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Pink
Ganz und gar betörend: Rudolf Thomes
"Pink"
Der eine singt, die anderen nicht. Pink,
die Punk-Dichterin, die zum Vortrag der Punk-Gedichte eine schwarze Perücke
trägt, hat die Wahl. Drei Männer werben, in aller Bescheidenheit,
um ihr Herz. Nach dem Vortrag stehen sie da, ihren Blumenstrauß in der
Hand, und harren und hoffen, dass Pink sie erhört. Ich muss mich entscheiden,
sagt sie beim Essen, ich war in der Kirche und bekam den Befehl. Einfach ist
es nicht, also rechnet sie zusammen, was für den einen spricht und für
die anderen nicht.
Der erste Mann ist ein Missgriff. Er hat
Geld und ist viel unterwegs in der Welt. Also ist Pink allein zu Haus. Vergeht
nicht viel Zeit und Pink schreibt in pink "Tschau" auf den Hängeschrank
in der Küche. Das war's, der Film macht mit dieser ersten Ehe recht kurzen
Prozess und hängt den Mann in seinem Büro über den Dächern
Berlins an den Strick. Er wird noch schnell beerdigt am Wasser, dann ist er
vergessen. Kein Drama, Schwamm drüber; man merkt gleich: dieser Film hat
einen für Thome wirklich ungewöhnlichen Ton, gelegentlich böse
und immer charmant und er ist sich nirgends zu lang aufzuhalten gestimmt und
der Rhythmus, der stimmt durchgehend auch.
Es kommt der zweite Mann dran. Für
ihn nimmt sich der Film schon mehr Zeit. Nach der Hochzeit soll er Pink schwören,
dass er sich nicht umbringt, falls und wenn sie ihn irgendwann einmal verlässt.
Sie macht einen Ausflug mit ihm in die Staaten. Sie fahren mit dem Auto zwischen
Palmen, die Kamera fährt hinterher, offensichtlich auf einem Auto, so dass
das Bild, was sehr schön ist, mitvibriert. Radhe Schiff ist da, die man
aus Thomes "Sonnengöttin" kennt. Sie ist Schriftstellerin und
heißt Silver und am Strand vor der Villa am Meer sitzt Pink mit dem Laptop
und schreibt ihre Punk-Gedichte. (Von denen hören und sehen wir nicht allzu
viel und das ist ziemlich sicher auch gut so.) Thome filmt das leichthin. Er
zeigt Szenen, die nicht sonderlich bedeutungsvoll tun, dann macht er einen Schnitt
und es kommt wieder eine Szene, die nicht sonderlich bedeutungsvoll tut. Ungewöhnlich
für Thome ist, dass dazwischen auch nichts gesprochen wird, das besonders
bedeutungsvoll tut. Es ist und klingt vielmehr alles sehr leicht. Wozu auch
die Musik viel beiträgt, die sich den Bildern nur anschmiegt. "Pink"
ist, das merkt man bald, wirklich ein wundersamer Film.
Der zweite Mann treibt es mit Prostituierten
und verschafft Pink so den Tripper. Mit vorgehaltener Waffe schmeißt sie
ihn raus. Weiter erzähle ich nicht, denn es macht den ungeheuren Charme
von "Pink" aus, dass meist nicht das Erwartbare geschieht. Nicht,
weil die Geschichte auf Teufel komm raus Kapriolen schlägt. Der Film ist
vielmehr ein Märchen, das immer nur mit und dann weitergeht. Und dann und
dann. Er funktioniert auch nur deshalb, weil Thome seinen Film so ganz und gar
Hannah Herzsprung anvertraut und dies blinde Vertrauen zahlt sich tausendfach
aus. Pink ist, bei Lichte besehen, ein problematischer Charakter und sie war
einmal, das lässt sich nicht leugnen, nicht viel mehr als eine Thomesche
Kopfgeburt. Am Ende aber wird Hannah Herzsprung als Kindfrau mit Poesie und
Kanone ganze Arbeit geleistet haben und ihre Pink steht eindrucksvoll da. Obwohl
sie über Leichen geht, schlechte Gedichte schreibt, oft schrecklich naiv
ist - und die Männer sind, mal ganz ehrlich, alle drei nicht die Offenbarung.
Darum versucht es Pink zwischendrin auch
einmal mit einer Frau. Die ist Psychotherapeutin und spezialisiert auf Liebeskummer,
Burn-Out, Weltschmerz und etwas Viertes. (Hab ich vergessen.) Pink geht zur
Therapie, die ist erfolgreich oder jedenfalls klappt das mit der Übertragung.
Sie küssen sich, sie lieben sich, bis Pink dann am Frühstückstisch
sagt, im Bett hätte sie doch lieber einen Mann.
"Pink" - eine Komödie,
wenn Thome je eine gedreht hat - hält lang seinen Märchenton und tut
unverfroren und gleichbleibend heiter unmögliche Dinge. Vieles ist gar
nicht sehr lustig, aber auch das ist ja ganz wie im Märchen. Alles endet
dann im Idyll. Schwer zu sagen, ob Pink das Paradies, in dem sie landet, verdient
hat. (Das Paradies sieht übrigens dem Bauernhof, auf dem Thome selbst lebt,
verteufelt ähnlich. Jedenfalls soweit man das von seinem Internet-Tagebuch
her beurteilen kann.) Und das Ende wäre in jedem anderen Fall genau das,
was Diedrich Diederichsen bei Ozons "Ricky" so treffend "zauberhaft reaktionär"
genannt hat. Nur dass die kommende Kleinfamilie hier ein Glück ist, das
man den Figuren sehr gönnt. Und zwar, weil Thomes Komödie alle Regeln,
die sonst gelten, einfach aufhebt. "Pink" ist, wie man längst
gemerkt hat, ein ganz und gar betörender Film.
Ekkehard
Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen in: www.perlentaucher.de
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Pink
Deutschland
2009 - Regie: Rudolf Thome - Darsteller: Hannah Herzsprung, Guntram Brattia,
Florian Panzner, Cornelius Schwalm, Radhe Schiff, Anna Kubin, Christine Knispel,
Christina Hecke, Hubertus Hiess - Prädikat: wertvoll - Länge: 82 min.
- Start: 20.8.2009
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