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Lieber
verliebt
Warum
muss man sein familiäres Glück auch noch filmisch dokumentieren? Hätte
die Suburb-Mom Sandy sich nicht noch einmal das Video vom Kindergeburtstag angeschaut,
hätte sie wohl nie erfahren, dass ihr Mann sie mit der Nachbarin betrügt.
Konsequent zieht die höchst attraktive und pragmatische, mit einigen interessanten
Hobbys (Sportfernsehen, Computer) und zwei entzückenden, sehr aufgeweckten
Kindern ausgestattete 40-Jährige aus dem Vorstadt-Speckgürtel wieder
nach Downtown New York, wo sonst eigentlich nur Drogensüchtige und andere
Minderheiten wohnen, wie schon die Kinder wissen. Eine Wohnung und ein passender
Job beim Sportkanal sind rasch gefunden; jetzt fehlen Sandy zu ihrem Glück
nur noch ein Babysitter und ein neuer Liebhaber. Für beides bietet sich
der junge Aram Finkelstein an, der zwar im benachbarten Coffeeshop jobbt, aber
schon ein erfolgreiches Studium hinter sich hat und von Headhuntern umschwirrt
wird. Aktuell aber laboriert Aram am unschönen Ende seiner Beziehung zu
einer Französin, die ihn nur wegen einer Green Card geheiratet hat.
Etwas
umständlich über Bande gespielt, entwickelt sich eine Romantic Comedy,
bis Sandy und Aram ein Paar werden – auch wenn danach noch weitere Verwicklungen
drohen. Für die sich jugendlich gebende Catherine Zeta-Jones bietet die
Komödie die Chance, den altersbedingten Wechsel ins Fach der „etwas älteren
Frau“ hinauszuzögern; Justin Bartha macht seine Sache als romantischer
Optimist allerdings so gut, dass Catherine Zeta-Jones dabei bisweilen ins Hintertreffen
gerät, weil sie ihrer Figur nur oberflächlichen „Tiefgang“ zu geben
weiß. Als retardierende Momente auf dem Weg zum Glück dienen Szenen,
in denen Sandy und ihre Kinder auf der Straße einem haarigen Exhibitionisten
begegnen, was Sandy unmittelbar in einen Selbstverteidigungskurs treibt, wo
sie Gelegenheit erhält, ihre Wut und Frustration über ihre gescheiterte
Ehe herauszulassen. Ihr Opfer ist ausgerechnet Aram, der sich im Frauenzentrum
um einen Job beworben hat, für den er sich an der Universität durch
den Besuch einschlägiger Seminare in Sachen „Feminist Studies“ qualifizierte.
So wird gewissermaßen von beiden Seiten an einer Reduktion des Altersunterschieds
von 15 Jahren gearbeitet, bis Sandy und Aram ein Paar werden können. Von
einem Happy End aber kann so schnell nicht die Rede sein.
Völlig
losgelöst von möglichen materiellen Zwängen, dürfen sich
zwei Protagonisten der weißen Ostküsten-Oberschicht ihren „Lehrjahren
des Gefühls“ hingeben, wobei der Film deutliche Anleihen bei „Die
Reifeprüfung“
(fd 15 718) oder Woody Allens New-York-Filmen der späten 1970er-Jahre macht:
Joanna Gleason („Liebe und andere Kleinigkeiten“, fd 28 169) und Art Garfunkel
spielen Arams Eltern! Was dem romantischen Plot an materialistischer Bodenhaftung
fehlt, macht er durch eine für amerikanische Mainstream-Verhältnisse
ungewöhnliche Detailfreude und explizite Sprache wett: Da wird geflucht,
gekotzt, gesoffen, die Kinder sehen den Erwachsenen beim Sex zu, und über
Formen der Empfängnisverhütung wird ebenso beiläufig gesprochen
wie über künstliche Darmausgänge. Ein gewisser Hang zum Analen
gehört in solchen Komödien mittlerweile anscheinend zum guten Ton.
Ulrich
Kriest
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: film-Dienst
Lieber
Verliebt
USA 2009 - Originaltitel: The Rebound - Regie: Bart Freundlich - Darsteller: Catherine Zeta-Jones, Justin Bartha, Kelly Gould, Andrew Cherry, Rob Kerkovich, Sam Robards, Kate Jennings, Lynn Whitfield, John Schneider - FSK: ab 6 - Länge: 96 min. - Start: 31.12.2009
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