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Der
Love Guru
Indien
ist schon etwas länger ziemlich angesagt. Nicht ohne Grund traf Dewey Cox
in „Walk Hard“ (fd 38620) beim Guru die
Beatles, nicht grundlos folgten die Brüder Whitman diesem Beispiel mit
Erfolg („Darjeeling Limited“,
fd 38525); vom nicht enden wollenden Bollywood-Hype soll und darf an dieser
Stelle ebenfalls nicht geschwiegen werden. Für den amerikanischen Komiker
Mike Myers schien nach seiner erfolgreichen Kunstfigur Austin Powers, die Geheimagenten-Mythologie,
softe Psychedelia und andere 1960er- und 1970er-Jahre-Reminiszenzen zu einer
überkandidelten, aber durchaus stilsicheren Retro-Pop-Show verschmolz,
die Zeit reif für eine entschiedene kulturelle Veränderung – und einen
Zeitsprung.
Seine neue Kreation ist der Guru Pitka,
eine schillernde Figur zwischen Erleuchtung und Verblödung, gepaart mit
augenzwinkernder, durchaus auf den eigenen Vorteil bedachter Bauernschläue.
Guru Pitka ist ein Guru zweiter Ordnung, ein Guru mit migrantem Hintergrund.
Als Junge wurde er von seinen amerikanischen Eltern vor den Toren eines Ashrams
abgelegt, wo er gemäß den Lehren des weisen Guru Fummelampullah aufwuchs,
um anschließend sein (finanzielles) Glück im Westen zu suchen. Sein
Jugendfreund aus Ashram-Zeiten und späterer Rivale, Deepak Chopra, hat
es in den USA zu Ruhm, Ansehen, Wohlstand und Auftritten bei Oprah Winfrey gebracht.
Guru Pitka ist davon noch weit entfernt, wenngleich der Film suggeriert, dass
sich der Grad der Erleuchtung tatsächlich nach der Anzahl der Auftritte
in TV-Talkshows bemessen könnte.
Neid ist die ehrlichste Form der Anerkennung.
Dies ist die Ausgangssituation von „Der Love Guru“ – womit man sich irgendwo
zwischen Richard Lesters „Help“ (fd 13778), Blake Edwards' „Der
Partyschreck“ (fd 15965)
und kunterbuntem Bollywood-Trash bewegt. Doch die „Karriere“ des Guru Pitka
könnte sich rasant entwickeln, wenn es ihm gelänge, einen delikaten
Auftrag zu erfüllen: Es geht um alles, nicht zuletzt um den Stanley Cup.
Darren Roanoke, der brillante Goal-Getter der Toronto Maple Leafs (genuschelt
= Toronto Makebeliefs), leidet nämlich unter erbärmlicher Ladehemmung,
nachdem ihn seine Frau Prudence für den Torhüter der L.A. Kings, Jacques
„Le Coq“ Grande, verlassen hat. Guru Pitka wird als Mental-Trainer angeheuert;
hat er Erfolg, winkt ihm nicht nur ein Auftritt bei Oprah Winfrey, sondern auch
das Herz von Jane Bullard, der Besitzerin des Clubs. Auf deren Mannschaft lastet
nämlich ein zäher Familienfluch: Seit Bullards Vater das Team 1967
(sic!) gekauft hat, konnte es den Stanley Cup nicht mehr gewinnen. 41 Jahre
sind „a mighty long time“. Es gibt also einige Baustellen für zwangszölibatäre
Gurus in diesem Film.
Mit dieser Ausgangskonstellation hat sich
Mike Myers alle Möglichkeiten eröffnet, die unterschiedlichsten Schubladen
historisch gewordener Popkultur(en) zu öffnen und ihre Bestände zu
kombinieren. So mischt „Der Love Guru“ auf das Verblüffendste Elemente
der romantischen Komödie mit Motiven des derben Sportfilms, Esoterik-Exotica
mit Medien-Impressionen, Fäkalhumor mit Kindergeburtstags-Späßen,
kombiniert Räucherstäbchen und Psychedelia aus den 1960er-Jahren mit
Disco-Look und Verbeugungen vor der dominanten HipHop-Kultur, wobei eine großartig
gecastete Besetzung mit Ben Kingsley, Justin Timberlake, Romany Malco und Jessica
Alba dem heterogenen Genre-Marsala zusätzliche Echos und Verweise abringt.
