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Mord
ist mein Geschäft, Liebling
Text
statt Tempo
Die Münchner Rat Pack Filmproduktion
um den Produzenten Christian Becker gibt sich seit einigen Jahren den Anschein,
die Nostalgiezentrale des deutschen Films zu sein. Die Firma nämlich, so
scheint’s, kümmert sich um spezielle Elemente des deutschen Unterhaltungsfilmerbes
und versucht, das Wenige, das davon in der Wahrnehmung noch übrig ist,
hinüberzuretten ins nunmehr 21. Jahrhundert. Die beiden Wixxer-Filme etwa entstanden hier und ließen
den Geist des Edgar-Wallace-Films aufleben, auch den Hui
Buh-Film, Die Welle
sowie demnächst Wickie
und die starken Männer
und Jerry Cotton bringen die Münchner, jeweils versetzt
mit gängigen Comedy-Elementen und -Gesichtern, in die Kinos. An sich ist
das eine sehr rührende Angelegenheit, und Anhänger des deutschen Kintopps
bzw. Anhänger des deutschen Fernsehens, das regelmäßig deutsches
Kintopp wiederholt, freuen sich auf ein Wiedersehen mit Motiven und Protagonisten
jener Zeit. Allein: Das Ganze klappt natürlich nur dann, wenn man die Vorlagen
auch ernst nimmt und die Nostalgie auch ernst meint, wie etwa bei Der Wixxer
geschehen.
Mord ist mein Geschäft, Liebling, die neueste Produktion aus dem Nostalgiehause
Rat Pack, baut nun auf die Prinzipien der Eurotrash-Krimis aus den 1960er und
70er Jahren auf – eigentlich. Eigentlich aber auch wieder nicht, denn Sebastian
Niemanns Schnurre darbt am wohl weitverbreitetsten Siechtum unter aktuellen
deutschen Filmen: der Inkonsequenz. Fragt man sich aber ansonsten oft etwas
ratlos, wo wohl die Ursache dafür zu finden sein mag (Fördergremienhobel?
Konsensstreben?), so liegt sie hier mal vergleichsweise deutlich auf der Hand:
Sebastian Niemann und Koautor Dirk Ahner nehmen ihre Vorlage nicht ernst, womit
natürlich jeder parodistische Versuch von vorne herein gnadenlos zum Scheitern
verurteilt ist. Das ist dann ein bisschen so wie bei den deutschen »Comedians«,
wie sie sich ja selbst bezeichnen: Ihren Figuren und Darbietungen fehlt zumeist
komplett die Ebene der Ernsthaftigkeit, die Komödie nunmal braucht, um
treffsicher zu funktionieren. Mord
ist mein Geschäft, Liebling
fehlt damit klar jene Erdung, die äußerlich behauptet wird. Hinzu
kommt, dass der Inszenierung eindeutig eine straffe Hand fehlt, die zum Beispiel
Rick Kavanians Spieltrieb zu zügeln und zu kanalisieren verstanden hätte,
die Nora Tschirner zum perfekten Timing von Pointen gelotst hätte oder
die Janek Riekes zweifellos vorhandenes komödiantisches Talent gefördert
hätte, eine Hand, die insgesamt und überhaupt für mehr Tempo
und weniger Text gesorgt hätte.
Der Plot, der sich eher locker um die
Figuren des Profikillers Toni Ricardelli und dem Ex-Mafiosi und Buchautor Enrico
Puzzo windet, fußt im Wesentlichen auf dem Prinzip der Verwechslungskomödie
und versucht sich am Geist des Lässig-Billigen der Eurotrash-Krimis. Hilfe
erhofften sich die Macher diesbezüglich von der Verwendung zahlreicher
Dean-Martin-Songs, und so beginnt der Film äußerst vielversprechend
mit Dean Martins »Mambo Italiano« und einem bunt animierten Vorspann
im Stile der Pink-Panther-Klassiker. Und keine Frage: Dean Martin ist lässig.
Dean Martin ist sogar sehr lässig, und die Kluft zwischen ihm und allen
und allem anderen in diesem Film ist so groß, dass das Unterlegen von
Dean-Martin-Songs eigentlich ein Instrument der Selbstironie sein könnte.
Ist es aber leider nicht, weil die Macher jene Kluft offensichtlich sehr viel
kleiner empfunden haben und vor Selbstironie immer auch die Selbsterkenntnis
steht.
Im Grunde gibt es im ganzen insgesamt
mäßig komischen Film nur einen einzigen, der nicht fehl am Platze
scheint, weil er aus sich selbst heraus überall bestehen kann, der sich
mit der Grandezza Dean Martins messen kann, der selbst in seinen wunderbar kraftvollen
Zornesausbrüchen noch immer so viel lässiger ist als der lässigste
»Comedian« in diesem Film (Christian Tramitz), der Größe
ausstrahlt und gleichzeitig voller Würde die Bürgerlichkeit des Eurotrashs:
Dass Franco Nero in diesem Film mitspielt, macht wirklich großen Spaß
– schade nur, dass nach seinen Auftritten noch so viel Film übrig ist.
Oliver Baumgarten
Dieser Text ist zuerst erschienen im: schnitt
Mord
ist mein Geschäft, Liebling
D
2008. R,B: Sebastian Niemann. B: Dirk Ahner. K: Gerhard Schirlo. S: Moune Barius.
M: Egon Riedel. P: Rat Pack, Babelsberg Film. D: Rick Kavanian, Nora Tschirner,
Christian Tramitz, Janek Rieke, Bud Spencer, Axel Stein, Günther Kaufmann,
Franco Nero u.a.
109
Min. Warner ab 26.2.09
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