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Der
Mann, der niemals lebte
Männersachen
Ridley Scott räumt mit Russell Crowes
und Leonardo DiCaprios Hilfe in "Der Mann, der niemals lebte" im Nahen
Osten so gründlich auf, dass die Fetzen fliegen.
Männersachen im Nahen Osten: Der
eine Mann reißt, indem er über Leichen geht, ohne Gewissen die USA
rein, der andere geht über die Leichen zwar mit, reißt's aber wieder
raus, indem er ein Gewissen hat und die Sprache des Ostens spricht und die Menschen
des Ostens versteht, wenn nicht im Einzelfall sogar liebt. Ein bisserl kompliziert,
wie bei derlei Thrillern gewohnt, ist die Handlung, unter der freilich alle
politischen Fragen zum Ausgleich sehr simpel abgehandelt werden.
Ferris, Roger Ferris (Leonardo DiCaprio),
ist als rühr- und schüttelbarer Agent der Mann für die Fälle,
in denen es brenzlig wird. Sein Boss, CIA-Funktionär Ed Hoffman (Russell
Crowe), hat ihn per hoch auflösender Flugzeugkamera aus der Höhe immer
im Blick und beordert ihn ins halbwegs friedliche, halbwegs befreundete Jordanien,
wo ein Terrorist seine Fäden spinnt. Hoffman ist ein abgefuckter und übergewichtiger
Zyniker aus dem Klischeebilderbuch, und während er seine lieben Kinder
zuhause zur Schule bringt, räumt er im Nahen Osten per Telefon gründlich
auf. Anders Ferris, der das Vertrauen des hypercharismatischen kühlen jordanischen
Geheimdienstchefs Hani (Mark Strong) gewinnt, und so das Netz der Intrige spinnen
kann gegen die Organisation des
Terror-Masterminds Al-Salim (Alon Aboutboul). In Manchester fliegt was
in die Luft, post 9/11, wir sehen darauf den bösen Mann, den wir und der
Film fangen wollen sollen, in aller Unschuld in der Moschee beim Gebet. Selig
sind die bildpolitisch Einfältigen, denn sie werden verkaufen Eintrittskarten
im Blockbusterreich!
Als Zentrum der vom CIA in Gang gesetzten
Intrige und damit als zukünftige Leiche tritt auf: Der Architekt Omar Sadiki
(Ali Suliman), den die beiden Herren, der böse Cop und der gute, aufs Spielfeld
schieben, ohne dass er was ahnt. Als handlungslogisch nur notdürftig eingeflickter
Blickfang zwischen Bissen und Küssen tritt auf: Die schöne Aisha (gespielt
vom iranischen Star Golshifteh Farahani). Der Weg zu ihrem Herzen führt
über das Abendessen bei der Schwester, die unter brutalen Augenaufschlägen
sanfte Kritik an der US-Politik übt. Später gibt es für Ferris,
der weniger Herr des Geschehens ist, als er denkt, was auf die Finger.
Lektion: Du sollst nicht falsch Zeugnis
reden wider deinen Nächsten im Osten, wie schon der Originaltitel "Body
of Lies" mehr oder minder deutlich sagt. (Was der deutsche Titel bedeuten
soll: nicht die leiseste Ahnung.) Es wird der Lügenkörper am kleinen
Finger zur Strafe gebeutelt und wie dem Nettesten ihrer Vertreter, so soll diese
Form von Schlimmer-Finger-Kritik auch den USA selbst widerfahren. Freilich tritt
am Ende nach dem strafenden der zur Not auch verzeihende Gott aus der Kulisse.
Läuterung findet statt oder Liebe oder etwas dergleichen.
Das Kommando bei dieser mal wieder windelweich-scheißliberalen
US-amerikanischen Weltbildrettungsaktion führt in bewährter Manier
der Regisseur Ridley Scott, der die Handlung voranpeitscht und dabei eindrucksvoll
über Leichen geht. Ästhetisch reißt das dann aber keiner mehr
raus. Vielmehr tut William Monahan (den wir als Autor von Scorseses "Departed" zu fürchten gelernt haben)
seine ostentativ maskulinen Dialoge und tut Marc Streitenfeld sein musikalisches
Trommelfeuer dazu. Man darf sicher sein, dass die PR-Agenten des Films was von
einer US-Nahostpolitik-kritischen Mission faseln werden. Stolz bläht sich
dabei nur das Fähnchen im stimmungspolitischen Wind. Wie die meisten Filme
von Scott, macht auch dieser rein optisch-akustisch was her. Guckt man genauer
hin, ist aber wirklich nichts dran.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen
am 19.11.2008 in: www.perlentaucher.de
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Der
Mann, der niemals lebte
USA
2008 - Originaltitel: Body of Lies - Regie: Ridley Scott - Darsteller: Leonardo
DiCaprio, Russell Crowe, Mark Strong, Golshifteh Farahani, Oscar Isaac, Simon
McBurney, Alon Aboutboul
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