über uns der Himmel, läßt uns nicht untergehn«. Und in
Blumenbergs Film singt dies Ulrich Tukur mit Ilse Werner im Duett, damit wir
wissen, daß dies eine bleibende Botschaft ist. Jung und alt erliegen schon
wieder und immer noch dem Faszinosum Hans Albers und seiner Philosophie, wie
er sie im Kollo-Titel »In meinem Herzen, Schatz...« verkündet:
»Ich hab eine kleine Philosophie . . . ich fand alles herrlich und stritt
mich nie«.
Was Albers alles herrlich fand, das vermittelte
er dem Publikum der späten zwanziger Jahre und dem danach durch seine Filmrollen,
deren markanteste und folgenreichste im Blumenberg-Film jedoch unter schlagen
werden. In »Flüchtlinge« (von Gustav Ucicky) rettet Albers
als deutscher Offizier flüchtende Wolgadeutsche: »Für etwas
sterben, den Tod wünsch ich mir!«,
und das »etwas« ist explizit das »neue Deutschland«.
Solchermaßen die »Wehrbereitschaft«
stärkend, erhielt der Film, uraufgeführt am 8. Dezember 1933, den
1934 zum erstenmal verliehenen Staatspreis für den besten Film des Jahres.
Ob sich Albers auch für den Propagandafilm
»Carl Peters« (1941, von Herbert Selpin) einspannen ließ oder
ob er die Rolle herrlich fand, ist unwichtig, wenn man die Wirkung seines Auftritts
registriert. Albers wird in diesem Film majestätisch von unten aufgenommen,
problemlos tritt die Siegessäule an seine Stelle. Schief und krumm werden
dagegen undeutsche Ränkespinner ins Bild gerückt: Dr. Kayser, der
Jude, und der Reichstag, die Schwatzbude, fügen dem Deutschen Hans Albers
allein durch ihre schiere Existenz bitteres Unrecht zu. Aufrecht, ein Onkel
Doktor, läßt er sich ein Schock Negerinnen vorführen. Ist eine
krank? Und da kippt die Einstellung schon wieder, und die wunderschönsten,
aber schwärzesten Brüste wippen in die Kamera. Eine gierige, aber
unmögliche Sequenz; der deutsche Mann läßt sich vielleicht aufgeilen,
und die Albers-Fans von damals haben hingeguckt, aber hinterher hängt man
doch die Eingeborenen auf, ein Grund findet sich, denn Albers handelt nur aus
Männerfreundschaft. »Bedenken? Woll'n wir streichen« (Albers
in »Carl Peters«). Steht der Endlösung etwas entgegen, gar
noch ein juristisches Dokument, wird »der Wisch zerrissen«. Der
Befehl von oben »leuchtet uns durchaus ein. Na, mal weiterhören ...
Sie haben mich restlos überzeugt«, schnarrt er und ist damit seinem
Publikum ein schreckliches Vorbild.
Albers' Auftritte wirken heute theatralisch
überzogen, ernüchternd hölzern und beziehungslos maniriert. Hätte
Blumenberg Ausschnitte aus diesen Filme gezeigt, hätte er dem Faszinosum
unverzüglich den Garaus gemacht. In »In meinem Herzen, Schatz...«
faszinieren jedoch als Stellvertreter Tukur und die anderen Fans, vom Albers-Chauffeur
und Chef-Portier über die Pressebetreuerin und den Filmvorführer von
einst zum aktuellen Albers-Imitator. Das Konglomerat von schmärmerisch-übermütiger
Musikrevue und den Statement-Anekdoten der 'Zeitzeugen', durchmischt mit bisher
ungesehenen Archivbildern aus dem Hamburg der ersten Jahrzehnte dieses Jahrhunderts
wäre eine charmante bis skurrile Unterhaltung, wie sie auch sonst am Drehort,
dem Schmidt-Theater geboten wird, wenn »In meinem Herzen, Schatz. . .
« nicht gleichzeitig der Film der deutschen Kontinuität wäre.
Für den Hans Albers-Film, der noch
zu drehen wäre, bleiben Ansätze genug. Nachhaltiger als die Albers-Simulationen
wirken die intelligent montierten Archivbilder (Eggert Woost). Gängeviertel
und die Lange Reihe der Jahrhundertwende – dort, im Hamburger St. Georg wurde
Hans Albers geboren – widersprechen dem Kotau, den Albers (im off, auf der Tonspur)
vor seinem Vater, dem Schlachtermeister Wilhelm, macht. Albers: »Ich danke
Ihnen. Sie haben mich hart erzogen«. Wie kommt er, der auf der Außenalster
als Stegjunge Ruderboote auszuösen hatte, dazu, sich als »lieber
Gott« zu sehen (1945) oder doch als »Mittelding zwischen Goethe
und Gerhart Hauptmann« (1950)? Was ging in dem Göttlichen vor, als
er – 1958 in »Der Mann im Strom« – den Arbeitgebern der Adenauerzeit
Hafen- und Arbeitsromantik vorgaukelte (der angehende Rentenempfänger verzichtet
auf das Almosen und fälscht die Geburtsurkunde, um weiter arbeiten zu können)?
Und Hans Albers, »der letzte deutsche Film-Star« (Blumenberg), war
er nicht »jeder Zoll ein Naziführer« (Ernst Bloch zur Albers-Rolle
in »Flüchtlinge«, 1933)? »Der Boche par excellence –
der Nazi par excellence« (Klaus Mann zur Albers-Rolle in »Ein gewisser
Herr Cran«, 1933)?
Der Regisseur Blumenberg notiert das Bild,
das Albers 1933 abgab, – freilich nicht »In meinem Herzen, Schatz...«,
sondern in den Publicity-Spalten, die ihm der »Spiegel« einräumte.
Der Film ist davon gereinigt. Die Albers-Fans sind lieb und harmlos. Und solchermaßen
präpariert, fluscht sie nur so, die deutsche Kontinuität. Zum Heulen?
»Ein Film, zum Heulen schön«, begeistert sich Karasek im »Spiegel«.
Die Ästhetisierung der imperativen Gewalt hat ihre Traditionspfleger, und
das Identifikationsmodell 'Hans Albers', der Führer aus dem Volk (»Carl
Peters«), legitimiert aufs neue die faschistische Partei- und Führerkonstruktion.
»In meinem Herzen, Schatz...« ist Albers, und der bin ich, und der
hört jetzt wieder die SA marschieren, 1933, wenn Albers, »Der Sieger«
(so heißt der Film), singt, was 1989 zum Heulen schön sein soll (wobei
es völlig gleichgültig ist, was er sich dabei dachte): »Hoppla,
jetzt komm ich! Alle Türen auf! Alle Fenster auf! Hoppla, jetzt komm ich!
Und wer mit mir geht, der kommt eins rauf !
«
Dietrich Kuhlbrodt
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: Konkret 10/1989
In
meinem Herzen, Schatz
BR
Deutschland - 1988/89 - 83 min. - teils schwarzweiß - Verleih: Senator,
Starlight (Video) - Erstaufführung:
7.9.1989
- Produktionsfirma: Ottokar Runze Filmprod./ZDF - Produktion: Ottokar Runze
Regie:
Hans-Christoph Blumenberg
Buch:
Hans-Christoph Blumenberg
Kamera:
Jörg Schmidt-Reitwein
Musik:
Gerd Bellmann, Hans Peter Ströer
Schnitt:
Barbara Büscher-Grimm
Darsteller:
Ulrich
Tukur
Anette
Kremer
Ilse
Werner
Bernhard
Weber
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