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Männer,
die auf Ziegen starren
Krieger
für Frieden
Nein,
dieser Film handelt nicht von einer Modenschau. Die Ereignisse, die er schildert,
sind noch viel seltsamer. Das Seltsamste ist eigentlich, dass nicht schon längst
jemand einen Film darüber gemacht hat. In den 1970er Jahren kamen ein paar
Hippies auf die Idee, dass man mit Liebe, Meditation und Harmonie nicht nur
die Welt verändern könnte, sondern auch die US-Armee. Jim Channon
war in Vietnam an der Front, als ihn die Erleuchtung ereilte: Die wenigsten
Menschen wollen andere töten. Erste Aufgabe eines Soldaten sollte sein,
Frieden zu verbreiten. Channon zog durch die esoterische Subkultur seiner Zeit,
wurde irgendwie selber zum Schamanen und brachte Erkenntnisse wieder hinter
Kasernenmauern, wo er fortan amerikanische Soldaten zu New-Age-Mönchen
ausbildete, die sich unsichtbar machen, Gedanken lesen, durch Wände gehen
und sogar Tiere durch bloßes Anstarren töten können sollten
– daher auch der Filmtitel. Klingt völlig abseitig, aber Jon Ronson, Autor
des zugrundeliegenden Sachbuchs, versichert, dass das alles wirklich passiert
ist – und dass einige dieser New-Age-Errungenschaften nach dem 11. September
als kreative Foltermethoden wiedergeboren wurden, indem man beispielsweise Gefangene
in dunkle Zellen steckte und ihnen stundenlang lautstark Kinderlieder vorspielte.
All
das ist natürlich ein äußerst dankbarer Filmstoff. Zum einen,
da die Hippies ja ohnehin seit einiger Zeit wiederkommen, möglicherweise
weil sich in unserer inzwischen komplett materialistischen Gesellschaft das
Gefühl breit macht, dass das alles vielleicht gar nicht so doof gewesen
sein könnte. Und ein Hippie-Bataillon in der US-Armee ist einfach eine
saukomische Idee. Zum anderen liegt natürlich zwischen den pazifistischen
Ansätzen und den martialischen Ergebnissen ein riesengroßer Abgrund.
Auch das wäre Stoff für einen großen Film. Mit dem wir es hier
aber nicht so wirklich zu tun haben.
Die
Haupthandlung spielt nicht damals, sondern kurz vor heute. Ein Journalist, gespielt
von Ewan McGregor, geht in den Irak, weil er von seiner Frau verlassen wurde
und sich beweisen will, dass er ein echter Mann ist. Dort trifft er auf George
Clooney, der sich als Veteran der »New Earth Army« herausstellt.
Die beiden Männer machen sich auf eine einsame Reise durch die Wüste,
in deren Verlauf der eine dem anderen die seltsamen Ereignisse von vor 20 Jahren
erzählt. Das, was am Film also eigentlich wirklich interessant ist, passiert
in langen Rückblenden. Jeff Bridges spielt den Initiator, Kevin Spacey
einen frustrierten New-Age-Soldaten, der am Ende mit unschönen LSD-Experimenten
das ganze Programm sprengt. Was da passiert, ist manchmal unglaublich und meistens
lustig. Jeff Bridges gibt einfach nochmal den Lebowski, Kevin Spacey kommt etwas
zu kurz, George Clooney macht sich seinen bewährt minimalistischen Spaß.
In der Gegenwart macht währenddessen McGregor mit dem nicht wirklich gealterten
Clooney eine kurvenreiche Odyssee durch die Wüste. Auch die ist lustig.
Aber nicht viel mehr.
Die
Geisteshaltung, in der der Film erzählt, kennt man: Sie ist eng mit dem
Namen George Clooney verknüpft, mit Filmen wie Ocean’s
Eleven
oder den neueren Coen-Komödien. Während Soderbergh und die Coen-Brüder
aber meisterhaft verstehen, noch aus dem größten Blödsinn eine
tiefere Bedeutung zu ziehen, hat dieser Film das gleiche Problem wie seinerzeit
Confessions
of A Dangerous Mind
– er ist völlig zufrieden mit der eigenen Lustigkeit, darüber hinaus
will er sich auf nichts festlegen. Die Handlung der beiden Zeitebenen hängt
nur sehr lose zusammen, jede Ebene für sich ist auch ziemlich zusammenhanglos.
McGregors Figur bleibt merkwürdig blass, Clooney macht Komödie, lässt
sich aber nie in die Karten gucken. Die Hippie-Sightseeing-Erwartungen des Publikums
werden hinlänglich bedient, aber der eigentlich interessanteste Konflikt,
nämlich der zwischen New-Age-Friedlichkeit und kriegerischen Absichten,
wird nur gegen Ende angesprochen und eher lustlos beiseitegelegt. All das natürlich
auf hohem Niveau, immerhin haben wir es hier mit der Entertainment-Weltspitze
zu tun. Es wird nie direkt langweilig. Aber das Problem, das die smarten, liberalen
Spaßfilme aus der Clooney-Gang schon immer hatten, kommt hier ganz klar
zum Vorschein: Man tritt keiner Figur so nahe, dass es wirklich mal weh tun
könnte. Bleibt das interessante Gedankenexperiment, was wohl Judd Apatow,
der König der gnadenlos entblößenden Peinlichkeit, aus diesem
Stoff gemacht hätte.
Dietrich
Brüggemann
Dieser Text ist zuerst erschienen im: schnitt
Männer,
die auf Ziegen starren
The
Men Who Stare at Goats. USA
2009. R: Grant Heslov. B: Peter Straughan. K: Robert Elswit. S: Tatiana S. Riegel.
M: Rolfe Kent. P:
Smoke House, BBC Films. D: George Clooney, Ewan McGregor, Jeff Bridges, Kevin
Spacey, Stephen Lang, Robert Patrick, Waleed Zuaiter, Stephen Root u.a.
90 Min. Kinowelt ab 4.3.10
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