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Knowing
Vorläufig
agnostisch
Hundertmal derselbe Gesichtsausdruck,
Aliens, Weltuntergang, solche Sachen: Das ist "Knowing" von Alex Proyas
mit Nicolas Cage.
Prolog. Eine Klasse von High-School-Kinder
soll Zukunftsvisionen entwerfen. Es ist das Jahr 1959. Ein Mädchen malt,
anders als alle anderen, kein Bild. Mabusehaft obsessiv schreibt sie vielmehr
Zahlenreihen um Zahlenreihen auf ihr Papier. Die Zukunftsvisionen werden in
einer Eröffnungszeremonie zum High-School-Neubau versenkt. Fünfzig
Jahre später, so die Idee, sollen die Menschen der Zukunft entscheiden,
wie prophetisch die dann wieder auszubuddelnden Visionen waren.
Sprung in die Gegenwart. John Koestler
(Nicolas Cage) ist Professor am MIT und philosophiert in einer Vorlesung dummes
Zeug über Zufall und Determinismus daher. Er wird uns präsentiert
als Mann, der sich übers Leben keine religiösen oder sonstigen Illusionen
macht, als einer, dem nichts über seinen Naturwissenschaftlerverstand geht.
Was auch mit einem schrecklichen Schicksalsschlag zu tun hat, den das Drehbuch,
an dem eine ganze Volleyballmannschaft von Autoren gesessen hat, ihm aufbürdet:
Er hat seine Frau verloren und ist seinem neunmalklugen Sohn Caleb (Chandler
Canterbury) nunmehr ein vorläufig agnostischer, aber guter alleinerziehender
Vater.
An Koestler gelangt, über den neunmalklugen
Sohn, die ausgebuddelte Zahlenreihe, mit der er zunächst einmal nichts
anfangen kann. Aber dann! Koestler kapiert, dass die Zahlen sich ganz grausigen
Sinn ergeben, wenn man sie auf zwischen Niederschrift und Ausgrabung eingetretene
Unglücke zu beziehen versteht: Längen- und Breitengrad, Datum und
Zahl der Toten, voila. Heraussticht zunächst 9/11, aber auch alles weitere
entüllt rasch seine Bezüge. Koestler erklärt die Sache der Tochter
der unterdes leider verstorbenen High-School-Visionärin, auch seinem besten
Naturwissenschaftler-Freund. Sie haben erst ihre Skepsis zu überwinden,
was aber schnell gelingt, sobald die Zahlen die Wahrheit zu sprechen beginnen
für das, was in der Film-Gegenwart eben noch in der Zukunft lag.
Alex Proyas, der in den Neunziger Jahren
den überzeugenden SciFi-Film "Dark
City" gedreht hat,
nutzt die Gelegenheit, die das Drehbuch ihm bietet, immerhin zu apokalyptischen
Unglücks-Bildern. Ein Flugzeug stürzt mit Karacho zur Erde und macht
Menschen zu Feuerbällen. Eine U-Bahn entgleist und macht Menschen zu Matsch.
Koestler immer mittenmang, kommt aber mit dem Leben davon. Aller katastrophischen
Bildwut zum Trotz darf von einem Inferno nicht reden, wer bereits aufs Ende
des Films gesehen hat und das, was da ein paar prominenten Gebäuden, Städten,
Landstrichen, Weltgegenden bzw. einem ganzen Planeten widerfährt.
Das große Unglück von "Knowing"
- neben dem törichten Drehbuch, der Triefäugigkeit von Nicolas Cage,
der Unerträglichkeit der meisten Figuren, dem New-Age-Unfug, der verbreitet
wird, und den abstrusen Wendungen, die die Geschichte nimmt, ohne dabei ein
Jota ihrer entsetzlichen Ödnis zu verlieren - das große Unglück
von "Knowing" also ist, dass Alex Proyas den Humbug ganz ernst meint
oder jedenfalls überzeugend so tut. Die ganze niederschmetternde Atmosphäre
kommt von Anfang bis Ende in einem Stimmungs-Finsternis-Fortissimo daher, in
dem auch die eigentlich sehr schönen Spezialeffekte ertrinken. "Knowing"
schlingert zwischen SciFi und Horror und tut immerzu so, als ob gleich die Welt
untergeht. Naja,
tut sie auch, not
with a whimper but a fireball. Aber das ist doch kein Grund, gleich so
seltsam religiös und humorlos zu werden.
Ekkehard Knörer
Dieser
Text ist zuerst erschienen am 8.4.2009 in: www.perlentaucher.de
Knowing
USA
2009 - Regie: Alex Proyas - Darsteller: Nicolas Cage, Rose Byrne, Chandler Canterbury,
Lara Robinson, Ben Mendelsohn, Nadia Townsend, Alan Hopgood, Danielle Carter,
Adrienne Pickering, Terry Camilleri - Länge: 122 min. - Start: 9.4.2009
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