Kingsley dürfte nach seinem Auftritt als Guru „Tugginmypuddha“ jedenfalls
keine Chancen mehr auf die Hauptrolle in „Gandhi 2“ haben. Justin Timberlake,
der ohnehin bislang keine falsche Karriereentscheidung getroffen hat, brilliert
mit frankophonem Porno-Chic und spielt ironisch mit seinem Image. Auch für
Verne Troyer fand sich wieder eine kleine Rolle als knallharter Eishockey-Coach.
Wie Jessica Alba scheinen alle Mitwirkenden an diesem Spektakel vor der Kamera
zu staunen, was sie da gerade treiben (dürfen).
Die interessanteste Figur ist indes der
Guru Pitka, der für das ungewöhnliche Timing dieser Komödie zuständig
ist. Man kann diese Figur nicht fixieren: Ihr Weg zur Erleuchtung führt
über die Sprache, allerdings mit einem deutlichen Akzent. Der Guru versteht
es, seine Weisheit in Sentenzen zu gießen, die auf den ersten und zweiten
Blick von erstaunlicher Verblödung zeugen: „Tonight, I want you to go from
nowhere to now here!“, heißt es einmal, was ungefähr so intelligent
ist wie die Einsicht, dass man „God“ auch rückwärts buchstabieren
kann. Ist eine solche Sentenz erst einmal „formuliert“, wird sie unmittelbar
in ein eingetragenes Warenzeichen transformiert. Im Esoterik-Business ist Schnelligkeit
wider Erwarten Trumpf! Zündet eine solche Sentenz aber beim Publikum oder
beim jeweiligen Gegenüber einmal nicht, wird sie so lange wiederholt, bis
sich schließlich „Erkenntnis“ einstellt. Auf Spielfilmlänge bekommt
diese Technik etwas derart Enervierendes, dass man gut daran tut, als Zuschauer
nicht allzu lange Widerstand zu leisten und dem Guru auf seinem Weg zur Erleuchtung
zu folgen. Was Myers auf dieser Ebene an dadaistischen Sprachspielen an den
Tag legt, dürfte jeden Versuch einer angemessenen Synchronisation schlicht
überfordern.
Auf diese Weise etabliert „Der Love Guru“
eine autonome Binnenlogik, die alle Grenzen von Konvention, Selbstbeschränkung
und gutem Geschmack mit kindlichem Leichtsinn hinter sich lässt. Ist man
bereit, dieser Einladung zu folgen, atmet der Film eine Nonchalance und einen
Überfluss, die Anlass zur Frage geben, ob „Der Love Guru“ die Sache mit
der Esoterik auf einer anderen Ebene durchaus nicht nur als Steilvorlage zur
forcierten Satire wahrnimmt. Es gibt improvisierte Sequenzen, die offenbar –
etwa am Flughafen – mit versteckter Kamera gedreht wurden, bei der die Fassungslosigkeit
der unfreiwillig Mitwirkenden mit Händen zu greifen ist. Eine Vielzahl
von Cameo-Auftritten und Medienzitaten dürften aus Mangel an kulturellem
Wissen hierzulande leider verpuffen, was dem Film aber ebenso wenig abträglich
ist wie die Tatsache, dass geschätzte 40 Prozent der Gags ins Leere laufen.
Was man sonst nicht tolerieren könnte, gehört hier zur Dramaturgie
eines radikalen „Alles, was uns einfällt, wird auch umgesetzt!“ dazu. Es
ist Teil des Weges, unterlegt, wie von Myers nicht anders zu erwarten, von einer
superben Auswahl passender Popmusik. Auf die Bollywood-Version von Steve Millers
„The Joker“ hat man 32 Jahre gewartet, Cornershops „Brimful of Asha“ ist einfach
am rechten Fleck, aber mit einer zuckersüßen Indi-Pop-Version von
„More than words“ (sic!) von One-Hit-Wonder Extreme war beim besten Willen nicht
zu rechnen.
Ulrich Kriest
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: film-Dienst
Der
Love Guru
USA 2008 - Originaltitel: The Love Guru - Regie: Marco Schnabel - Darsteller: Mike Myers, Jessica Alba, Justin Timberlake, Romany Malco, Meagan Good, Omid Djalili, Ben Kingsley, Telma Hopkins, Manu Narayan - FSK: ab 12 - Länge: 87 min. - Start: 2.10.2008
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