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Julie
& Julia
Bon
appétit, Amerika!
Meryl
Streep glänzt in Nora Ephrons Film "Julie & Julia", einer
Hommage an die populäre Fernsehköchin Julia Child. Sie hat das Genre
der Kochshow populär gemacht.
Zwei
Worte gehen einem nach diesem Film nicht mehr aus den Kopf: "Bon appétit!"
Noch Tage später hat man im Ohr, wie Meryl Streep sie mehr flötet
als spricht, mit hemmungsloser Euphorie und hoffnungslosem amerikanischem Akzent.
"Bon appétit!" - damit pflegte Amerikas legendäre Fernsehköchin
Julia Child ihre Sendung zu beenden. Ihre Mission war es, den Amerikanern die
"Kunst des französischen Kochens" beizubringen. Obwohl sie nicht
die Erste war, die sich im Fernsehen an den Herd stellte, rechnet man ihr als
Verdienst an, das Genre der Kochshow populär gemacht zu haben.
Das
Verdienst von Nora Ephrons Spielfilm "Julie & Julia" ist es, Julia
Child als das Kuriosum, das sie war, in Erinnerung zu rufen. Es ist unwahrscheinlich,
dass heute jemand diese Frau eine Sendung über die französische Küche
auch nur moderieren ließe. Wer Meryl Streeps Imitationskünsten nicht
vertraut, schaue auf YouTube nach,
wie Child ein Omelette brät - hochgewachsen, stattlich, sichtlich weit
über 40, erklärt sie in schrillem Singsang, was zu tun ist. Ein Klassiker
ist die Szene, in der sie beim Wenden fehlgelandeten Teig vom Küchenboden
aufhebt mit den Worten: "Es gibt immer einen Weg, die Mahlzeit zu retten
- solange Sie alleine in Ihrer Küche sind."
Ein
paar dieser unvergesslichen Fernsehmomente stellt Meryl Streep im Film nach.
Dort sind es Ausblicke in eine Zukunft, von denen Child als untätige Ehefrau
eines Diplomaten im Paris der ausgehenden 40er-Jahre nicht zu träumen wagt.
"Diese Franzosen! Essen den ganzen Tag französisch!", deklamiert
sie, und was liegt näher für jemand, der so gerne isst, als selbst
das Kochen zu erlernen?
Der
Film zeigt die Entwicklung Childs von der Hobbyköchin bis zur gefeierten
Kochbuchautorin als genussvollen, aber von Rückschlägen gezeichneten
Weg. Meryl Streep bringt dabei nicht nur das Kunststück fertig, ungefähr
einen halben Meter größer auszusehen als sie ist. Sie ahmt die Manierismen
der Originaljulia auf eine Weise nach, die sehr nah an der Karikatur ist und
doch die Grenze nie überschreitet. Man verliebt sich regelrecht in diese
Frau, in die laute Begeisterungsfähigkeit, den optimistischen Frohsinn,
die Unbekümmertheit, mit der sie ans Werk geht - es ist der Charme, der
die Nachkriegsamerikaner für Europäer einst unwiderstehlich machte.
Leider,
der Titel deutet es an, macht das nur die eine Hälfte des Films aus. Die
andere handelt von einer jungen Frau, die 2003 in New York einen Blog darüber
schreibt, wie sie sämtliche Rezepte aus Childs Kochbuch nachkocht. Die
Frau wurde damit berühmt, man versteht nicht, warum. Wie unüberwindlich
die Abgründe zwischen dem Nachkriegs-Paris und dem Nach-9/11-New-York sind,
zeigt sich im Verhältnis zur Butter: Child empfiehlt in ihren Rezepten
Mengen davon, die im heutigen Amerika als gemeingefährlich gelten. Versöhnlerisch
wischt der Film darüber hinweg, dabei läge hier der Stoff für
eine wunderbar bissige Komödie. Bon
appétit!
Barbara
Schweizerhof
Dieser
Text ist zuerst erschienen in der: taz
Julie
& Julia
USA 2009 - Regie: Nora Ephron - Darsteller: Amy Adams, Meryl Streep, Stanley Tucci, Chris Messina, Linda Emond, Helen Carey, Jane Lynch, Mary Lynn Rajskub, Dave Annable, Vanessa Ferlito - FSK: ohne Altersbeschränkung - Länge: 123 min. - Start: 3.9.2009
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