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Lulu
und Jimi
Bonbonbunter
Hund
Oskar Roehler beschert uns zu seinem
fünfzigsten Geburtstag mit "Lulu und Jimi" eine verblüffend
charmante und bonbonbunte fünfziger-Jahre-Welt.
Bonbonbunt ist der Hund, ist die ganze
Welt, die Oskar Roehler in "Lulu & Jimi" entwirft. Wiedererkennbar
ist sie, aller Unähnlichkeit zum Trotz, als Deutschland der fünfziger
Jahre, mit den Kleidern und den Wörtern und den Denkweisen, die dem Klischee
nach so dazugehören. Dass Oskar Roehler nichts als Klischees und Klischeebilder
will, daran lässt er nicht den mindesten Zweifel. Weil er aber zum Äußersten
geht und den Farbregler bis zum Anschlag dreht und all seinen Übermut zusammennimmt,
um zu sehen, was passiert, wenn man die Klischees bis zum bonbonbunten Hund
überdreht, bleibt zuletzt nichts übrig von den fünfziger Jahren,
die wir kennen.
Das entscheidende Stück abseits der
Konventionen, in denen zu Hause Lulu (Jennifer Decker) erstickt, liegt ein Jahrmarktsbetrieb.
Und darin als Sinnbild eines stoßgedämpften Freiraums liegt die Autoscooter-Bahn.
Lulu setzt sich in den Scooter und kurvt rum und entdeckt am Rande Jimi (Ray
Fearon), einen Schwarzen, der als Bediensteter des Schubser-Geschäfts tätig
ist. Ein Blick genügt und zwischen den beiden kommt es zu dem, was man
Liebe nennt. Das hat Folgen wie zum Beispiel einen herzförmigen Mond am
Nachthimmel. Aber auch den einen oder anderen Ausbruch von Lulus aufs Äußerste
begütertem Verlobten, den Bastian Pastewka spielt.
Was auch folgt, sind die Flucht des Liebespaars
und wiederholte Versuche, Lulu mit gutem Zureden und strengen Verboten erst,
dann mit einer großen Spritze wieder zu dem zu bringen, was ihre repressive
Verwandtschaft für Vernunft hält. Wild im Herzen jedoch bleiben Jimi
und Lulu, was kein Zufall ist, weil Oskar Roehler sich so unverschämt wie
unverschämt charmant bei Barry Giffords Sailor-und-Lulu-Romanen bedient,
insbesondere beim berühmtesten davon, nämlich dem von David Lynch
verfilmten "Wild
at Heart". Um das
Maß immerzu übervoll zu machen, hat vor allem das Besetzungsbüro
ganze Arbeit geleistet. Das unverbrauchte Liebespaar wird umzingelt von Veteranen
des deutschen Film- und Fernsehgeschäfts wie Rolf Zacher (als auf dem Abstellgleis
gelandeter einstiger toller Hecht) oder Udo Kier (als bösartiger Chauffeur
und Vollstrecker finsterer Absichten) und Hans-Michael Rehberg (als Mann mit
der Spritze).
Es ist erfrischend zu sehen, wie Oskar
Roehler nach seiner total
vergurkten "Elementarteilchen"-Verfilmung
seine oft narzisstisch verquälten Männlichkeits-Selbstbefragungen
hinter sich lässt und mit der subversiven Umschreibung ausgerechnet der
deutschen fünfziger Jahre seinen bisher wohl intelligentesten und charmantesten
Film macht. Ein verblüffender Befreiungsschlag, der Sirk, Fassbinder und
Lynch ungefähr gleich viel verdankt und doch auch ein echter Roehler ist.
Hut ab und umso herzlicheren Glückwunsch zum fünfzigsten Geburtstag,
den Oskar Roehler heute feiert.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen am 21.01.2009 in: www.perlentaucher.de
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Lulu
und Jimi
Deutschland
2008 - Regie: Oskar Roehler - Darsteller: Jennifer Decker, Ray Fearon, Katrin
Sass, Udo Kier, Rolf Zacher, Bastian Pastewka, Ulrich Thomsen, Hans-Michael
Rehberg, Simon Böer, Lavinia Wilson, Catherine Flemming - FSK: ab 16 -
Länge: 94 min. - Start: 22.1.2009
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