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Planet der Affen: Revolution
Am Anfang von "Planet der Affen: Revolution"
liegt noch ein Hauch Terrence Malick über dem Primaten-Idyll. Dampfende
Urwälder im Morgengrauen, perlende Tautropfen auf den vortrefflich simulierten
CGI-Pelzen der Waldbewohner, ein wagnerianisches Grollen schwillt an. Es ist
Gefahr im Verzug, doch vorerst befindet sich das postapokalyptische Ökosytem
in Balance. Die Affenhorde unter der Führung des intelligenten Schimpansen
Caesar jagt bloß eine Herde Hirsche, als Caesar und sein Sohn leichtsinnigerweise
von der Gruppe getrennt werden und plötzlich einem ausgewachsenen Bären
gegenüber stehen.
Was früher in jeder Wildlife-Dokumentation als Klimax galt, als
Lohn für wochenlange Geduldsproben, ist im modernen Blockbusterkino nicht
mehr als atmosphärisches Vorspiel: Die ungezügelten Kräfte der
Natur stehen sich in einem Kampf auf Leben und Tod gegenüber. Es wird nicht
das letzte Mal sein, dass Matt Reeves’ Sequel zu "Planet der Affen: Prevolution" an eine Produktion des Discovery
Channel erinnert. Die Eröffnung suggeriert aber auch schon den schlechten
Einfluss der Menschen, denn die genetisch optimierten Affen haben das Töten
inzwischen perfektioniert. Mit einem Speer ins Herz wird der Bär erledigt.
In der Affen-Kolonie herrscht vorerst wieder Ruhe.
Rupert Wyatts Überraschungserfolg von 2011 spielte noch eine
politische Emanzipationsgeschichte durch. Caesar, der Affe, der unter den Menschen
aufwächst (eine umgekehrte Tarzan-Erzählung gewissermaßen),
musste zunächst ein Bewusstsein entwickeln, erst ein soziales und im Verlauf
dieses Prozesses zwangsläufig ein revolutionäres. Der Affe wurde Subjekt,
als er seine eigene Unfreiheit erkannte. Die Reaktion war kein Umsturz der Verhältnisse,
sondern ein geordneter Rückzug (in die Natur). Unter den Bedingungen das
amerikanischen Mainstreamkinos war das eine durchaus provokante Prämisse,
bedenkt man, was ein vermeintlich reflektierter Regisseur wie Christopher Nolan
im letzten Teil seiner "Dark Knight"-Trilogie
an Revolutionsrhetorik inklusive schiefer historischer Verweise und dumpfem
Führerkult aufgefahren hatte. Die wenigsten Kritiker konnten sich dann
das nicht mal böse gemeinte Etikett der „Öko-Science-Fiction“ verkneifen.
Dabei war "Planet der Affen: Prevolution" nicht nur ein ausgesprochen
realistischer Tierfilm (mit einem großartigen Andy Serkis, der als Caesar
der Versuchung widerstand, seinen Primaten zu humanisieren), sondern auch eine
zeitgemäße politische Parabel. Womit der Geist der ersten Filmreihe
zwischen 1968 und 1973 wieder eingefangen war, den Tim Burton seinem Remake zehn Jahre
zuvor ausgetrieben hatte.
Matt Reeves muss nun einiges an Boden gut machen, um – für die
nächste Stufe des Franchise – auch den Rest des Publikums abzuholen, das
von der moderaten Haltung des Vorgängers noch nicht so richtig überzeugt
war. "Planet der Affen: Revolution" spielt zehn Jahre nach dem ersten
Film, der Großteil der Menschheit ist durch den „Affenvirus“, der im Abspann
des Vorgängers unaufhaltsam sein Netz über die Erde spannte, dahingerafft.
Menschen und Affen leben ohne Wissen voneinander in getrennten Biosphären:
Eine Gruppe Überlebender hat sich in einem Wolkenkratzer in San Francisco
verschanzt, die Affen haben in den Muir Woods nördlich der Golden Gate
Bridge eine Kolonie errichtet, die vage an die Baumsiedlung der Na’vi in James
Camerons "Avatar" erinnert – dem anderen großen Öko-SciFi-Epos,
in dessen unverhohlenem Militarismus sich ebenfalls ein zivilisatorischer Niedergang
abzeichnete. Eine Exkursion in die Wälder unter Führung des Ingenieurs
Malcolm (Jason Clarke) bringt Mensch und Affe miteinander in Kontakt. Die Menschen
benötigen die Energie eines stillgelegten Staudamms für den Wiederaufbau
ihrer Zivilisation. Doch die Kräfte sind von Beginn an ungleich verteilt.
„Sie machen mir Angst“, sagt einer der Weggefährten über die Affen,
„weil sie nicht auf Licht und Strom angewiesen sind.“
Leider ist die erste halbe Stunde von "Planet der Affen: Revolution"
klüger als der Rest des Films, weil Reeves, nachdem er den Grundkonflikt
Mensch-Affe angemessen komplex umrissen hat (die Front verläuft nicht zwischen
den Spezies, sondern mitten durch sie hindurch, „Falken“ finden sich auf beiden
Seiten), bald dem Trugschluss erliegt, den Anforderungen des Blockbusterkinos
gerecht werden zu müssen. Zum Showdown reiten Affen zu Pferde durch Feuerwände
und steuern Panzer in menschliche Barrikaden. Der Pessimismus dieses Weltbildes,
dass Gesellschaften ab einem gewissen Zivilisationsgrad die Werkzeuge einer
politischen Willensbildung abhanden kommen, wirkt zum Ende hin etwas konsternierend.
Man könnte es auch mehrheitsfähig konservativ nennen.
„Der Krieg längst begonnen hat“, erklärt Caesar in seinem
putzigen Yoda-Englisch. Der Führerkult des Franchise hat eine neues Gesicht,
das in der Schlusseinstellung auch die ganze Leinwand einnimmt. Vermutlich liegt
es in der Logik der Serie (und des CGI/3D/IMAX-Kinos), dass irgendwann am Ende
dieses Reboots ein waffenschwingender Charlton Heston, digital wiedergeboren
aus den Resten des Originalfilms, auf den Planeten der Affen zurückkehrt.
Andreas Busche
Dieser Text ist zuerst erschienen in: der freitag:
Planet der Affen – Revolution
(Dawn of the Planet of the Apes) - USA 2014 - 130 Minuten - Start(D): 07.08.2014
- FSK: ab 12 Jahre - Regie: Matt Reeves - Drehbuch: Mark Bomback, Pierre Boulle,
Scott Z. Burns, Rick Jaffa, Amanda Silver - Produktion: Peter Chernin, Dylan
Clark, Rick Jaffa, Amanda Silver - Kamera: Michael Seresin - Schnitt: William
Hoy, Stan Salfas - Musik: Michael Giacchino - Darsteller: Gary Oldman,
Keri Russell, Judy Greer, Jason Clarke, Andy Serkis, Kodi Smit-McPhee, Toby
Kebbell, Kirk Acevedo, Kevin Rankin, Larramie Doc Shaw, Enrique Murciano, Terry
Notary, Karin Konoval, J.D. Evermore, John L. Armijo - Verleih: 20th Century
Fox
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