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Planet
der Affen (2001)
Der
Plot ist linear: US-Pilot Mark Wahlberg geht im Weltraumschiff der United Forces
auf Weltraummission. Auf dem Affenplaneten inthronisiert er einen von den USA
mitgebrachten Kinderaffen, gut dressiert. Mit Hilfe einer dissidenten sowie
schönen Äffin bringt er die dort lebende rassische Minderheit von
Menschen an die Macht. Das geht nicht ohne Einsatz von Knüppeln, Blendgranaten
und Faustfeuerwaffen. Am Ende ist Affengeneral Tim Roth besiegt und das Überleben
der Spezies Mensch garantiert. Denn daheim im Weißen Haus hat leider ein
reziproker rassischer Machtwechsel stattgefunden.
Das
Subplot geht jedoch anders. Und genau deswegen wird der Film reüssieren.
Die Bilder, die Masken, die Kostüme und das acting sind
die Botschaft. Im Vorgängerfilm
von 1967
herrschten noch Dialoge und Merksprüche. Jetzt haben wir 2001, und wir
bewundern Affenlook, -design und -format. Die bringen das einfach besser, als
wir Menschen das können. Die schöne Äffin, auch wenn sie dissident
ist oder grade weil sie mit dem Planeten-Untergrund sympathisiert, wo sich Menschen
im affenfreien Raum verbergen - die schöne Äffin also mit dem sowohl
beredten wie seelenvollen Blick, wir sympathisieren sofort mit ihr. Und was
ist mit der Gegenspielerin, der leichtgeschürzten Menschin im Tarzan-and-Jane-Look?
Blond und modekompatibel gecasted, gebont, aber fad und ohne jeden Charme, spielen
kann sie auch nicht. Welcher Rasse mag der angehört haben, der diese Tussie
engagiert hat? Bestimmt kein Freund des Menschengeschlechts.
Auch
das Duell der Rassenkrieger, Mark Wahlberg vs. Tim Roth, geht eindeutig zugunsten
der Affen aus. Sie sind die Stärkeren. Tim Roth, Affengeneral, hat ein
Kostüm viel schöner als in diesen Musicals, er legt eine obercoole
Performance hin, wir können von heute an von der Sternstunde des Affenpop
sprechen. Und dagegen? Mark Wahlberg? Zum Vergessen. Der Mensch, tutig und tranig,
läuft im Film wie in einem Jurassic Park rum, macht Oh und Ach und will
uns auf Zuschauer eines Erlebnisparks trimmen, für den Event des Affenplaneten.
Wetten, daß das kommt?
Haben
wir also mit dem neuen »Planet der Affen« eine innovative subplotive
Rassismuskritik? Damit das klar ist: Rassismus wird nichts weiter als verkehrt.
Zu Perversitäten wie Durchrassung kommt es mitnichten. Wir kennen das:
In der Menschencrew erwarten und sehen wir den Quotenneger, er hat weiter nichts
zu tun, er ist Komparse. Aus gegebenem Anlaß hat im Menschenschiff auch
ein Quotenaffe eine Rolle, eine bessere sogar, eine Nebenrolle. Solch eine Errungenschaft
wie die Quote kennen die Affenrassisten nicht. Sie sind böse. Nur die sympathisierende
schöne Äffin macht sich an den Wahlbergmenschen heran; das könnte
die Exposition für einen durchgerassten Beziehungsfilm sein; sie hat eine
Hauptrolle. Doch trotz aller Bemühungen kommt es nicht zur Rassenschande.
Wahlberg tut so, als ob er nichts merkt, steigt in sein Schiff und ade, du Affenplanet.
Halten
wir fest, daß wir als Zuschauer des verführerischen Affenspektakels
sauber bleiben. Dann können wir einen Schritt weitergehen und registrieren,
daß wir alles Wertkonservative bei den Planetenaffen wiederfinden können.
Vor dem Essen wird gebetet, zum Affengott. Die Herrenaffen sind noch wahre Männer,
Edelsamurais, mittelalterliche Ritter aus großer Zeit, schnell gezogen
ist die Waffe. Aus der Zeit der Heldensagen scheint der leibhaftige Charlton
Heston zu stammen, Held des ersten »Planet der Affen«-Films. Er
ist also leider noch nicht tot, aber das wird sich schnell ändern, er liegt
in seinem special-guest-Auftritt auf dem Sterbebett und spricht letzte Worte.
