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Piranha 3D
When history bytes back
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Dass sich der französische Regisseur Alexandre Aja
nach seinem gleichsam fulminanten wie verstörenden Erstlingswerk „Haute
Tension“ (2003) gleich in zweierlei Hinsicht hin zum amerikanischen Mainstream
bewegt hat, ist gleichermaßen produktiv wie erfreulich. Zum Einen sind
seine nach „Haute Tension“ entstandenen Werke oftmals Remakes gewesen, zum anderen
sind sie durch (nicht nur aber durchaus auch finanziell) solide Produktion ausgezeichnet.
Im Fall des Remakes vom Joe-Dante-Fisch-Horrorfilm „Piranha“, den dieser 1978
zugleich als Kopie wie als Persiflage auf Spielbergs „Jaws“ (1974)
angelegt hatte, zeigt sich der ganze intellektuelle Trickreichtum Ajas.
Denn anders als bei Dante sind Ajas Killerfische nicht
das Ergebnis genetischer Tierversuche zum Zwecke der biologischen Kriegsführung
– die neuen Piranhas sind eine ausgestorben geglaubte Gattung, die durch ein
Erdbeben aus einem unterirdischen See an einen „oberflächlichen“ See gelangt,
der alljährlich zum Ziel partyhungriger Studenten wird, die dort ihr „Spring
Break“ bei reichlich Alkohol, Drogen und Sex feiern. Als der halb aufgefressene
Kadaver eines Fischers (gespielt von „Jaws“-Darsteller
Richard Dreyfuss) an den Seestrand gespült wird, sind die ortsansässige
Polizistin (Elisabeth Shue) und ihr Deputy (Ving Rhames) vorgewarnt und versuchen die Badegäste vom Baden abzuhalten.
Zeitgleich erleiden die drei Kinder der Polizistin auf dem Piranha-verseuchten
See Schiffbruch, weswegen sie sich noch besonders mit der Rettung beeilen muss.
Was als allzu chauvinistischer, Brüste und Hintern
in Großaufnahme und Zeitlupe vorführender „Sexklamauk goes Horrorflic“ beginnt – und man fragt sich zwischenzeitlich wirklich,
ob sich Aja ideologisch verritten haben könnte –, gerät, nachdem der
Piranhaschwarm die Menschenmeute erreicht hat, zu einem der blutigsten
Exzesse der Splatterfilmgeschichte. Angesichts der detaillierten Zerstörung junger
menschlicher Körper und der schon mehr als sarkastischen Inszenierung von
Gewalt und Schmerz wird man als Zuschauer recht brutal daran erinnert, wer diesen
Film gedreht hat und dass es sich hier offenbar um eine als Destruktion getarnte
Dekonstruktion handelt. Dekonstruiert wird von Ajas „Piranha“(s) zugleich die
Genre-Geschichte des 70er/80er-Jahre Tierhorrorfilms, wie die Körperinszenierung
neuerer Horrorfilme. Die Piranhas zerfasern die aufpolierte Schönheit ihrer
Opfer, die zuvor doch bloß Oberfläche sein wollten und zeigen im
Wortsinne, was in ihnen steckt. Das sind neben Knochen, Muskeln, Sehen und viel
Blut auch Implantate aus Silikon, die Aja zynisch an der Kamera vorbei in Zeitlupe
durch Wasser schweben lässt.
Der 3D-Effekt, der in den Film nachträglich eingebracht
wurde, leistet für dieses Projekt ganze Arbeit: Das Bild geht vielschichtig
in die Raumtiefe als dass Ereignisse aus ihm heraus in den Kinoraum ragen würden. Das Wasser, das von Beginn des Films an als bedrohlicher
und mysteriöser Raum inszeniert wird, erhält durch diese räumliche
Schichtung schnell den Charakter eines intermediären Raums, eines Mediums,
durch das sich die Killerfische als Dingsymbole der Vergangenheit auf die Gegenwart
zubewegen. Diese Gegenwart ist nicht nur die des Party-Strandes, sondern auch
die der Filmgeschichte. Die Piranhas verkörpern ein Sinnbild von „Remake“
und zeigen, dass die Filmstoffe der Vergangenheit über durchaus so scharfe
Zähne verfügen, dass sie die Images heutiger Genreproduktion aufs
Leichteste zu sezieren im Stande sind.
Stefan Höltgen
Dieser Text ist zuerst erschienen in der www.filmgazette.de
Piranha 3D
OT: Piranha 3D
USA 2010 - 87 min.
Regie: Alexandre Aja - Drehbuch: Pete Goldfinger, Josh
Stolberg - Produktion: Alexandre Aja - Kamera: John R. Leonetti -
Schnitt: Baxter - Musik: Michael Wandmacher - Verleih: Kinowelt - Altersfreigabe:
ab 18 Jahre - Besetzung: Elisabeth Shue, Adam Scott, Jerry
O'Connell, Kelly Brook, Ving Rhames, Jessica
Szohr, Steven R. McQueen, Christopher Lloyd, Richard Dreyfuss,
Sage Ryan, Eli Roth,
Kinostart (D): 14.10.2010
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