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Jennifer's
Body -
Jungs nach ihrem Geschmack
Smartassifizierung
Kult-Drehbuchautorin
Diablo Cody ("Juno")
plus Sexsymbol Megan Fox: ergibt blutig pürierte Vampirmythologie in Karyn
Kusamas "Jennifer's Body".
Im
wohl spektakulärsten Moment von "Jennifer's Body" - abgesehen
natürlich vom schmachtenden Kuss der Protagonistinnen - montiert Regisseurin
Karyn Kusama zwei Sexszenen parallel. Die eine zeigt die gute und blonde Heldin
des Films, Needy (sic!; Amanda Seyfried, mir bekannt aus der exzellenten TV-Serie
"Veronica Mars"), beim zahm-freundlichen kondombewehrten Geschlechtsverkehr
mit dem Boyfriend. Die andere aber, die in viel wüsteren Bildern vielfach
dazwischenfährt, jagt die von Dämonen besessene Jennifer (Megan Fox),
vormals Needys beste Freundin, mit entblößten Brüsten und Reißzähnen
auf einen jungen Mann, der erst nicht weiß, wie ihm geschieht und hinterher
erst recht nicht, weil da ist er in Stücke gerissen und tot.
Die
Parallelmontage suggeriert in der Grammatik filmischer Mittel Gleichzeitigkeit.
Sie drängt darüber freilich fast immer hinaus. Der Mensch als Bedeutung
suchender will, was so nebeneinander steht, auch inhaltlich gerne vergleichen.
Er sucht einen Kontrast oder eine Identität oder in der Parallele die Differenz
oder in der Differenz eine Gleichheit. Hier, im Doppelsex von "Jennifer's
Body", läuft man damit, wie eigentlich mit jedem Versuch, der Angelegenheit
Sinn abzugewinnen, ins Leere. Oder, schlimmer noch, ins Banale. Aus der Montage
folgt nämlich so recht nichts oder höchstens das unspezifische eine:
Auf Unschuld und mormonische Vorstellungen von Enthaltsamkeit wollen die Damen
Kusama und Cody, anders als das "Twilight"-Vampir-Franchise, nicht
hinaus. Sex ist nicht böse per se. Er kann nur, wenn eine von Dämonen
besessen ist und ekelhaft Blut - oder schwarze Ersatzflüssigkeit - spuckt,
wie soll man sagen, entarten.
Das
mit den Dämonen geht so. In einer Kneipe in der Kleinstadt, in der Jennifer
und Needy leben, spielt eine Band. Deren Mitglieder sind alle Jungs, die von
Jennifer etwas wollen und, eher durch Needys Schuld, nicht bekommen und darauf
setzen sie mit den Kräften des Bösen die Kneipe in Brand. Jennifer
wird im Inferno und Tohuwabohu ins Auto gepackt und verschleppt. Und zwar an
den zuvor als Mysterium etablierten, übrigens real existierenden Ort, der
dem Städtchen namens Devil's Kettle den Namen gibt: einen Wasserfall, der
kreiselnd in einem Loch in der Erde verschwindet und nirgendwo je wieder auftaucht.
(Ich rücke die Rückblende, die später im Film kommt, hiermit
chronologisch zurecht.)
Von
allen guten Geistern verlassen, an die bösen aber umso irrsinniger glaubend,
werfen die Jungs von der Band die schöne Jennifer in den gurgelnden Schlund.
Weil nämlich das Opfern einer Jungfrau finsteren Segen für die Opfernden
bringt. Sagt irgendein Hexeneinmaleins, weiß der Teufel. Nur war leider
Jennifer keineswegs eine Jungfrau, was zu ihrer Wiederkehr führt, einem
ersten grausigen Blutspuckanfall, einer grundsätzlich sehr ans Vampirische
gemahnenden Besessenheit (terminus technicus: "dämonische Transferenz")
und eben reißwütigem Blutrausch-Sex mit Jungs, die hinterher immer
aussehen, als hätten sie’s mit einem Fleischwolf getrieben. Lerne, vielleicht:
Je schöner die Frau, desto wilder das in ihr rasende Tier. Und lerne auch:
Jungs, die einen ins Schleimige gehenden Indierock spielen, sind abgrundtief
böse und werfen Jungfrauen, die keine sind, ins rauschende Loch. (Na, da
hat der Film doch recht. In den blutigeren Szenen kommt es übrigens zu
krachigem Einsatz von Metal-Musik. Ob die noch böser ist?)
Man
wird jetzt fragen: Meinen Cody/Kusama das alles ernst? Natürlich nicht
wirklich. Eher wollen sie etwas wie eine leicht feministisch gewendete Smartassifizierung
von Vampirmythologie. Mit dazwischengestreuten Ironie- und Hipness-Signalen,
die aber auch nicht verbergen, mit welcher Unbeholfenheit das Drehbuch und auch
die Regisseurin hier durch ein Genre rumpeln, für dessen vertrackte Symbolwerte
sie sich im Prinzip herzlich wenig interessieren. Die Ex-Stripperin mit Media-Studies-Abschluss
Diablo Cody war zuvor mit dem arg überschätzten und noch ärger
konservativen Adoleszenz-Melancholicum "Juno"
zum Star geworden. Megan Fox ist dank der Spielzeug-Verfilmungen um die "Transformers"
das derzeit vielleicht heißeste Hollywood-Sexsymbol. Amanda Seyfried spielt
sie in diesem Film allerdings an die Wand. Und heraus kommt trotzdem ein Murks.
Auch an den Kassen ein ziemlicher Flop. Am Ende dieses recht intelligenzbefreiten
Werkleins fliegt Needy mithilfe transzendentaler Meditation (oder so ähnlich)
aus dem Gefängnis davon, steigt zu Lance Henriksen (ein Cameo-Auftritt,
lese ich in der IMDB) ins Auto und dann ist der Film aus. Die hundert Minuten,
die er mir gestohlen hat, seh ich nicht wieder.
Ekkehard
Knörer
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: www.perlentaucher.de
Jennifer's
Body - Jungs nach ihrem Geschmack
USA 2009 - Originaltitel: Jennifer's Body - Regie: Karyn Kusama - Darsteller: Megan Fox, Amanda Seyfried, Johnny Simmons, Adam Brody, Kyle Gallner, Amy Sedaris, J.K. Simmons - FSK: keine Jugendfreigabe, nicht feiertagsfrei - Länge: 102 min. - Start: 5.11.2009
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