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Nixon
Dem konservativen Großregisseur
Stone ist es gelungen, durch seinen Film Akzeptanz für Nixon herzustellen,
und zwar zunächst medienmäßig für das Produkt »Nixon«
und sodann rehabilitationsmäßig für den Staatsmann. Nun mag
man zwar bemäkeln, daß die Ware stilistisch unausgewogen, d.h. allzu
bunt verpackt sei. Das stört jedoch nur denjenigen, der es nicht gelernt
hat, Plastikfolien aufzureißen und sofort wegzuschmeißen. Was bleibt,
ist der schmeichelhafte Eindruck, daß Stone alle ihm zur Verfügung
stehenden Mittel eingesetzt hat, uns von der Güte seines Produkts zu überzeugen.
Wir erblicken: ein Königsdrama shakespearischen
Ausmaßes. Richard »IV.«
Nixon, der Watergatepräsident, geht schließlich buchstäblich
in die Knie, Freund Kissinger tut es ihm nach, und dann schicken sie ein inbrünstiges
Abschiedsgebet gen Himmel, daß kein Auge trocken bleibt. Aber das ist
noch nicht das Ende, denn Stone erhebt Underdog Tricki Dickie in den Olymp,
dort thront er jetzt neben Lincoln, vor dessen Statue er sich noch kurz zuvor
unters murrende Studentenvolk gemischt hatte. Aber hatte er sich, bittschön,
denn nicht verdient gemacht? Sich mit Maos China verständigt? Den Krieg
in Vietnam beendigt? Den Ostblock gespalten? Aber die Studenten argumentieren
nicht. Blanker Haß schlägt ihm entgegen. Wo kommt er nur her, all
dieser Haß? fragen sich Nixon und sein Regisseur.
Eine intakte, professionell ausgeleuchtete
Bilderbuchwelt, dieses Weiße Haus, in welchem Nixon lebt, wütet,
arbeitet, sinniert, herrscht und intrigiert, wie weiland J.R. auf der Dallas-Farm.
Larry Hagman hat es dort auch fies getrieben, aber geben Sie ruhig zu, daß
Sie an ihm ihre klammheimliche Freude hatten, weil es der wahre amerikanische
Way of Life war. Yessir. Es erscheint daher ziemlich logisch, daß in »Nixon«
neben Nixon Filmbösewicht Larry Hagman himself auftritt, mit weißem
Texashut, und wer zugab, daß er den einen liebt, muß nun auch den
anderen lieben. Genauer gesagt, kommt Schwerenöter Nixon, der Whiskytrinker
und Tablettenschlucker, also einer wie du & ich, in den Serien- und Medienhimmel.
Auch hüpft der Film, wie wir es von den Serien gewohnt sind, von der einen
in die andere Handlung und wieder zurück, und die vielen redenden Köpfe
geben die zu erwartenden Auskünfte übers Ehe- und Familienleben. Eher
störend brechen in diese heile Medienwelt dokumentarische Aufnahmen vom
Schlagstockeinsatz daheim und dem Kampfinferno da draußen herein, aber
das ist so kurz und unwahrscheinlich wie die Illustration zu den News der kommerziellen
Sender vor dem nachfolgenden Spielfilm.
Sir Anthony Hopkins spielt mitnichten
den Nixon, sondern sich selbst, wie er Nixon spielt – so beifallheischend und
-würdig wie in der xten Vorstellung von Richard IV. – Die Computereinblendung
des Hopkins-Gesichts in dokumentarische Staatsbesuchaufnahmen ist ebenso theaterhaft-dekorativ
wie die zuverlässig unwitzige Requisite, nichts stört den Ablauf des
Weihespiels, das Jedermann-Nixon in den Himmel befördert.
Dietrich Kuhlbrodt
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: Konkret 03/1996
Nixon
NIXON
USA - 1995 - 191 min. – Scope - Verleih: Buena Vista Hollywood Pict.
(Buena Vista) (Video) - Erstaufführung:
22.2.1996/26.9.1996 Video - Produktionsfirma: Cinergi Prod./Hollywood Pict./Illusion
Entertainment - Produktion: Clayton Townsend, Oliver Stone, Andrew G. Vajna
Regie: Oliver Stone
Buch: Stephen J. Rivele, Christopher Wilkinson, Oliver Stone
Kamera: Robert Richardson
Musik: John Williams
Schnitt: Brian Neblan, Hank Corwin
Darsteller:
Anthony Hopkins (Richard Nixon)
Joan Allen (Pat Nixon)
James Woods (H.R. Haldeman)
Powers Boothe (Alexander Haig)
David Paymer (Ron Ziegler)
Paul Sorvino (Henry Kissinger)
J.T. Walsh (John Ehrlichman)
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