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Luck
By Chance
Zoya Akhtar, Tochter berühmter Eltern,
zeigt in "Luck By Chance" die indische Filmindustrie, wie sie vielleicht
sogar wirklich ist.
"Luck
By Chance" ist ein Inside-Job. Ein
Film über Bollywood von Leuten, die sich da wirklich gut auskennen. Der
Name des Vaters und Drehbuchverfassers: Javed Akhtar, einer der berühmtesten
Drehbuch- und vor allem Songautoren der Hindi-Filmindustrie, nicht zuletzt gemeinsam
mit Salim Khan Verfasser der berühmtesten, bis heute zitierten Dialoge
des Klassikers "Sholay". Er ist der Vater von Farhan Akhtar, der in
"Luck By Chance" die männliche Hauptrolle spielt, und der selbst
schon als Regisseur reüssierte. Farhan Akhtar ist auch der Sohn der Drehbuchautorin
Honey Irani, die immerhin, selten genug für eine Frau, einmal auch Regie
führen durfte. Mit Zoya Akhtar, Tochter von Honey Irani und Javed Akhtar,
Bruder von Farhan, kommt nun eine weitere Regisseurin hinzu. Sie nämlich
ist die Chefin im Ring dieser Familienproduktion, die nicht weniger als ein
in weiten Teilen wohl halbwegs realistisches Porträt der Filmindustrie
Bombays ist.
Farhan Akhtar spielt Vikram Jaisingh,
der aus Delhi kommt, um als Schauspieler zu reüssieren. In der Schauspielschule
wird ihm Selbstbewusstsein geimpft: Was sind schon Hollywood-Stars, heißt
es da. Wir hier in Bollywood müssen nicht nur zu spielen, sondern auch
zu singen und tanzen verstehen. Also sehen wir Vikram, wie er nicht nur spielen,
sondern auch singen und tanzen trainiert. In der WG, in der er lebt, begegnet
er, anderer Schauplatz, einer jungen Frau, die es als Darstellerin halb schon
geschafft hat: Sona (Konkona Sen Sharma, Tochter der Parallel-Cinema-Regisseurin
Aparna Sen) hat kleinere Rollen in Fernsehserien und unbedeutenden Filmen. Außerdem
ist da der Casting-Agent, der ihr auf der Besetzungscouch eine große Zukunft
versprach. Weiteres Exempel der möglichen Karrierewege, lebt auch in der
WG: Ein begabter Darsteller, der sein Glück am Theater versucht, aber in
Wahrheit auch vom Erfolg im Filmgeschäft träumt.
Es wimmelt in "Luck By Chance"
von Gaststar-Auftritten und mehr noch von Anspielungen, Name-Dropping und Bezügen
der selbstreflexiven Art. Hrithik Roshan spielt sogar amtlich mit, als Superstar,
der eine Auszeit braucht. Aber kurz im Bild sind, nur zum Beispiel, auch Rani
Mukherjee, John Abraham, Abishek Bachchan oder, später, mit gutem Rat für
den angehenden Star, in den Sessel gelümmelt Shah Rukh Khan. Wer nun aber
denkt, der Film wolle sich und die Freunde aus gutem Haus, das ganze Familien-Filmindustrie-Netzwerk
also, einfach nur feiern, der geht fehl. Mit einer Extravaganza wie "Om
Shanti Om" hat "Luck By Chance" wenig zu tun, wenngleich er schon
das Nötige tut, in Film-im-Film-Song-and-Dance-Einlagen für Farben,
Trubel und Stimmung zu sorgen.
Eigentlich jedoch kommt es ihm auf die
andere Seite an. Die Besetzungscouch. Das Fädenziehen der Insider, das
Outsider nur mit großem Glück den Einstieg erlaubt. Die Illusionen,
die Lügen und den Alltag der Erfolglosen, in dem es an Geld fehlt. Das
WG-Leben und sein enger Raum sind vergleichsweise realistisch geschildert. Und
bei aller Sympathie für seinen Helden zeigt "Luck By Chance"
doch, wie er bei der ersten Gelegenheit auf Treue pfeift und mit seiner püppchenhaften
Co-Darstellerin Niki (Isha Sharvani) ins Bett springt. Überhaupt lässt
es "Luck By Chance" an Deutlichkeit (und auch an Küssen) in diesen
Dingen nicht fehlen. Es gibt dabei durchaus satirische Momente, bösartig
aber wird es selten. In der Position des Films zu seinem Gegenstand Filmindustrie
halten sich Begeisterungs- und Kritikfähigkeit seltsam die Waage.
Was "Luck By Chance" interessant
macht, ist dann auch vor allem die Uneindeutigkeit seines Tons. Zoya Akhtar
versucht einen Spagat, der für den aktuellen Zustand der Hindi-Filmindustrie
recht bezeichnend ist. Sie will einerseits dem Spektakel-liebenden Publikum
bieten, was es erwartet. Andererseits sucht sie aber auch sehr bewusst einen
Weg in Richtung eines Realismus, der in Bollywood bis vor ein paar Jahren kaum
denkbar gewesen wäre. Inzwischen aber gibt es eine Mittelschicht, die nicht
mehr nur den schieren Eskapismus sucht. Es ist kein Zufall, dass "Luck
By Chance", der insgesamt ein Flop war, am ehesten in den Großstadt-Mulitplexen
reüssieren konnte. In den alten Kinopalästen war das Einspielergebnis
dagegen eine einzige Katastrophe.
Symptomatisch ist der Film aber auch für
den Wunsch einer Annäherung an Hollywood, für den nicht zuletzt der
Produzent Anil Ambani steht, dessen Firma "Big Pictures" den Film
koproduziert hat. Im letzten Jahr hat Ambani einen großen Koproduktionspakt
mit Steven Spielberg und DreamWorks geschlossen. Gemeinsam will man fünf
bis sechs Hollywood-Bollywood-Ko-Produktionen pro Jahr herstellen. Man darf
gespannt sein, wie sich die Traditionen dabei vertragen und mischen - und es
gehört wenig prophetische Gabe dazu, zu prophezeien, dass Nachwuchstalente
wie Zoya und Farhan Akhtar, die nach der Balance zwischen Extremen suchen, in
der neuen transatlantischen Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen
am 22.07.2009 in: www.perlentaucher.de
Luck
by Chance
Indien
2009 - Regie: Zoya Akhtar - Darsteller: Farhan Akhtar, Konkona Sen Sharma, Isha
Sharvani, Rishi Kapoor, Dimple Kapadia, Juhi Chawla, Hrithik Roshan, Arjun Mathur,
Alyy Khan, Shah Rukh Khan - Fassung: O.m.d.U. - Länge: 155 min. - Start:
23.7.2009
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