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Die Legende von Aang
Die Welt retten, ohne Bäume zu umarmen
Der Regisseur M. Night Shyamalan ist berühmt geworden mit Filmen, in denen die Zuschauer nie
so recht wissen, ob sie nicht gerade an der Nase herumgeführt werden. Meist
spielt dabei das Jenseitige eine Rolle und die Art, wie es in unsere Welt hineinreicht
- Geister wissen nicht, dass sie gestorben sind („The Sixth Sense“); im Swimmingpool
taucht eine Meerjungfrau auf („Lady in the Water“);
Menschen entdecken, dass sie unzerbrechlich sind („Unbreakable“).
Dank dieser Mischung aus Suspense und
Metaphysik werden Shyamalans Filme gerne als "supernatural
mystery thriller" etikettiert. Das Problem ist nur, dass die Erwartung
des Unerwartbaren, zum Markenzeichen geronnen, selbst irgendwann vorhersehbar
wird. Vielleicht füllten Shyamalans Filme in letzter
Zeit deshalb die Kinokassen nicht mehr so wie gewohnt. Und vielleicht hat er
deshalb beschlossen, für sein neues Werk auf Dramaturgie weitgehend zu
verzichten und seiner Vorliebe fürs Übernatürliche freien Lauf
zu lassen. Jedenfalls sieht „Die Legende von Aang“ - die
Kinoadaption der animierten TV-Serie „Avatar: Der Herr der Elemente“
- wie ein Potpourri aus den bekannten Elementen des Fantasy-Genres aus, ein
kräftiger Schuss Martial-Arts-Kino inklusive.
Alle beherrschen irgendeine exotische Kampfkunst, die
Aufmärsche der Armeen des Bösen werden aus sehr großer Höhe
gezeigt, und Drachen kommen auch ins Spiel. Im Zentrum steht ein auserwählter
Junge (warum nie Mädchen?), der alles ins Lot rücken soll.
Hinter dem Spektakel steckt eine simple Yin-Yang-Philosophie:
Solange die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde, Luft im Gleichgewicht sind, ist
alles in Ordnung. Sollte sich eines der Elemente gegen die anderen erheben,
kippt der Lauf der Dinge ins Unerfreuliche. Dass das nicht passiert, darüber
wacht der "Avatar". Er ist bloß vor vielen Jahren verschwunden.
Seither hat die Nation des Feuers die Macht übernommen. Dann taucht der
Knabe Aang (Noah Ringer) auf. Er sieht ein wenig aus wie ein sehr
junger Dalai Lama, ist aber nicht ganz so friedlich. Er ist der Avatar, allerdings beherrscht er nur eines der Elemente. Daher braucht er
die Hilfe der anderen Elemente-Bändiger. Im ersten Teil der als Trilogie
angelegten Serie ist das Wasser dran.
Der Film beginnt denn auch in einer Schnee- und Eislandschaft
am Nordpol. Gedreht wurden die Szenen auf Grönland. "Es ging mir darum,
das Fantasy-Abenteuer an einem realen Schauplatz zu eröffnen. Die Story
sollte in der Wirklichkeit geerdet sein, auch wenn das für das Team und
die Schauspieler bedeutete, bei minus vierzig Grad zu arbeiten", sagt Shyamalan im Gespräch mit dem Standard. Ob er unter solchen Bedingungen
nicht lieber doch einen Trickfilm gemacht hätte? "Nein, auf keinen
Fall. Die Fernsehserie fühlt sich an wie eine Spielfilmidee, die in einen
Cartoon gezwängt wurde. Das sehen die Macher der TV-Serie genau so - das
sind echte Kinoliebhaber!"
So schwelgt der Film in malerischen Landschaften. Ständig
übt jemand Tai-Chi vor Wasserfällen oder lässt per Willenskraft
herbstliches Laub durcheinanderwirbeln. "Ich wollte mit dem Film ganz große
Oper machen", gesteht Shyamalan. "Auch die
Action sollte etwas Opernhaftes haben - mit starken Farben, wie in einem Gemälde
oder einem Ballett." Vorbilder für den Look seien Martial-Arts-Epen wie „Hero“ oder Filme von Hayao Miyazaki: "Als ich zum ersten Mal einen Film von Miyazaki sah,
war das wie ein Schlag zwischen die Augen. Ab der ersten Einstellung weiß
man, dass man ein Meisterwerk vor sich hat."
Sprunghaftes Geschehen
Bei solcher Schwärmerei fürs Bild muss die
Story-Logik öfter Pause machen. Szenenwechsel geschehen grundsätzlich
sprunghaft, ganze Teile des Films stehen seltsam unverbunden nebeneinander.
Plötzlich taucht eine Liebesgeschichte auf, plötzlich ist sie wieder
vorbei und die Prinzessin tot, oder genauer: Fisch geworden. Viel Zeit zum Trauern
bleibt nicht, der Film stürzt sich in die nächste Schlacht oder die
nächste mystische Elementenlehre.
Er habe, sagt der Regisseur, ein besonderes Verhältnis
zur Natur. "Nicht mit so einer Den-Baum-umarmen-Philosophie. Aber es gibt
ein Gleichgewicht zwischen Menschen und Natur, und diese Balance ist gestört.
Der Hinduismus lehrt, dass wir von den Elementen lernen können. Als ich
ein Teenager war, ist unser Haus niedergebrannt. Das wurde von allen als eine
gute Sache angesehen - es war die Chance für Neuanfang."
Im Film steht Feuer mehr für die Mächte des
Endes. Falls „Die Legende von Aang“ beim Publikum ankommt
- die US-Kritik hat den Film in der Luft zerrissen -, sollen ihr zwei Teile
folgen. Je weiter die Handlung voranschreitet, desto dunkler soll sie werden,
verspricht Shyamalan: "beinahe Horrorfilme." Das wäre endlich
mal eine gute Nachricht.
Dietmar Kammerer
Dieser Text ist zuerst erschienen in der Printausgabe
von: DER STANDARD, 18. August 2010
Die Legende von Aang
USA 2010 - Originaltitel: The Last Airbender - Regie: M. Night Shyamalan - Darsteller: Noah Ringer, Nicole Peltz, Dev Patel, Jackson Rathbone, Shaun Toub, Aasif Mandvi, Cliff Curtis, Jessica Andres, Seychelle Gabriel - FSK:
ab 6 - Länge: 103 min. - Start: 19.8.2010
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