War es nicht so, daß er, 76jährig, kürzlich außerhalb
des Films wertkonservativ-politisch geworden ist, als Bush-Freund und Überboß
der Vereinigung US-amerikanischer Waffennarren?
Vor
34 Jahren, im ersten Affenplanetenfilm, hatte sich Heston noch humanistische
Diskurse anhören müssen, auch wenn das Pseudodialoge waren. Heute
aber kann er als Oberaffe seine Freude daran haben, wie der Menschenuntergrund,
stumme, wehrlose Masse, vom Himmel einen Führer geschenkt bekommt, den
faden, blassen Wahlberg mit dem immer gleichen, aber ikonenkompatiblen Gesichtsausdruck.
Das stumpfe Menschenmaterial des Planeten wird vom Erdgesandten militärisch
geschult, logistisch versorgt, strategisch eingesetzt und im Kampf verheizt.
Tote ja, aber der Sieg ist unser und: Ohne Waffen geht es nicht. Was für
ein Vorteil auch: Affenrittern, die noch wie im Mittelalter gerüstet sind,
mit der Faustfeuerwaffe zu kommen, sie mit Blendgranaten zu schrecken und im
Mann-zu-Mann-Scharmützel niederzumachen. Nur ein toter Affe ist ein guter
Affe. Ja, da leuchten Hestons Augen auf, noch einmal, das Kleinkaliber siegt
auch im Weltenraum.
Daß
die Planetenaffen nicht mehr wie im ersten der jetzt sechs Affenplanetfilme
nur Betonköpfe, sondern sowohl tolle Typen, popmäßig upgedated,
als nach wie vor Betonköpfe sind, lädt zur Identifizierung mit dem
Politdesign der angehenden Bush-Ära ein. Egal, was das Primärplot
dahinschwafelt. Wir brauchen einfach den Weltenraum, um zu überleben. Wir
brauchen die Waffen, das Ziel zu erreichen. Wir haben unseren Spaß auf
dem Expeditionsevent. Wir sind, sagen wir's hinter vorgehaltener Hand, gar nicht
auf einem fernen Planeten, sondern längst beim virtuellen fun, daheim
auf Erden. »Planet der Affen« zeigt uns die Welt, wie wir sie längst
kennen, den Alltag vor der Glotze. Wer reist, kommt auf den exotischen Basar-für-die-Touristen.
Wahlberg studiert blauäugig die Stände mit Souvenirs, Snacks und Drinks,
als ob er auf dem Airport in Acapulco oder Marrakesch ausgestiegen wäre.
Schlangenbeschwörer und allerlei andere Kleinkünstler haben extra
Affenkostüme angelegt, um das rechte Ambiente zu kreieren. Alltag.
»Planet
der Affen« zeigt uns Affen wie du und ich; und was Eifersucht betrifft,
so steht die schöne Äffin keinem Star nach, wie wir ihn aus dem aktuellen
Genre des Beziehungsfilms kennen. Wenn wir also als Zuschauer des Films vor
nichts auf der Hut sein müssen, dann können wir auch die Bush/Heston-Botschaften
in unsere Stube holen. Die Affenprojektion ist politisch auf dem neuesten Stand.
Es ist alles gar nicht so schlimm. Auf dem Planeten beginnt ein neuer Markt
zu blühen, der Handel mit Erdgütern begeistert die ersten Planetenkonsumenten.
Ein Filmscherz? - Ein Gegenscherz wäre es, wenn auf Erden die usurpierenden
Planetenaffen längst den American Way von Freiheit und Democracy pervertiert,
die Affenrechte etabliert und Unäffische Activities verfolgt hätten.
Lassen wir's beim Konditional.
Dietrich
Kuhlbrodt
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: Konkret 09/2001
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Planet
der Affen
USA
2001 - Originaltitel: Planet of the Apes - Regie: Tim Burton - Darsteller: Mark
Wahlberg, Tim Roth, Helena Bonham Carter, Michael Clarke Duncan, Paul Giamatti,
Estella Warren, Cary-Hiroyuki Tagawa, Kris Kristofferson - Länge: 120 min.
- Start: 30.8.2001
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