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Miss Sixty
Während prominenten Männern wie Ulrich Wickert oder Fritz
Wepper eine Vaterschaft mit 70 Jahren Schlagzeilen voller Respekt verschafft,
müssen weit jüngere Frauen mit verspäteten Mutterschaftswünschen
für überdrehte Komödien herhalten.
Iris Berben übernimmt in „Miss Sixty“ den Part einer zwar erfolgreichen,
aber unbeliebten und von ihrer eigenen Mutter dominierten Molekularbiologin,
die nach einer Kündigung urplötzlich eine Lücke in ihrer Biografie
entdeckt. Die 60-Jährige wünscht sich ein Kind, das sie selbst austragen
möchte. Ihre Eizellen liegen seit Jahren auf Eis. Den jungen und attraktiven
Samenspender hat sie ohne sein Wissen bereits im Internet bestimmt. Bevor sie
dem Journalisten die frohe Botschaft mitteilen kann, lernt sie beim Joggen dessen
Vater kennen, einen eitlen Galeristen und Berufsjugendlichen, mit dem sie sich
fortan einen Geschlechterkampf um altersadäquates Verhalten liefert.
In der Tradition einer Screwball-Komödie sprudelt es vor mehr
oder weniger treffsicheren Dialogen und ätzendem Schlagabtausch. Die gegensätzlichen
Welten gebären Hohn, Spott und zufallsbedingte Verwicklungen. Als Gegenüber
ist Berben mit Edgar Selge gesegnet, der den Jugendwahn trotz Hexenschuss und
Paarungsgestotter mit jungen Assistentinnen in tiefsten Nuancen auf die Spitze
treibt. Wie es die Gesetze des „Girl-meets-Boy“-Genres vorschreiben, überwindet
das Duo seine Aversion und entdeckt auch anziehende Seiten an dem zunehmend
umworbenen Hassobjekt.
Ein brandaktuelles Thema, wenn man an die von der Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff in Gang gesetzte Debatte um „unnatürliche“ späte oder lesbische Mütter und Retortenkinder als „Halbwesen“ denkt. Die Machart von „Miss Sixty“ stolpert leider konventionell hinterher. Aus jeder Szene holt die Regiedebütantin Sigrid Hoerner ein Höchstmaß an dramatischer Überzeichnung heraus, jongliert mit Stillagen, mal Klamotte, mal Gesellschaftssatire, das Ziel eines leicht konsumierbaren Kassenschlagers stets vor Augen. Dem anvisierten Publikum dürfte die tendenziell kluge Alterskost trotzdem schmecken.
Alexandra Wach
Dieser Text ist zuerst erschienen in: film-Dienst 9/2014
Miss Sixty
Deutschland 2013 - Produktionsfirma: Moneypenny Filmprod./Bavaria Pic./Senator
Film Prod./ARD Degeto/WDR/ARTE - Regie: Sigrid Hoerner - Produktion: Corinna
Eich, Sigrid Hoerner, Helge Sasse - Buch: Jane Ainscough - Kamera: Matthias
Fleischer - Musik: Max Knoth - Schnitt: Mona Bräuer - Darsteller: Iris
Berben (Luise Jansen), Edgar Selge (Frans Winther), Carmen-Maja Antoni (Doris
Jansen), Björn von der Wellen (Max Winther), Jördis Richter (Romy
von Cramm), Götz Schubert (Prof. Bernhard Minsk), Kirsten Block (Marlies
Heffner), Michael Gwisdek (Dieter Dünker) - Länge: 98 Minuten - FSK:
ab 6; f - Verleih: Senator - Start(D): 24.04.2014
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