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Prometheus - Dunkle Zeichen
Das ewige Überleben
Ridley Scott setzt mit „Prometheus“ seine 30 Jahre
alte „Alien“-Saga von vorne fort – als pessimistische Variante eines Mythos
Erinnert sich noch jemand an Erich von Däniken?
Der hatte Ende der sechziger Jahre in populärwissenschaftlichen Kreisen
und unter Perry Rhodan-Fans mit seiner These, der Mensch stamme von Außerirdischen
ab, für Furore gesorgt. Inzwischen ist man, insbesondere mit Blick auf
die Glaubensscharmützel in der amerikanischen Rechten, so einiges gewohnt.
Zwischen all den religiösen Splittergruppen ginge selbst Erich von Däniken
heute als harmloser Spinner durch.
Hollywood hingegen scheint an seinen Thesen auch nach
40 Jahren noch hinreichend Gefallen zu finden, um Regisseur Ridley Scott zur
Reaktivierung seiner Alien-Mythologie zu bewegen. Mehr als drei Jahrzehnte nach
„Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ (1979) und 15 Jahre nach „Alien – Die Wiedergeburt“ (1997), dem letzten Teil des Zyklus, nimmt Scotts „Prometheus – Dunkle Zeichen“ wieder Bezug auf das Original – in Form eines Prequels,
das die Herkunft der ikonischen H.-R.-Giger-Kreatur mit dem markanten Kiefer
abschließend klären soll. Dänikens zentrales Argument bestand
seinerzeit in der Existenz von Höhlenzeichnungen, in denen der frühe
Mensch Zeugnis von seinen Göttern abgelegt hatte. Die Götter seien
in Wahrheit außerirdische Raumfahrer gewesen.
In Scotts neuem Film spielen Höhlenmalereien eine
entscheidende Rolle. In den Zeichnungen wollen Elizabeth und Charlie, das Archäologenpärchen
an Bord des Raumschiffs Prometheus, Menschen erkannt haben, die ein gottähnliches
Wesen anbeten, welches vielsagend in den Himmel weist – auf eine Sternenkonstellation
Lichtjahre von der Erde entfernt. Das Archäologenpärchen vermutet
in der Sterndeutergeste eine Einladung ihrer Schöpfer. Sie nennen die außerirdischen
Raumfahrer „Ingenieure“.
Irgendwo in den Tiefen des Weltalls soll sich also die
Wiege der Menschheit befinden. Natürlich ein grandios ketzerischer Unsinn,
wie der Biologe der Expedition prompt einwirft. Scott will 300 Jahre Darwin
einfach in die Tonne treten? Aber Elizabeth ist eine Gläubige, als Zeichen
ihrer Überzeugung trägt sie ein Kreuz um den Hals. Glaube ist in „Prometheus“ ein Ausdruck freien Willens, nicht größtmöglicher
Verblendung. „Das ist es,“ erklärt sie, „an was ich mich zu glauben entschieden
habe.“
Ridley Scotts Film präsentiert sich also früh
als aufwändiges Pastiche synkretistischer Glaubensansätze. Somit läuft
er nie Gefahr, es sich bei seiner Auslegung der Evolutions- und Heilsgeschichte
mit einer religiösen Fraktion im amerikanischen Publikum zu verscherzen.
Christen, Kreationisten, Gnostiker, sie alle werden von Scott gleichermaßen
bedient. Nur die „Pro Life“-Aktivisten, so viel sei verraten, bleiben auf der
Strecke. Irrwitziger Höhepunkt von „Prometheus“ ist eine vollcomputerisierte Abtreibung per Kaiserschnitt,
während der vollentwickelte Alienfötus bereits gegen die Bauchdecke
strampelt.
Krieg der Sterne, in echt
Der „Alien“-Komplex hat sich aufgrund seiner thematischen Offenheit
über die Jahre als äußerst anschlussfähig erwiesen. Kulturwissenschaftliche
Abhandlungen füllen heute mehrere Regalmeter in Universitätsbibliotheken,
und die Popkultur hat sich mit Actionfiguren, Comics und einem „Alien vs Predator“-Ableger umfassend an den Bildern abgearbeitet, die Scott
1979 in die Welt gesetzt hatte. Übergreifendes Sujet der „Alien“-Erzählung ist die Kritik am militärisch-industriellen
Komplex, verkörpert durch die Weyland Corporation, deren Ziel darin besteht,
die aggressive Lebensform für zukünftige Kriege zu züchten. „Nur
seine Feindseligeit übertrifft noch seine perfekte Struktur,“ erklärte
der Androide Ash im ersten Scott-Film voller Bewunderung.
Doch der Zyklus war immer auch tagespolitischen Aktualisierungen
unterworfen. James Camerons zweiter Teil „Aliens“ (1986) entstand auf dem Höhepunkt von Ronald Reagans
„Star Wars“-Programm, und auch wenn noch ein verhaltener Kommentar zur imperialistischen
Außenpolitik der USA durchschien, ebnete das martialisch aufgerüstete
Sequel dem Actionkino der achtziger Jahre ideologisch den Weg. Zehn Jahre später,
rechtzeitig zum wissenschaftlichen Durchbruch in der Stammzellenforschung, kämpfte
ein Alien-Mensch-DNA-Klon der Protagonistin Ellen Ripley an der Seite eines
weiblichen Replikanten gegen eine neue, genetisch verbesserte Alien-Spezies
(„Alien – Die Wiedergeburt“).
