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Die
Päpstin
Kirche
und Klitoris
Der
deutsche Film krabbelt und schwimmt mit "Die Päpstin" mal wieder
amphibisch Richtung Weltniveau. Weiß der Wotan, wozu das gut sein soll.
Der
Amphibienfilm krabbelt zu Wasser und schwimmt auf dem Land und wenn er fliegt,
dann meist auf die Nase. "Die Päpstin" ist das jüngste Exempel
eines solchen Amphibienfilms. Ab morgen besetzt er, als gehörte er dahin,
keinen geringen Teil der Leinwände und Kinosäle der Republik. Dass
ihm etwas fehlt, wird man im Fernsehen sehen, wenn das jetzt noch Fehlende dort
dann zu viel scheint. Spüren aber wird man es, weil die Erzählmaschine
so holprig und unrund läuft, schon auf der Leinwand. "Amphibienfilm"
ist, dies zur Erläuterung, der brancheninterne Name für teure Filme
aus Deutschland, die ihre Gelder im Fernsehen und Kino zugleich wieder einspielen
sollen, aber in je unterschiedlicher Länge und aus dieser Rücksicht
auch in veränderter Form. Amphibienfilme sind nicht Fisch und nicht Fleisch
und so sehen sie so gut wie immer auch aus.
Es
ist dabei nicht einmal gesagt, dass aus demselben Drehmaterial nicht zwei Werke
unterschiedlicher Länge, eins so interessant wie das andre zu erschaffen
wären, durch Unterschiede im Schnitt, in der anderen Wahl von Reihenfolgen,
Takes, Rhythmen etc. Siehe nur Jacques Rivettes sehr verschiedene, je für
sich gelungene Lang- und Kurzfassungen von "Out 1" (ursprünglich
fürs französische Fernsehen gedreht) und "Die schöne Querulantin".
Das Problem des deutschen Amphibienfilms ist nicht in erster Linie, dass seine
Macher beim Dreh immer schon in zwei Richtungen schielen. Das Problem ist, dass
sie weder für das eine Medium noch das andere eine Formidee haben. Und
also auch keine anderen als quantitative Vorstellungen von beider Differenz.
Dem
Regisseur Volker Schlöndorff war die Verfilmung des beseelten Trivialroman-Bestsellers
"Die Päpstin" seit Jahren ein Herzensprojekt. Selber schuld,
kann man da sagen, aber gut. Er hat sich mit der Constantin zusammengetan, der
Firma aus München, die seit Jahr und Tag jene Geschäfte der Risikominimierung
betreibt, als die sie mit einem Erfolg, der ihr kommerziell recht gibt, die
Verfilmung von Weltbestsellern versteht. Das Geisterhaus und Smilla im Schnee
und das Parfum und nun jene "Päpstin", die in ihrem ersten und
einzigen Roman Donna Cross aus dem Kaffeesatz apokrypher Kirchengeschichte herauslas.
Man
darf sich nicht täuschen. Die Constantin ist nicht der Protagonist einer
deutschen Kinoindustrie, sondern ihrer mit viel öffentlichem Geld heraufbeschworenen
Simulation. Im Abspann zur "Päpstin" sind die Granden deutscher
Bewegtbild-Steuergeld-Förderkultur fast sämtlich vertreten. Vornedran
die Filmstiftung Nordrhein-Westfalen, die eine Million in das Werk gesteckt
hat und unterm Deckmantel der Kultur einen Subventions- oder jedenfalls Ausfallrisikoauffangbetrieb
für Wirtschaftsunternehmen wie die Constantin unterhält. Aber auch
die NDR-Fernsehspielchefin seligen Angedenkens Doris J. Heinze hat in den Credits
ihren letzten großen Auftritt, bevor es demnächst vom Kino- in den
Gerichtssaal geht. Das zeigt alles nur: Es gibt keine deutsche Film-, sondern
nur eine mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen heillos verfilzte Filmförderindustrie,
die sich als Global Player geriert. Und was sie hervorbringt, sind Möchtegern-Hollywoodproduktionen
wie nun eben "Die Päpstin", die mit Hollywood-Maßstäben
in Sachen Aufwand und intellektueller Mittelmäßigkeit einigermaßen
mithalten, ohne sagen zu können, wozu genau das nun gut sein soll. (Übrigens
werden, wie könnte es anders sein, immer wieder auch künstlerisch
hoch interessante Projekte unterstützt, wenngleich fast ausnahmslos nach
den Wirtschafts-Förder-Maßgaben provinziell kleinkarierter Standortpolitik.)
Eines
allerdings lieben diese (wenigen) Damen und (vielen) Herrschaften aus dem Simulationsbetrieb
überhaupt nicht: Kritik an ihren Maßstäben und ihrem Gebaren.
