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Lemon Tree
Ein radikal grenzwertiges Märchen aus der Jetztzeit. Mauerbau
zwischen Israel und der Westbank. Nachbarinnen, die zueinander nicht kommen.
Hier Mira (Rona Lipaz-Michael), Gattin des israelischen Verteidigungsministers;
allein sitzt sie im standesgerechten Neubau und kuckt auf die andere Seite.
Dort Salma (Hiam Abbass), Witwe mit Zitronenhain, einsam; sie kuckt zurück.
Frauensolidarität entspinnt sich, unausgesprochen. Doch die Männer
sprechen ein Machtwort. Der Minister will die Bäume abgeholzt haben. Vorher
noch ernten seine Soldaten palästinensische Zitronen, die fürs israelische
Festessen benötigt werden. Andererseits bringen Schwager und Bruder die
palästinensische Witwe zur Räson, die a) Gerechtigkeit vor dem israelischen
Staatsgerichtshof sucht und b) die Ehre des verstorbenen Ehemannes schändet,
da sie mit dem jungen Rechtsanwalt ins Bett geht.
Der Film pendelt zwischen den Originalsprachen hebräisch, arabisch
und englisch. Er changiert zwischen Tragödie und Komödie. Er spielt
das Volkstheater gegen die da oben aus und überwindet damit Mauer und Grenze. „Lemon
Tree ist kein politischer Film“, sagt Regisseur Eran Riklis („Die syrische Braut“).
Salma („Paradise now“) war auch die syrische Braut gewesen. Ihre Sympathisantin
Mira spielt Theater in Tel Aviv.
In der grenzenlosen Vermischung von Humor und Drama, wird politisch’
Lied zu einem komisch-garstigen Lied. Zwar wird dies und
das angemerkt. „Manchmal kennt unser Land keine Grenzen“ erkennt die Ministergattin
und verlässt denselben auf immer, müde und verdrossen. „Lemon Tree“
ist ein Film der Politikverdrossenheit. Frauen hüben und drüben sollten
wenigstens versuchen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und auf ein Wunder
zu hoffen. - Die sagenhafte Botschaft gefällt. „Lemon Tree“ ist abonniert
auf den Zuschauerpreis (Panorama, Berlinale 2008). Der israelisch-deutsch-französische
Film ist koproduziert mit ZDF-Arte. Und so ist es korrekt: wenn die gefühllosen
Männer diesseits und jenseits der Mauer keine Brüder sein wollen,
so dürfen doch Frauen über die Grenze hinweg sich als einig Volk von
Schwestern fühlen, auch wenn es zu schön sein sollte, um wahr zu sein.
Identifizieren kann sich jeder mit den Frauen dieses Films, vorausgesetzt man
vernachlässigt alles andere und vor allem vorausgesetzt, man liebt den
Typ Angela Winkler.
Dietrich
Kuhlbrodt
Dieser Text
ist zuerst erschienen in: Konkret 10/08
Lemon Tree
Israel / Deutschland
/ Frankreich 2007 - Originaltitel: Etz Limon - Regie: Eran Riklis - Darsteller:
Hiam Abbass, Ali Suliman, Rona Lipaz-Michael, Doron Tavory, Tarik Copty, Amos
Lavie, Amnon Wolf, Smadar Yaaron, Ayelet Robinson – Verleih: Arsenal - FSK:
ab 6 - Länge: 100 min. – Start (D): 2.10.2008
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