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Operation
Walküre
– Das Stauffenberg-Attentat
Wie Männer in Räderwerken Geschichte
machen, zeichnet Bryan Singers auf hoch professionelle Weise eher uninteressanter
Stauffenberg-Thriller "Operation Walküre" nach.
"Operation Walküre" ist
ein Film über den Versuch, nach einem Attentat auf Adolf Hitler den Umsturz
im Dritten Reich ins Werk zu setzen. Einen entscheidenden und großen Schnitt
in die geschichtliche Wirklichkeit setzen Drehbuchautor Christopher McQuarrie
und Regisseur Bryan Singer dabei von Anfang an. Sie wählen einen sehr engen
Ausschnitt, ziehen einen Rahmen darum und lassen alles, was historischer Kontext
wäre, schlicht und ergreifend: weg. Anders als der unter anderem auch darum
schrecklich missglückte "Untergang" wollen sie gar kein Gesamtbild
der Situation in Deutschland im Jahr 1944 entwerfen.
Das heißt: Weder die Judenvernichtung
noch die Lage im Land noch die Vorgeschichten und Gesamtcharaktere der Protagonisten
kommen mehr als bestenfalls am Rand vor. Es ist deshalb nur konsequent - wenngleich
natürlich dennoch fragwürdig -, dass die genauen Beweggründe,
dass der ideologische Hintergrund der Verschwörer und natürlich in
erster Linie Claus von Stauffenbergs, keine Rolle spielen. Mit dem ersten Schnitt,
den der Film setzt, dem Rahmen, den er zieht, fällt all das einfach unter
den Tisch. Anders gesagt: Mit geübtem und scharfem Auge haben die Macher
von "Operation Walküre" im komplexen, widersprüchlichen
Feld der geschichtlichen Ereignisse ein Muster erkannt. Was dazu passt, haben
sie herausgearbeitet und gelegentlich ungefähr so zurechtretuschiert, wie
die PR-Leute des Films - großes Bohei, als es dann rauskam - das Profilbild
von Stauffenberg, der danach Tom Cruise glich wie ein Ei mit Augenklappe dem
anderen.
Was nun übrigbleibt, ist ein einigermaßen
freihändig nach den historischen Geschehnissen entworfener Genre-Film,
eben ein Thriller. Und zwar einer, der gut funktioniert. Nicht etwa obwohl,
sondern durchaus gerade weil er bemüht ist, den Gesamtplan der "Operation
Walküre" mit manchen seiner Feinheiten vorzustellen. Das hohe Risiko
fürs Leben so vieler Beteiligter wird dabei einfach umgenutzt zur Spannungserzeugung.
Die heikelsten Punkte des Plans werden plot points, zur Not auch ohne reale
historische Präzedenz. Die Grundzüge stimmen: Die Operation Walküre
war ursprünglich ein Plan zur Unterdrückung eines möglichen Aufstands;
trickreich haben die Widerständler ihn so verändert, dass er nun -
wenn alles gut geht - die potenziellen Maßnahmen gegen den Staatstreich
abwürgt und zur eigenen Machtsicherung verwendet. Der Film spitzt das auf
einen hoch spannenden Moment der Entscheidung zu: Wird Hitler die veränderte
Version der Operation Walküre unterzeichnen? (Die Szene auf dem Obersalzberg
hat so nicht stattgefunden.)
Auch sonst lässt er keine Gelegenheit
aus, mit dem Leben seiner Figuren nach allen Regeln der spannungsdramaturgischen
Kunst zu spielen: Wird Henning von Tresckow (Kenneth Brannagh) die in einer
Schnapsflasche versteckte, nicht gezündete Bombe vor ihrer Entdeckung zurückholen
können? (In Wirklichkeit war es nicht von Tresckow, sondern sein Adjutant.)
Wird Stauffenberg nach dem Attentat mit dem Auto durch das Tor der Wolfschanze
gelangen? (Auch das spielte sich in Wahrheit etwas anders ab.) Wird der Chef
des Ersatzheeres Generaloberst Fromm im entscheidenden Moment den Befehl zur
Umsetzung der "Operation Walküre" geben? Und, als Punkt, auf
den der Film Gelingen und Scheitern zuspitzt: Welche Meldung wird der Chef des
Telegrafenamts weiterleiten: die vom Tod oder die vom Überleben des Führers?
Es entsteht so ein seltsam widersprüchliches
Bild davon, was es heißt, geschichtsmächtig zu sein. Die eine Pointe,
dass nicht Männer, sondern Räderwerke in Herrschaftsorganisationen
Geschichte machen, wird durch die andere Pointe, dass alles sich auf Entscheidungssituationen
zuspitzt, mehr oder weniger dementiert. Die Männer, die in Räderwerke
einzugreifen versuchen, erscheinen nicht als heroische Subjekte, sondern als
Handwerker der Tat (die denn auch handwerklich, nicht moralisch versagen). Geschichte
ist für "Operation Walküre" ein seltsames Amalgam aus Kontextvergessenheit,
eher Plot-Notwendigkeiten als einer These verdankten Räderwerk- und Entscheidungsketten-Bildern
und der Zuspitzung von Charakteren auf Bewährungs- und von Plot-Strängen
auf Spannungssituationen.
Dass "Operation Walküre"
funktioniert, hat also seinen Preis. Zwar bedient der Film auf den ersten Blick
in seiner dramaturgischen Mechanisierung, auch in der Wahl des als Inbegriff
des Oberflächlichen etablierten Tom Cruise, die neonationalistischen Diskurse
der Schirrmachers und Donnersmarcks nicht. Auf den zweiten Blick freilich ist
gerade das Engziehen des Rahmens eine fatale Geste, weil sie genau die Ausblendbarkeit
alles anderen impliziert. Und mit dieser Ausblendbarkeit im selben Zug eine
nur scheinbar ganz sachliche Projektionsfläche eröffnet und offen
hält, in der dann der eine sein Meisterwerk, der andere den besten Thriller
seit Jahren, der dritte viele historiografische Fehlstellen und der nächste
dann eben doch die Umschrift des Bildes von Deutschland in der Welt sehen kann.
Man kann bewundern, wie die Macher des
Films so schlafwandlerisch sicher durch dieses Minenfeld spazieren. Man kann
aber auch sehen, wie hier die Geschäftslogik der vielfachen Risikovermeidung
einen Film hervorbringt, der buchstäblich stumm bleibt. Kulturelle Artefakte
freilich, die stumm sind, schweigen immer - und hörbar - von etwas. "Operation
Walküre" schweigt hoch professionell von allem, was über diese
Geschichte, die Diskurse und Kontexte, in denen sie in Wahrheit immer schon
steht, wirklich zu sagen wäre.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen
am 21.01.2009 in www.perlentaucher.de
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Operation
Walküre – Das Stauffenberg-Attentat
VALKYRIE
USA/Deutschland
2008, R: Bryan Singer B: Christopher McQuarrie, Nathan Alexander K: Newton Thomas
Sigel. Sch:
John Ottman. M:
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