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Jodhaa
Akbar
Pracht
ohne Protz
Das Historienspektakel "Jodhaa Akbar"
beschenkt den Zuschauer immerzu: mit dem Gerechten, dem Schönen, dem Guten.
Pracht ist kein schmutziges Wort für
Ashutosh Gowariker in seinem Historienfilm "Jodhaa Akbar". Verschwenderisch
ist vielmehr die Schönheit seiner DarstellerInnen, seiner Paläste
und Kostüme und Raumarrangements, mal treibend und mal schwelgerisch die
auf sinfonische Orchestermusiktradition zurückgreifende Musik des seit
letzten Sonntag Oscar-dekorierten A. R. Rahman. Grandios sind die Kampf- und
die Bewegungschoreografien, elegant gleitet die Kamera durch die Rituale und
Ordnungen und Tänze einer vergangenen Zeit, die Gowariker mit gezieltem
Blick auf die Gegenwart heraufbeschwört.
Die ganze Pracht aber wird niemals zu
Protz, Prunk und Selbstzweck, weil die Schönheit der Menschen, Bilder,
Einstellungen, Farben und Objekte des Films stets im Dienst eines Humanismus
steht, der die Schauwerte unter das Gesetz eines menschlichen Maßes und
einer mal sanft, mal bestimmt vorgetragenen Toleranzbotschaft stellt. Und so
ist "Jodhaa Akbar" zwar ein Kostüm- und Historienfilm, der im
16. Jahrhundert spielt; und, ja, er erzählt die Liebesgeschichte, von der
der Titel, die Namen der Liebenden reihend, kündet. Die Pointe der Geschichte
aber ist gesellschaftspolitisch, wie schon in den beiden vorangegangenen Meisterwerken
des Regisseurs, dem Oscar-nominierten Cricket-Epos "Lagaan" (2001) und dem Mahnruf ans ländliche
Gegenwartsindien, "Swades" (2004).
Akbar (Hrithik Roshan) ist, zwar historisch
verbürgt, aber von Gowariker gezielt umerfunden, ein gerechter Mogul, der
nach der Herrschaft über ganz Indien strebt. Zu diesem Zweck geht er, der
muslimische Herrscher, eine Ehe mit Jodhaa (Aishwarya Rai) ein, der Tochter
eines Hindu-Fürsten. Jodhaa jedoch, die eigensinnig ist und außerdem
eine brillante Schwertkämpferin, besteht darauf, im Innern ihrer Gemächer
einen kleinen Tempel zu Ehren des Gottes Krishna zu errichten. Die Bitte wird
ihr gewährt, es ist der erste Schritt Akbars zu ihrem Herzen. Es wirft,
auf dem weiteren Weg dahin, Jodhaa - und mit ihr die Kamera - einen unzweifelhaft
begehrenden Blick auf den nackten Oberkörper des Moguls. Und es kommt,
wie es kommen muss: zum spielerisch-entschlossenen Fechtkampf der Liebenden,
Vorspiel zum und grandiose Stellvertretung von Sex.
Das Eigentümliche und bei genauer
Betrachtung Großartige an "Jodhaa Akbar" ist der Mangel an dem,
was man gern den epischen Atem nennt. Bei aller Pracht ist der Film nämlich
ausgesprochen entspannt. Er lässt Konflikte entstehen und wieder vergehen.
Nicht nur der Herrscher ist, von wenigen Wutanfällen abgesehen, sehr sanft,
der Film ist es auch. Bei aller Liebe zu Schönheit und Schauwert: Nichts
davon kostet Gowariker über Gebühr aus. Die so spielerisch wie häufig
eingesetzte Wischblende ist das Stilmittel, das zu der Behendigkeit passt, mit
der "Jodhaa Akbar" vom großen Tableau ins Intimste springt und
wieder zurück, mit der der Film Liebe und Krieg, Kampf und Gesang, Blicke
und abgeschlagene Häupter aufeinanderfolgen lässt, ohne erzählerisch
allzu strikte Zusammenhänge zu stiften.
Im Kleinen und Großen setzt Gowariker
auf relaxtes Spektakel. Mit dreieinhalb Stunden ist der Film auch für Bollywood-Verhältnisse
lang. Er nutzt die Zeit immer auch fürs Luftholen, fürs Einatmen und
fürs Ausatmen zwischen den Bildern, er lässt dem Betrachter Spiel
und Zwischenraum. Für die Massenchoreografien haben sich der Regisseur
und seine Choreografen den Draufblick der Kamera und manches mehr von Busby
Berkeley abgeschaut. Auch dabei aber geht es nicht ums überwältigungsästhetische
Spektakel. Lässig bleibt die Inszenierung bei aller Pracht. Die Wischblende
fungiert als souveräne Geste: Das war es, anderswo geht es weiter. Der
Film ist reich an Schönheiten, so reich, dass er sie gar nicht ausstellen
muss. Er ist stattdessen generös, er beschenkt den Zuschauer immerzu: mit
dem Gerechten, dem Schönen, dem Guten. Und weil er einen zu nichts nötigt,
nimmt man ihm das alles auch ab.
So großzügig wie der Film selbst
ist auch seine DVD-Version von rapid eye movies. Auf drei DVDs verteilt sind
der Film und viele Extras, darunter auch ein Interview mit Regisseur Ashutosh
Gowariker. Für rund 20 € im Handel.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen
in der: taz
Jodhaa
Akbar
Indien 2008 - Regie: Ashutosh Gowariker - Darsteller: Hrithik Roshan, Ashwarya Rai Bachchan, Sonu Sood, Kulbhushan Kharbanda, Suhasini Mulay, Ila Arun, Nikitin Dheer, Abir Abrar, Shaji Chowdhary - Fassung: O.m.d.U. - Länge: 213 min. - Start: 3.4.2008
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