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Goldenes Gift
(Out
of the Past)
Man hatte es gelesen, ohne den Film zu
kennen, jetzt gibt diese Wiederaufführung (dankenswerterweise im Original
mit Untertiteln) Gelegenheit, sich selbst davon zu überzeugen: OUT OF THE
PAST ist das Nonplusultra des amerikanischen Film noir der vierziger Jahre.
Der erste Teil, zwei Vorgeschichten: Erst
einmal ist es ein ganz normaler Job für Jeff Markham, eine Routinesache
für jeden Privatdetektiv, eine Frau aufzuspüren, die in irgendeine
schmutzige Geschichte verwickelt ist. Den Auftrag bekommt er von dem Spieler
Whit Sterling, dessen Freundin Kathie Moffat auf ihn geschossen und sich mit
40.000 Dollar aus dem Staub gemacht haben soll. Es fällt Jeff nicht schwer;
ihrer Spur zu folgen, sie führt ins mexikanische Acapulco. Aber als er
Kathie sieht, ist es um ihn geschehen, er beginnt eine Affäre mit ihr.
Was sie wirklich getan hat, spielt dann keine Rolle mehr. Ihre Erklärung
kürzt er ab und küßt sie: „Baby, das ist mir ganz egal".
Als auch Whit in Acapulco erscheint, taucht das Liebespaar unter. Sie fliehen
nach San Francisco und leben unter anderen Namen. Durch einen dummen Zufall
aber werden sie von Fisher, Jeffs früherem Kompagnon, entdeckt. Er folgt
ihnen zu einem Haus in den Bergen, wo sie sich verstecken. Jetzt laufen die
Dinge wirklich schief: Kathie erschießt Fisher und verschwindet.
Diese Geschichte liegt drei Jahre zurück,
als Jeff sie erzählt. Jetzt lebt er als Jeff Bailey in der Kleinstadt Bridgeport,
betreibt eine Tankstelle und will mit der blonden Ann ein neues Leben beginnen.
Aber die Vergangenheit holt ihn ein; einer von Whits Leuten hat ihn entdeckt
und bewegt ihn zu einem Gespräch mit Whit. So beginnt der Film, und was
davor lag, erzählt Jeff Ann bei der Autofahrt zum Lake Tahoe.
Der zweite Teil, ein Labyrinth: Als eine
Art Wiedergutmachung läßt Jeff sich darauf ein, noch einen Auftrag
für Whit zu übernehmen, ein paar „unangenehme" Papiere zu besorgen.
Sein Unglück ist, daß Kathie wieder da ist: wieder mit Whit zusammen,
aber, wie sie sagt, gezwungenermaßen. Bald merkt Jeff, daß er hereingelegt
werden soll: Whit läßt einen Mord begehen und will es ihm anhängen.
Nun arbeitet jeder gegen jeden, echte und gefälschte Beweismittel über
die Verwicklung der anderen in Verbrechen sind die Druckmittel, schließlich
wird Jeff wegen zweier Morde gesucht, die er nicht begangen hat. Jeff kann von
Kathie nicht loskommen, obwohl er sie durchschaut. „Sie ist aber nahe dran",
sagt er; als Ann meint, Kathie könne nicht ganz schlecht sein, niemand
sei das. Ihre Geschichte kann nur tödlich enden.
Die Femme fatale und der Mann, der ihr
verfällt und den Weg ins Verderben geht, die verwickelte Handlungsstruktur
und die alptraumhafte Atmosphäre, die Stadt und die Nacht - alles, was
den Film noir ausmacht, findet sich in OUT OF THE PAST in seltener Perfektion.
Ein fast unglaubliches Zusammentreffen von Talenten hat diesen Film möglich
gemacht: Regisseur Jacques Tourneur; Drehbuchautor Daniel Mainwaring, Kameramann
Nicholas Musuraca und die Schauspieler Robert Mitchum, Jane Greer und Kirk Douglas.
Nicholas Musuraca, ein Schwarzweiß-Spezialist,
der auch Tourneurs CAT PEOPLE, Siodmaks WENDELTREPPE und Fritz Langs CLASH BY
NIGHT und THE BLUE GARDENIA aufgenommen hat, macht aus dem Film die definitive
Studie in „Low-Key"Ausleuchtung: Dunkle Flächen und Schwarz beherrschen
das kontrastreiche Bild und bewirken ein Klima von Unsicherheit und Untergang.
Einzelne Lichtquellen (oft Tisch-oder Stehlampen) werfen harte Schatten und
definieren scharf die Umrisse der Personen. Einmal stehen Mitchum und Jane Greer
in einem dunklen Raum, in den nur von der Tür hinter ihnen Licht fällt.
