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Lieben
Sie Brahms?
Da
haben wir den Edelkitsch. Schnelle Wagen, guter Cognac, teure Bars und leere
Seelen sind das Drumherum. Und mitten drin quält sich die 40 jährige
Dekorateurin (Bergman) mit ihrem Problem: sie möchte
den Freund (Montand) gerne heiraten. Der will aber nicht. Da holt sie sich den
exzentrischen Millionärsjüngling ins Haus (Perkins). Der will. Und
lädt sie zum Brahmskonzert ein. Jetzt will aber auch der alte Freund. Die
Dekorateurin zögert nicht lange. Jubelnd fällt sie ihm um den Hals.
Konzertbesuche sind ja doch nur pubertär.
Zugegeben,
da wird fleißig geschauspielert. Ingrid Bergman weiß zu spielen,
ihre Rolle wird lebendig. Anthony Perkins kultiviert seine bizarr-nervöse
Masche - was hier zufällig paßt. Yves Montand schließlich garantiert
allen Kinogängern, daß er in jeder Sekunde wie Yves Montand feixt.
Mit
diesen Schauspielern hätten die Herzensnöte-im-gepflegten-Milieu einiges
Gewicht bekommen können. Leider aber kam da der Produzent und Regisseur
Anatol Litvak und stürzte sich auf die fatalen Seiten des Romans: er verschnulzt
Françoise Sagans „Lieben sie Brahms?". Wo auch nur ein Fenster ins
Blickfeld kommt, breitet sich dahinter das Lichtermeer Paris, gekrönt von
der Sacre Coeur. Die vielen Autofahrten und Straßencafészenen sind
im Atelier gedreht. Die Regie verrät soviel ärgerliche Routine, dass
man, wenn man’s nicht anders wüsste, das Alter des Films auf mindestens
zehn Jahre schätzen müsste.
Litvak,
einst Meister seines Handwerks („Der seltsame Alte“) und auf der Höhe seiner
Zeit („Entscheidung vor Morgengrauen“), zeigt Ermüdungserscheinungen. Gewiß,
er war schon immer für seinen Hang zum Melodramatischen bekannt. Auch in
seinem Film über den ungarischen Oktober („Die Reise“). Während aber
dort dennoch die Rekonstruktion des Hintergrunds den Eindruck einiger Authentizität
erweckte, wirkt der Spielgrund, auf dem „Lieben Sie Brahms?“ gefragt wird, nicht
mehr ganz so echt. Hier übt sich der alte Meister nur noch in der gepflegten
Kunst, den Darstellern Gelegenheit zur Entfaltung zu geben. Und das ist allerdings
bei Ingrid Bergman der Mühe wert gewesen.
Dietrich
Kuhlbrodt
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: Filmkritik
vom Oktober 1961
Lieben
Sie Brahms?
(Goodbye
Again)
USA
1961 – Regie: Anatol Litvak, Buch: Samuel Taylor, nach dem Roman von Françoise
Sagan, Musik: Georges Auric, Kamera: Armand Thirard. Darsteller: Ingrid Bergman,
Anthony Perkins, Yves Montand –Produktion: Mercury/Litvak/Argus A.G. – Verleih:
United Artists
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