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La
Zona
Der mexikanische Reißer "La
Zona" verbindet Gesellschaftskritik und mitreißende Jagd durchs Innere
einer verkommenen Gemeinschaft.
Der Titel deutet es in seiner Bestimmtheit
an: Man muss "La Zona" unbedingt allegorisch nehmen. Und darf also
die Raum- und Bildordnung, die er entwirft, nicht zu realistisch, sondern muss
sie als Topologie unserer Gegenwart verstehen. Mexiko, wo das spielt, ist nicht
zufällig der konkrete geografische Ort. Allgemeiner gemeint ist es dennoch.
So sieht sie aus, diese Topologie: Im
Zentrum steht nicht die "Zone", sondern die Mauer, die die Zone von
dem, was Draußen ist, trennt. Drinnen sind reiche Menschen, die es sich
leisten können, die Armen und Unterprivilegierten draußen zu halten.
"La Zona" ist das, was man im Englischen eine "gated community"
nennt, also ein künstlich auf hohem Einkommensniveau homogenisierter Lebensraum,
in dem Reiche ihresgleichen begegnen. Die einzigen, die vom armen Draußen
ins warme Drinnen wechseln dürften, sind die Bediensteten, deren Stellung
entsprechend prekär ist.
"La Zona" beginnt mit einem
temporären Zusammenbruch des Zentrums, der Grenze, der Mauer. Auch die
Kameras, die das Innen komplett überwachen und den Raum auf diese Weise
homogen und stabil halten, fallen für einen Moment aus. Eindringlinge nutzen
die Gunst der Minute und schleichen sich ins Innere der Zone. Sie brechen ein
in eine der Villen, wohlen nur stehlen, werden überrascht und töten
eine Frau. Sie fliehen, werden erwischt, getötet und als der Müll,
der sie für die Begriffe der Privilegierten sind, bei Nacht und Nebel verklappt
und entsorgt.
Doch die von den Eindringlingen geschlagene
Wunde schwärt weiter. Einer hat überlebt. Er kommt nicht mehr raus,
wird gejagt, versteckt sich im Keller. Die Blicke der Überwachungskamers
greifen ihn auf, verlieren ihn wieder. Nicht die Polizei - die selbst nur Gast
und Eindringling ist - hütet Recht und Gesetz in der Zone. Dafür sorgt
die Gemeinschaft selbst. Sie rottet sich zusammen, greift zu Waffe und Selbstjustiz.
Der Film typisiert einzelne Figuren: Die Einpeitscherin. Den Zurückhaltenden,
aber nicht Widerständigen. Seine Frau, deren Protest wenig bewirkt. Aus
der Gemeinschaft vergrößert der Film eine Familie heraus. Deren Mitglieder
sind juste-milieu der Zone, nicht fanatisch, aber auch keine Zelle des Widerstands.
Der Sohn Alejandro (Daniel Tovar) trifft
im Keller auf den Eindringling und verrät ihn nicht. Aus seiner, Alejandros,
Perspektive erzählt "La Zona" seine Geschichte. Der Film installiert,
selber drinnen eher als draußen, einen Außenblick des Innenblicks.
Dies ist auch die Position seiner Kritik. Er solidarisiert sich nicht mit den
Unterprivilegierten, sondern mit dem Privilegierten, der einen Prozess der Aufklärung
über sein Privilegiertsein durchlebt. "La Zona" entwirft also
eine Topologie bürgerlicher Selbstkritik.
Seine ästhetische Position ist damit
eng verbunden. Er mobilisiert seine Einstellungen mit der Handkamera und macht
Tempo. Er reißt seine Zuschauer mit und will ihre Identifikation mit der
Alejandro-Figur. Er kompliziert nichts, ganz anders als etwa der so brillant
heikle Favela-Film und Berlinale-Gewinner "Tropa de Elite". (Wo bleibt
der eigentlich in unseren Kinos?) Sein Handwerk, das er als das der gemäßigten
Agitation begreift, versteht Debütregisseur Rodrigo Pla bereits bestens.
Als gewiss sehr schematischer gesellschaftspolitischer Reißer, der aber
ohne allzuviel Heuchelei auskommt, ist "La Zona" jedenfalls interessant.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen
am 10.12.2008 in: www.perlentaucher.de
La
Zona
Mexiko 2007 - Regie: Rodrigo Pla - Darsteller: Maribel Verdu, Andres Montiel, Daniel Gimenez Cacho, Carlos Bardem, Alan Chavez, Daniel Tovar, Marina de Tavira, Mario Zaragoza, Enrique Arreola – Start (D): 11.12.2008
DVD
Länge: 92 (Min.)
Erschienen bei: Sunfilm Entertainment
Bildformat: 16:9
Ton/Sprache: Dolby Digital 5.1, Deutsch, Spanisch
EAN: 4041658222839
DVD-Start: 13.03.2009
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