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Looking
for Eric
Zen-Meister
Cantona
"I
am not a man. I
am Cantona." - Fußballstar Eric Cantona im neuen Film von Ken Loach
Er
heißt Eric, ist fanatischer Fan von Manchester United, und von Beruf Briefträger.
Seit neuestem leidet er an Depressionen, und wer das Reihenhaus im tristen Arbeiterviertel
von Manchester sieht, versteht, warum. Im Schrank stapeln sich Briefe, die er
nicht ausgetragen hat. In der Betriebs-Psychogruppe, die es auch bei der britischen
Post gibt, wird ihm und seinen Arbeitskollegen vorgeschlagen, sich ein Vorbild
und Idol zu wählen. Eine illustre Runde kommt da zusammen: Ghandi, Mandela,
Castro, Sinatra, Sammy Davis Jr. Eric wählt seinen Namensvetter, er wählt
den Franzosen Eric Cantona, der von 1992 bis 1997 bei Manchester United spielte.
Das
ist die Ausgangssituation von Ken Loachs neuem Film "Looking for Eric",
der jetzt bei den Filmfestspielen von Cannes Premiere hatte. Ken Loach ist berühmt
für politisch engagierte Arbeiterdramen aus liberal-trotzkistischer Perspektive.
Das Hoch auf die Arbeitersolidarität gibt es auch hier, aber im Zentrum
des Film steht die poetische Überschreitung der Wirklichkeit. Denn ManU-Fan
Eric, der im Schlafzimmer ein lebensgroßes Poster seines Idols Eric Cantona
an der Wand hat, raucht einen Joint zuviel, da steht Cantona plötzlich
leibhaftig in seiner Küche. Es ist der Coup von Loach, dass es ihm gelungen
ist, den Spieler im Ruhestand für die Leinwand zu reaktivieren, Cantona
also dazu zu gewinnen, sich selbst zu spielen.
Cantona
tut das mit einer Präsenz und einem Charisma, das alles andere hier in
den Schatten stellt. Eigentlich ist "Looking for Eric" ein langweiliger
Film, allzu leichte, seichte Kost, die längst bekannte Loach-Themen unoriginell
variiert und wiederholt. Durch Cantona aber wird es großes Kino.
Cantona
wird zum persönlichen Trainer der Hauptfigur, des Losers Eric, der diesen
- wie einst Bogart die Woody-Allen-Figur in "Play it again, Sam" -
mit Rat und Tat unterstützt. Bei Loach wirkt Cantona wie ein cool-relaxten
Zen-Meister, der im Dutzend Weisheiten abfeuert wie "Without danger one
cannot get beyond danger". Oder:
"Surprise first. If they are strong on the right, you go left. But not
always." Oder: "There is no such word as 'can't.'" Oder: "You
have to trust your team mates. Always."
Oder: "La plus noble de vengeance - c'est le pardonner." Am
Ende des Films ist man überzeugt: "I am not a man. I
am Cantona."
Am
wirkungsvollsten waren aber immer noch die Ausschnitte mit den schönsten
Szenen aus Cantonas Fußballerkarriere. Sein schönster Moment? "Es
war kein Tor. es war ein Pass im Spiel gegen die Tottenham Hotspurs." Auf
großer Leinwand denkt man da: Hätte Loach doch einfach eine Dokumentation
über Cantona gedreht.
Rüdiger
Suchsland
Dieser Text ist zuerst erschienen, anlässlich der Filmfestspiele in Cannes 2009, im: filmzentralen-blog
Looking
for Eric
Großbritannien / Frankreich / Italien / Belgien / Spanien 2009 - Regie: Ken Loach - Darsteller: Eric Cantona, Steve Evets, John Henshaw, Stephanie Bishop, Lucy-Jo Hudson, Gerard Kearns, Stefan Gumbs, Justin Moorhouse - FSK: ab 12 - Länge: 116 min. - Start: 5.11.2009
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