So entwickelten die Themen, die Scott mit „Alien“ im Science-Fiction-Genre implementiert hatte, mit jedem
Sequel eine neue Eigendynamik. Unverändert blieb der Subtext von Scotts
Original: „Alien“ war der erste Science-Fiction-Film mit einer dezidiert
„weiblichen“ Agenda. Fortpflanzung, Mutterschaft und Evolution zogen sich durch
den Zyklus, wenn auch keiner der vier Filme von einer Regisseurin inszeniert
wurde. Sigourney Weavers Ripley war Kriegerin und Mutter – ein Doppelmotiv,
das in den Sequels an Kontur gewann.
Riskierte Ripley in „Alien“ ihr Leben noch für die Bordschmusekatze, nahm sie
sich in „Aliens“ symbolisch eines überlebenden Siedlermädchens
an, das sich vor dem Angriff der Monster in Sicherheit bringen konnte. Der finale
Showdown, in dem Ripley mit einem Flammenwerfer die eierlegende Königin
tötet, war auch ein Kräftemessen zweier grundsätzlich verschiedener
Mutter-Modelle. Im dritten „Alien“-Film (1992) brachte Ripley selbst ein Kind zur Welt, ein
Babyalien allerdings, für dessen Tod sie mit dem eigenen Leben bezahlte.
Dieses Opfermoment, ebenso wie die Tötung des bereits
menschenähnlichen Alien-Nachwuchses in „Alien – Die Wiedergeburt“ sind rückblickend als Vorwegnahme der Kaiserschnitt-Szene
aus „Prometheus“ zu verstehen. Der Akt der Euthanasie rührt auf
dramatische Weise an den vielgestaltigen religiösen Motiven und philosophischen
Bezügen des Films. Scott behandelt gleichermaßen Fragen des Lebens
– des ewigen Lebens, um genau zu sein – wie eine Pragmatik des Überlebens.
Doch während letztere den Anforderungen des Genres entspricht, begibt er
sich mit der Frage nach den Ursprüngen der Menschheit auf heikles Terrain.
Da ist es um so bewundernswerter, mit welcher Ernsthaftigkeit Scott an seiner
alternativen Schöpfungslehre zimmert, um dem verrufenen Sujet des Sommer-Blockbusters
wieder etwas Ansehen angedeihen zu lassen.
Woher also kommen die „Ingenieure“? Leben sie noch? Und
zu welchem Zweck haben sie die Menschen erschaffen? Kaum ist die Crew der Prometheus
auf dem fremden Planeten gelandet (wenige Tage vor Weihnachten, nach christlichem
Kalender bekanntlich die Ankunft des Erlösers), überschlagen sich
die Ereignisse und theologischen Spekulationen. In einer spektakulären
Gewölbekuppel stoßen die Forscher auf die Reste einer hochentwickelten
Zivilisation von humanoiden Riesen. inklusive einer Sammlung urnenartiger Gefäße.
Zurück an Bord bringen die Crewmitglieder den Tod.
Evolution, im Kino
Ein fremder Organismus befällt Holloway, der noch
in derselben Nacht seine unfruchtbare Freundin schwängert. Doch es ist
kein Christkind, das da in Elizabeth heranwächst. Die Schwangerschaft wird
sich für die Gläubige als schwere Prüfung erweisen. „Wie fühlt
es sich an, wenn dein Gott dich verlassen hat?“, will David, der künstliche
Wissenschaftsoffizier der Prometheus, von Michael Fassbender mit snobistischer
Ironie gespielt, wissen und reißt ihr das Kreuz vom Hals. Ein gottloser
Akt in einem an Gottlosigkeiten nicht armen Film.
In der antiken Sage wurde der Titan Prometheus aus dem
Olymp verbannt, weil er den Menschen das Feuer brachte und sie damit auf eine
Stufe mit den Göttern stellte. Bei Ridley Scott sind es die Menschen selbst,
die sich anmaßen, mit den Göttern zu konkurrieren: Die Reise der
Prometheus geht auf die Initiative des greisen Gründers der Weyland Corporation
zurück, der mit den „Ingenieuren“ Kontakt aufzunehmen versucht, um das
Geheimnis ewigen Lebens zu erfahren. Die haben allerdings andere Pläne
mit ihrer missratenen Schöpfung. Die Gefäße im Gewölbe
sind für die Erde bestimmt, der vermeintliche Heimatplanet der „Ingenieure“
entpuppt sich als Todesfabrik. „Wer wäre schon so blöd, Massenvernichtungswaffen
vor seiner eigenen Haustür zu produzieren?“ Der Menschheit ist dem Untergang
geweiht. Die Ankunft des Heilands vor 2.000 Jahren war lediglich eine Gnadenfrist.
Was das alles mit den Aliens zu tun hat? Statt eines
Erlösers wird am Weihnachtsabend des Jahres 2089 ein Engel des Todes in
die Welt gesetzt. Die Giger-Kreatur erhebt sich in endgültiger Gestalt
brüllend aus den dampfenden Überresten ihres Wirts.
In der Marktlogik des Kinos ist die Evolution ein nicht
endender Kreislauf.
Andreas Busche
Dieser Text ist zuerst erschienen in: Der Freitag
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Prometheus - Dunkle Zeichen
USA 2012 - Originaltitel: Prometheus - Regie: Ridley Scott - Darsteller: Noomi
Rapace, Michael Fassbender, Guy Pearce, Idris Elba, Logan Marshall-Green, Charlize
Theron, Rafe Spall, Sean Harris, Kate Dickie - FSK: ab 16 - Länge: 124
min. - Start: 9.8.2012
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