zur startseite
zum archiv
Kanakerbraut
»Kanakerbraut« sei „ein Film
über Sehnsüchte", heißt es im Presseheft zu Uwe Schraders
erstem Spielfilm, der bei den letzten Hofer Filmtagen Aufmerksamkeit erregte.
Die Charakteristik trifft den Film nur zum Teil. »Kanakerbraut«
ist vor allem ein Film über die Einsamkeit von Menschen am Rande der Gesellschaft,
über ihre ausweglosen Versuche, ein wenig Nähe zu erleben, ihre Flucht
in den Alkohol, der den trostlosen Alltag erträglicher zu machen scheint.
Schraders Film spielt vor der Kulisse
des Kreuzberger „Milieus", dort, wo sich Deklassierte jeder Nationalität
in schäbigen Wohnungen und dumpfen Kneipen mehr eingenistet als eingerichtet
haben. Er erzählt von Paul und Lisa, die sich in einer Kneipe kennenlernen,
sich für einen Augenblick gemeinsam gegen die kaputte Umwelt zu behaupten
scheinen, um dann allein in der gewohnten Tristesse weiterzuleben. Paul, von
Peter Franke melancholisch-dumpf gespielt, hängt seiner Vergangenheit nach.
Der Suff hat ihn die bürgerliche Existenz gekostet, jetzt hilft er ihm,
ein Leben zu ertragen, das außer kurzen Gelegenheitsjobs, schmuddeligem
Sex und dem täglichen Kneipenbesuch nichts mehr zu bieten hat. Lisa, deren
Mann auf Montage im Sudan arbeitet, hat sich noch einige Accessoires kleinbürgerlichen
Wohlstandes erhalten, die aber allenfalls sie selbst noch über die Hoffnungslosigkeit
ihrer Lage hinwegtäuschen. Als „Kanakerbraut" beschimpft, sucht sie
(und findet zuweilen) bei Ausländern die Geborgenheit, die ihr ihre 'Landsleute'
verweigern. Schrader zeigt die vorübergehende Annäherung von Paul
und Lisa, ihre Illusionen („Man muß sich nur zusammenreißen"),
die mit der nächsten Schnapsrunde weggespült werden, aber auch das
Umkippen von Zärtlichkeit und Nähe in Gemeinheiten und Verletzungen.
Was Schraders Film so eindrucksvoll macht,
ist die Beiläufigkeit seiner Erzählweise, sein Versuch, episodisch
aus dem Leben von Menschen zu berichten, die keine Geschichte mehr haben. Die
- häufig bewegte - Kamera folgt ihren 'Helden', ohne sie zu verfolgen;
die Austauschbarkeit der hart gegeneinander geschnittenen Episoden zeugt von
der Banalität und Richtungslosigkeit ihrer alltäglichen Verrichtungen.
Schraders Film - und das ist kein geringes
Verdienst - hat keine 'Botschaft'. Er verzichtet auf die Denunziation seiner
Personen ebenso wie auf verlogene Sozialromantik oder eine wohlfeile Kritik
der Gesellschaft, in deren Hinterhof diese Menschen leben. Gerade dieser Verzicht
macht, so meine ich, die »Kanakerbraut« zu einem politischen Film.
Der Film wurde mit einem Etat von 30 Tausend
Mark gedreht (20.000 DM von der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin und
10.000 DM Eigenmittel). - Ein Beweis, daß es weder eines großen
finanziellen Aufwandes noch einer spektakulären Bachmeier-Story bedarf,
um einen authentischen bundesrepublikanischen Gegenwartsfilm zu produzieren.
Raimund Gerz
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: epd Film 2/1984
Kanakerbraut
Bundesrepublik
Deutschland 1983. Regie: Uwe Schrader. Drehbuch: Uwe Schrader, Daniel Dubbe.
Kamera: Klaus MüllerLaue. Ton: Uwe Thalmann. Ausstattung: Folker Ansorge,
Birgit Gruse. Kostüme: Birgit Gruse.Produktion: DFFB. Gesamtleitung: Hans
W. Müller, Dieter Kirsten. Verleih: Basis. Länge: 1700 m (62 Min.).
Kinostart: 3.2.1984. FBW-Prädikat: besonders wertvoll. Darsteller: Peter
Franke (Paul), Brigitte Janner (Lisa), Gerhard Olschewski (Vertreter), Nikolaus
Dutsch (Weigert), Alfred Raschke (Günther), Steffi Lang (Ramon), Rainer
Pigulla (Arbeiter), Alex Zander (Geldfahrer).
zur startseite
zum archiv