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John
Rabe
Die
Rechnung ist aufgegangen
"John Rabe" ist ein Lehrbeispiel
für die Kümmerlichkeit der Ambitionen vom großen deutschen Kino.
Der Film hält nichts von dem, was das ganze Drumherum verspricht
Traurig ist das deutsche Kino, wenn es
von Größe und Glanz träumt und seinen sehnsüchtigen Blick
immer nur nach Hollywood richtet. Man kann Hollywood für vieles verachten,
aber wenn es sich auf etwas versteht, dann ist es die Produktion von Stars und
Effekten, von großen Namen und viel Brimborium. Auch das muss man nicht
mögen; armseliger als aller Brass ist aber der Versuch, Hollywood zu imitieren
mit geringeren Mitteln.
Florian Gallenbergers Film John Rabe
ist ein Lehrbeispiel für die Kümmerlichkeit der scheinbar kühnen
Ambitionen vom großen deutsches Kino.
Die Lebensleistung von John Rabe, einem Hamburger Siemens-Repräsentanten
im Nanjing der 1930er Jahre, ist mit dem Attribut „der Schindler von China“
treffend beschrieben. Rabe rettete während der Belagerung Nanjings durch
die Japaner 1937/38 Tausenden von Menschen das Leben – etwa durch den Trick,
eine riesige Hakenkreuzflagge im Garten seiner Residenz aufzuspannen, unter
der Chinesen sicher waren vor den Bomben der mit Deutschland alliierten Japaner.
Das Passepartout für den Film liefert
Hollywood: das Drama Schindlers
Liste. Indem John
Rabe an dieses waghalsige Unternehmen (eine Geschichte vom „guten Nazi“, inszeniert
von einem Regisseur, der bis dahin vor allem unterhaltsame Filme gedreht hatte)
anknüpfen will, lässt er sich von Spielbergs Erfolgsfilm Unbedenklichkeitserklärung
und Gewinnerwartung in einem ausstellen: Schindlers
Liste war großes
(Kinokasse) und gleichzeitig historisch bedeutsames (Schulklassen) Kino – also
wird John Rabe das schon auch werden. Zugleich verschafft
Gallenbergers Regie jenen deutschen Filmschaffenden Genugtuung, die aus Standortdünkel
als falsch empfunden haben, dass ein amerikanischer Jude „deutsche“ Geschichten
erzählt – unabhängig davon, dass sich gewisse deutsche Geschichten
zu gewissen Zeiten von amerikanischen Juden womöglich unproblematischer
erzählen lassen.
Florian Gallenberger bringt in das Projekt
John Rabe nun aber nicht nur seine deutsche Herkunft,
sondern wiederum in Amerika erworbene Meriten ein, einen 2001 gewonnenen Kurzfilm-Oscar.
Die Rechnung: Große deutsche Filme drehen am besten Menschen, die schon
einmal erfolgreich in einer Oscar-Verleihung gesessen haben. Akklamatorisch
hat jedenfalls der Deutsche Filmpreis, der Ende April verliehen wird, John Rabe in
sieben Kategorien nominiert, und schon dieses Gehabe, abgeschaut beim Oscar,
ist unendlich peinlich.
Denn, und darum geht es auch noch, der
Film hält nichts von dem, was sein Drumherum und die Geschichten, die sich
darüber erzählen lassen, versprechen. John
Rabe ist ein zähes
Werk, was wohl auch damit zu tun hat, dass es die 134 Minuten, die es tragen
soll, weil großes Kino länger dauern muss als 90 Minuten, nicht trägt:
Unentschieden springt die Handlung zwischen den Konfliktherden – der Nazi Rabe
gegen den Anti-Nazi-Arzt Wilson (Steve Buscemi); Rabe gegen seine Diabetes;
Rabe und die Liebe; die Japaner gegen das Komitee zur Verteidigung von Nanjing.
Die Musik ist ärgerlich, weil ihrem Einsatz das Kalkül der Überwältigung
anzumerken ist. Ratlos machen die Originalaufnahmen, die in solchem Ausmaß
einfügt werden, dass man nicht weiß, ob damit nur Echtheit zertifiziert
oder Zeit geschunden werden soll. Und Ulrich Tukurs Spiel lässt Rabe nur
mehr sympathisch erscheinen und Seiten, die an der Figur vielleicht auch problematisch
sind, verschwinden. Aber das alles stört vermutlich sowieso niemanden –
solange Besucherzahlen, Quoten und Auslandsverkäufe stimmen.
Matthias Dell
Dieser Text ist zuerst erschienen
im: Freitag vom 01.04.2009
John
Rabe
Deutschland/Frankreich/China
2009. R, B: Florian Gallenberger. K: Jürgen Jürges. Sch: Hansjörg
Weißbrich. M: Laurent Petitgirard, Annette Focks. A: Tu Juhua. Pg:
Hofmann & Voges/EOS/Majestic/Pampa/Huayi Brothers/ZDF. V: Majestic. L: 134
Min. FSK: 12, ff. Da: Ulrich Tukur, Daniel Brühl, Anne Consigny, Dagmar
Manzel, Mathias Herrmann, Steve Buscemi.
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