Das bekam dann Volker Schlöndorff zu spüren, der - weiß Gott
in keiner Hinsicht ein Radikaler - in recht fortgeschrittener Phase der Produktion
einen Zeitungsartikel schrieb, in dem er sich über die Zumutung, die solche
Amphibienfilme unter den gegebenen Bedingungen bedeuten, beschwerte. Naturgemäß
hat ihn die Constantin da gefeuert. Und engagierte den biederen Sönke Wort-
als Ersatzmann an seiner Stelle, der zuletzt mit scheußlichen Rekonstruktionen
deutschen Volksempfindens ("Wunder
von Bern",
"Deutschland:
Ein Sommermärchen")
reüssiert hatte. Ausgetauscht wurde auch die Hauptdarstellerin - an Stelle
von Franka Potente darf nun die für dergleichen Blödsinn eigentlich
viel zu gute Johanna Wokalek gen Rom und Papstthron ziehen.
Herausgekommen
ist bei allem Aufwand - 20 Millionen Euro stecken in dem Ding - ein Film, der
nicht einmal richtig ärgerlich, sondern nur in jeder erdenklichen Hinsicht
komplett uninteressant ist. Das Erfolgsrezept des Romans wird, man ist ja nicht
blöd, redupliziert. Soll heißen: Moderne Subjektivitäten stecken
im attraktiv angeschmutzten mittelalterlichen Gewand. Eine süßsauer
verkitsche Feminismus-Light-Gleitcreme überzieht den Unfug mit dem Schmelz
des politisch Korrekten, auf dass er dem Publikum widerstandslos runtergeht.
Mit komplexeren Fragen von "Passing" und Gender-Crossing wissen Buch
oder Regie aber selbstverständlich schon nichts mehr anzufangen. Ausnahmslos
alles ist trivial bis zum Gehtnichtmehr - nur Wokalek verleiht ihrem Charakter
eine intelligente Sexyness aus von scharfen Rändern umgrenzter Innerlichkeit,
die leider weder im Drehbuch noch irgendwo im Rest-Ensemble eine brauchbare
Anspielstation findet.
Die
Figurenzeichnung fürchtet jeden Anflug von Ambivalenz, wie der Teufel das
Weihwasser scheut und die Kirche die Klitoris. Die Bösen sind immer gleich
ganz und gar böse und man sieht's sofort an ihren abstehenden Ohren und
unattraktiven Frisuren. Gerechter Zorn gilt dem Herrn Papa, der der Tochter,
weil sie Frau ist, nichts zutraut. Und der, als christlicher Priester, auch
noch die unerfreuliche Illiberalität besitzt, seinem Eheweib den Glauben
an Wotan mit Prügeln austreiben zu wollen. Noch gerechterer Zorn gilt dem
Nomenclator, der nach oben will und dabei auch über die Leiche des amtierenden
Papstes Sergius geht (letztere gespielt von John Goodman, der wenigstens Leben
in die Bude bringt). Die Geschichte erzählt, sehr frei nach der Wirklichkeit,
aber sehr treu nach der Schmonzetteuse Donna Cross, das Drama der begabten Tochter,
die per aspera die Widrigkeiten ad astra beiseiteräumt und, weil der Herr
oder der Zufall es wünschen, am Ende - mit Fuck-Buddy Gerold (David Wenham)
an ihrer Seite - zur Stellvertreterin Gottes gewählt wird, um zuletzt aus
der offiziellen Geschichte getilgt zu werden.
An
den digitalen und auch den mit der Ausstattungsassistenten Hände errichteten
Kulissen des Films ist, immerhin, das schöne Geld abzulesen, das in ihren
Bau floss. Für einen Gedanken, der nicht im Kitsch ersöffe; für
eine Regung, die übers Nächstliegende hinausginge; für eine einzige
Einstellung, Komposition, Kamerafahrt oder Bildidee, die mehr als Illustration
wollte; für ein Gefühl, dass nicht aus zweiter oder dritter Hand stammte
- für alles also, was aus der Verfilmung von Trivialliteratur anderes als
ein mediokres Filmchen mit Weltliga-Ambition gemacht hätte, war dagegen
sichtlich nicht das Geld und nicht das Talent und nicht der Wille vorhanden.
Schlimmer noch: Es fehlte schon die Idee, dass man mit einer im Grund ja dollen
Fantasy-Geschichte wie dieser etwas anderes tun könnte, als auf direktestem
Weg den Geldbeutel eines Publikums-Mainstreams zu adressieren. "Die Päpstin"
ist ein Film, dem man eigentlich noch zu viel Ehre antut, wollte man sagen,
er sei auf die Nase geflogen. Er wollte, wie's aussieht, nie hoch hinaus. So
krabble und schwimme er doch dahin.
Ekkehard
Knörer
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: www.perlentaucher.de
Die
Päpstin
Deutschland
/ Großbritannien / Italien / Spanien 2009 - Regie: Sönke Wortmann
- Darsteller: Johanna Wokalek, David Wenham, John Goodman, Iain Glen, Anatole
Taubman, Jördis Triebel - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ab 12
- Länge: 148 min. - Start: 22.10.2009
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