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Kindsköpfe
Ein Furz, ein Schiss, ein Kinderspiel
In Dennis Dugans
Komödie "Kindsköpfe" lümmeln Adam Sandler, Kevin James,
Chris Rock und Rob Schneider vor der Kamera rum, schießen sich Pfeile
in die Füße und lassen den Plot einen guten Mann sein. Total sinnbefreit,
aber auch irgendwie amüsant.
In ihrer letzten Zusammenarbeit haben Regisseur Dennis
Dugan und der Star und Drehbuchkoautor Adam Sandler sich an
hoch ambitionierten Low-Brow-Wahnwitz gewagt. Als Möchtegern-Friseur und israelischer
Geheimagent namens Zohan löste Sandler, den Fisch zwischen den Arschbacken,
in "Leg dich nicht mit Zohan an" eigenhändig
stellvertretend die Probleme des Nahen Ostens. Nichts war da heilig, Zohan hatte Sex mit älteren Frauen und Spaß mit Hummuskanonen oder einer im Hackensack-Training durchs Wohnzimmer
gekickten Katze. Dass das aktuelle Hollywood-Komik-Genie Judd Apatow dem Tiefflieger-Humor Adam Sandlers jede Menge durch die Mangel gedrehte
Weltpolitik injizierte, machte "Leg dich nicht mit Zohan an"
zur Tour de Force, in der einem Steindummes und Brillantes und vor allem die
ununterscheidbare Mischung aus beidem so hochfrequent um die Ohren flog, dass
man die Waffen des zergliedernden Verstands liebend gern streckte.
Der Nachfolger - wenn man, in Abwesenheit Judd Apatows, denn so will - heißt nun "Grown Ups". Zu
deutsch "Kindsköpfe", womit die mehr als offensichtliche
Ironie des Originaltitels schon mal getilgt, der Nagel allerdings umso mehr
auf den Kopf getroffen wird. Die Besetzungsliste liest sich wie das "Who
is Who" einer bestimmten Sorte US-Komödien-Humors:
neben Sandler noch Kevin James (rasend erfolgreich als "Kaufhaus-Cop"),
Chris Rock und Rob Schneider. Von Salma Hayek und Maria Bello als weiblichen
Stars mal auch nicht zu schweigen. Das Verblüffende ist nun allerdings,
dass dieses Riesenaufgebot der ersten Hollywood-Liga sich an einer Art Nullpunkt
des Geschichtenerzählens vor die von Dugan wie stets bar jeder
Eleganz eingesetzte Kamera lümmelt, um dort den Plot einen guten Mann sein
zu lassen.
Ein Vorwand zur Versammlung dieser Darsteller findet
sich schnell. Der alte Basketball-Coach namens Buzzer ist
gestorben, man trifft sich zur Beerdigung, man sitzt in einem Landhaus am See,
man hat seine Frauen dabei, erinnert sich, macht Faxen, quatscht blöd rum,
geht ins Freibad und hat seinen Spaß. Im Grunde aber passiert: nichts.
Passend dazu ist Adam Sandler runtergetunet auf jene komplett
ausdruckslose infantile Nöligkeit, die er wirklich grandios beherrscht. Fast versteht
man ihn nicht, fast bewegt er sich nicht, fast merkt man nicht, dass er scherzt.
Das ist keineswegs subtil oder fein oder anspielungsreich, eher eine nicht unsympathische
Verdichtung von Nichtenergie mitten im Raum.
Von diesem Ausgangs-Null-Niveau aus bedarf es komischer
Fallhöhen nicht. Die Figuren sind ausnahmslos Typen: der weitgehend humor- und ironiebefreite, aber letztlich natürlich auch okaye und vor
allem mit sexy Töchtern grotesk gesegnte Peinsack mit
dem Elvis-Tollen-Toupet; die andern Männer als Spielarten von Jungs, die
auf die simpelsten Schlüsselreize beim andren Geschlecht reagieren und
mit der Tatsache, dass sie so simpel gestrickt sind, wirklich überhaupt
kein Problem haben. Sandler spielt dabei einen Mann, der im Berufsleben großen
Erfolg - nämlich in Hollywood - und im Privatleben die Modedesignerin Salma
Hayek (die im Film natürlich irgendwie anders heißt) zur Gefährtin
hat. Das darf man durchaus, wie soll man sagen, allegorisch verstehen. Sandler,
der im Grunde eher so etwas wie ein jüdischer Ostküstenintellektueller
ist, begibt sich nicht zum ersten Mal unter die einfachen, aber grundkorrekten
Gemüter des Mittleren Westens und erweist sich als ihresgleichen.
(Das wäre dann die eigentliche, von Anbiederung sicher nicht freie Geschichte
von "Grown Ups".)
Wie nahe die hier vorgeführten
Klischees solcher Typen an der Realität der großstadtfernen amerikanischen
Unter- und Mittelschicht liegen, kann ich nicht wirklich beurteilen. Die imdb-Kommentare ("OMG! smoking hot")
deuten darauf hin, dass da zusammenkommt, was zusammengehört und der Humor,
den die Jungs und die Mädels da zelebrieren, trifft offenkundig ins Schwarze.
"Grown Ups" ist einer von Sandlers an den Kassen erfolgreichsten
Filmen und komplett unverständlich ist das eigentlich nicht. Denn tatsächlich
verströmt er ein relaxtes Klassentreffen-Home-Movie-Feeling
und ist auf seine extrem unanspruchsvolle Art immer wieder sogar so etwas Ähnliches wie lustig.
Jedenfalls dann, wenn man sich über für derlei Quatsch eigentlich
zu alte Männer amüsieren kann, die Pfeile in den Himmel schießen,
die sich darauf in Füße bohren, über Männer, die an Lianen
gegen Bäume knallen, über Frauen, die ihrem vierjährigen Sohn
die Brust geben - mit so ziemlich allen erdenklichen an diese Grundmotiv angeschlossenen
Scherzvariationen und -einszueinswiederholungen (vgl. für letzteres Gastauftritt Steve Buscemi).
Aber selbst wenn sich die eigene Amüsiertheit in
Grenzen hält - staunen dürfen wird man. Über einen Film, der
eigentlich nichts ausstellt als ein weitgehend handlungsbefreites Einverstandensein mit der eigenen, von jedem tieferen Anspruch befreiten
Haltung zur Welt; einen Film, der aussieht, als wäre er mal eben an einem
Wochenende produziert und als hätte niemand einen Pfifferling ins Drehbuch
investiert, weil Rumsitzen, Quatschmachen, das Reißen moderat sexistischer
Witzchen, ein bisschen Sentimentalität hier, ein bisschen Geschmacklosigkeit
da, ein Furz, ein Schiss, ein Kinderspiel, reichen, um einem Hollywoodstudio
von heute die Kassen zu füllen. Und Tatsache: das reicht. Und Tatsache
auch: lustiger als manches, das sonst so als Komödie daherkommt, ist es
noch dazu. Kurzum: Man wird auch nach "Grown Ups" nicht umhin können, Adam Sandler als eines der erstaunlicheren
Phänomene der Hollywood-Gegenwart zu begreifen.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen in: www.perlentaucher.de
Kindsköpfe
USA 2010 - Originaltitel: Grown Ups - Regie: Dennis Dugan - Darsteller: Adam Sandler, Kevin James, Chris Rock,
David Spade, Rob Schneider, Salma Hayek, Maria Bello, Maya Rudolph,
Colin Quinn - FSK: ohne Altersbeschränkung - Länge: 102 min. - Start:
5.8.2010
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