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Pee-Wee's
irre Abenteuer
Tim Burtons Kinodebüt, produziert
für Warner, markiert gleichzeitig seinen Abschied von Disney. "Pee-wee's
Big Adventure", die Spielfilmversion der Abenteuer vom kindlich- naiven
Pee-Wee Herman, der Kunstfigur des Stand Up-Komikers Paul Reubens, entwickelte
sich zu einem Überraschungserfolg, erwies sich als Eintrittskarte und vor
allem auch als erster subversiver Schritt: Der Film erklärt einen weirdo
auf der Suche nach seinem geliebten roten Fahrrad, einen kleinen Jungen im Erwachsenenanzug,
einen anarchischen Chaoten in weißen Kinderschuhen, ja, einen queeren
Charakter, der roten Lippenstift und Rouge auf den Wangen trägt, zum Star
einer mit Road-Movie-Elementen untersetzten Mainstream-Komödie für
die ganze Familie. Pee-Wee, verbarrikadiert in einer eigenen bunten Kinderwelt
aus Spielzeug und Erfindungen, so unschuldig wie quirlig, so liebenswert wie
hysterisch, ist der klassische Burton-Antiheld. Er ist so absonderlich wie schon
Vincent, so übermütig wie Viktor in "Frankenweenie", und
er verkörpert jenen Außenseitertyp, der eine normative Erwartungshaltung
mit kindlichen Zoten konterkariert, und deshalb als Sonderling gelten muss:
"I'm A Loner Dottie, A Rebel", gesteht er folgerichtig seiner Freundin.
So jemandem bringt Burton jedoch seine
ganze Sympathie entgegen: Wenn in der skurrilen Welt von "Pee-wee's Big
Adventure" da treffen zurückgebliebene Millionärssöhne
auf flüchtige Knackis, untote Truck-Fahrer auf schmierige Filmstudiobosse
überhaupt irgendwer "normal" erscheint, dann meint es der Film
auch nicht besonders gut mit ihm. Schließlich ist es eher Pee-wee, der
während seiner verrückten tour de force die Suche nach seinem gestohlenen
Fahrrad funktioniert hier sogleich als eine Metapher für die Suche überhaupt,
nach einer Haltung in der Gesellschaft, einer gewissen Normalität innerhalb
des Nicht-Normalen zahlreiche merkwürdige Gestalten trifft und diese
Begegnungen mit panischem Entsetzen, exaltierter Komik oder femininer Hysterie
kommentiert. Der Film etabliert damit eines der grundsätzlichen Leitmotive
der Protagonisten in Burtons uvre die Widersprüchlichkeit zwischen einer,
am Umfeld gemessen, äußerlich auffälligen, unherkömmlichen
Präsenz und einer inneren Selbstwahrnehmung als unverstandener Outcast,
der in seiner Verweigerung starrer Normen wiederum doch als einziger wirklich
"normal" wirkt. Pee-wees Suche nach seinem Fahrrad, zugleich McGuffin
und Konnotativsymbol, mündet schlussendlich in den Warner- Studios in Hollywood,
wo sein Heiligtum im Rahmen einer kitschigen Kinderserie versteigert werden
soll.
Dass Burton den Film zu seinem eigenen
Ursprung führt, ist eine Chuzpe von geradezu unnachahmlich bissiger Schlagkraft:
Der erste Kinofilm des Regisseurs ergeht sich zunächst in fabulierender
Exzentrik und quirligem Kindsgehabe, um dann hemmungslos einer dekonstruktivistischen
Anarchie zu verfallen. Wenn sich Pee-wee im Finale eine halsbrecherische Verfolgungsjagd
mit den Wachmännern der Warner Bros. quer durch die Hollywood-Studios,
vorbei an Archetypen der Popkultur, an Godzilla, dem Weihnachtsmann und einer
Heavy-Metal-Band, liefert, ehe der Studiochef ihm offeriert, von Konsequenzen
abzusehen, wenn er dafür die Filmrechte an der absurden Fahrradsuche erhalten
würde, ist das Burtons wunderbar impertinentes Bild jenes Systems, das
er sich zum Arbeitsplatz gewählt hat. Und der Film, den Warner über
Pee-wees Erlebnisse schließlich fertigt, liefert eine freie Interpretation
der Ereignisse, in der das Fahrrad zum Motorbike und der Held zum maskulinen
James Bond-Typ mutiert ist, der Bösewichte dezimiert und blonde Schönheiten
mit flotten One-Linern beglückt. Zu dieser Umdichtung nichtkonformer Abenteuer
in konventionelle Genrekinomuster hat Pee-wee zuletzt alle Freunde und Weggefährten
ins Autokino geladen, um ausgelassen die Premiere des Films im Film zu feiern,
was durchaus auch als versöhnlicher Ausdruck Burtons mit den Gesetzen des
Mainstreams verstanden werden kann allerdings nur, so lange er diese ad absurdum
führen und schließlich neu formulieren darf.
Rajko Burchardt
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: www.ofdb.de
Pee-Wee's
irre Abenteuer
PEE
WEE'S BIG ADVENTURE
USA
- 1985 - 88 min. - Verleih: Warner Home (Video) - Erstaufführung: August
1986 Video/7.5.1995 SAT 1 - Produktionsfirma: Aspen Film - Produktion: Robert
Shapiro, Richard Gilbert Abramson
Regie:
Tim Burton
Buch:
Phil Hartman, Paul Rubens, Michael Varhol
Kamera:
Victor J. Kemper
Musik:
Danny Elfman
Schnitt:
Billy Weber
Darsteller:
Pee
Wee Herman (Pee-Wee Herman)
Elizabeth
Daily (Dottie)
Mark
Holton (Francis)
Diane
Salinger (Simone)
Judd
Omen (Mickey)
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