Als sie sich küssen, wird auch dieses Licht verdeckt und die Dunkelheit
dominiert.
Daniel Mainwaring (der unter dem Pseudonym
Geoffrey Homes arbeitete) kann mit seinen knappen und lakonischen Dialogen prägnant
ganze philosophische Systeme und Gefühlswelten entwerfen. Die Darsteller
treffen präzise jede Nuance seiner Formulierungen. Als Kathie beim Roulette
fragt, ob sie gewinnen könne, sagt Jeff: „Man kann auch langsam verlieren".
Natürlich spricht er dabei auch von sich.
Tourneurs Inszenierung entwickelt eine
Ästhetik des Understatement, des Off und der Ellipsen. Daß Kathie
zu Whit zurückgekehrt ist: das sieht man, wenn sie hinter Jeff, der abgewandt
steht, hinzutritt, ohne Akzentuierung. Elliptisch sind noch andere wichtige
Handlungsteile: Bei der Rückkehr zu Whits Haus findet Jeff Whit ermordet
vor; Kathies Tat hat man selbst nicht gesehen. Auf Jeffs Anruf bei der Polizei,
als er und Kathie sich am Schluß auf die Flucht machen, kann man nur schließen,
weil die Straße blockiert wird: Ein Meisterstück (neben vielen) ist
die bedrohliche Begegnung mit Fisher in der vom Wald umgebenen Berghütte.
Er kommt aus der Dunkelheit auf das Paar zu, das in eigenartig gespannter Haltung
in dem von innen erleuchteten Eingang des Hauses steht. Dann kommt es zum Kampf
der beiden Männer mit Zwischenschnitten auf Kathies fasziniert beobachtendes
Gesicht. Der Schuß, der - aus dem Off - in die Kampfgeräusche hinein
fällt, signalisiert abrupt die Enthüllung von Kathies skrupellosem
Charakter.
Der erste Wendepunkt der Handlung ist
ganz als Spiel mit dem Licht inszeniert: Uber einem Bier dösend sitzt Jeff
in einer schummrigen Bar; da tritt Kathie aus dem grellen Nachmittagslicht im
weißen Kleid und mit breitrandigem weißen Hut in den Raum. Er kommt
sich vor wie in einem Traum, aus dem er mit schwerem Kopf aufwachen könnte.
Tourneur läßt die Schauspieler
zurückhaltend, fast unbeteiligt spielen, die Gespräche sind gedämpft
und eindringlich: eine Kunst der Andeutung, deren Wirkung umso größer
ist. Robert Mitchum ist dabei der ideale Protagonist. In der Ausweglosigkeit
macht er mit seinem müden Blick einen fast somnambulen Eindruck, sich wie
rituell Zigaretten anzündend: ein Mann, der seinen Weg bis zum Ende geht.
Die helle Welt von Bridgeport ist trügerisch,
unter der heilen Oberfläche öffnet sich eine chaotische Welt der Nacht.
Es scheint, als ob die Figuren der Geschichte mit ihren diversen Intrigen („doublecrosses
and triple-crosses" ist noch untertrieben) hauptsächlich die Absicht
haben, diesem Chaos die Ordnung ihrer Manipulation entgegenzusetzen.
Jeff könnte ein Held von Raymond
Chandler sein, bei aller Illusionslosigkeit im Herzen ein Romantiker mit einem
unantastbaren Ehrenkodex. Bei Whits Gehilfin Meta Carson, einer weiteren Femme
fatal, der er allerdings vorsichtiger begegnet, fragt er, ob es sie nicht störe,
einen netten Menschen hereinzulegen. Sie: „Vielleicht ist er gar nicht nett,
vielleicht betrügt auch er die Leute."
Der Film denunziert auch die gefährliche
Kathie nicht, die von Jane Greer mit aufreizend unschuldigem Jungmädchengesicht
und eiskalten Aktionen, gegen den Strich gespielt wird. Ihre Amoralität
wird zur Schwäche, wenn sie sich selbst die Beziehung zu Jeff nur als Kontrolle,
Manipulation und Machtausübung vorstellen kann. Als sie am Schluß
zusammen mit Jeff fliehen will, erzählt sie ihm erst ausführlich,
warum sie ihn in der Hand hat. Eine Geschichte ohne Ausweg: „You built my gallows
high, baby!"
Karlheinz Oplustil
Dieser Text ist zuerst erschienen
in epd Film 2/1985
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Out
of the Past
OUT
OF THE PAST
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