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Public
Enemy No. 1 – Mordinstinkt
Jacques Mesrine war zu Lebzeiten eine
Gangster-Legende und der Film "Public Enemy No. 1" gibt dem großartigen
Vincent Cassel die Chance, zu zeigen, warum.
Der Split-Screen, das Auftrennen der Leinwand
in mehrere Bilder, ist im Kino der letzten
Jahre meist ein Ambitionen anzeigendes Merkmal. Von Mike Figgis' "Timecode"
und "Hotel" (vier Bilder) bis zu den "Tracey Fragments"
(großes Splitscreen-Durcheinander) von Bruce McDonald. Als "24"
noch eine innovative Fernsehserie war - in den ersten ein bis zwei Staffeln
also -, setzte sie auch stark auf das den Fokus zerstreuende Mehrfach-Bild-Konzept.
In jüngeren Filmen taucht der Splitscreen neuerdings an einer sehr speziellen
Stelle auf: nämlich im Vorspann. Zu bewundern sein wird das im nächste
Woche anlaufenden "Duplicity" mit Julia Roberts und Clive Owen. Und
bereits in dieser Woche zu bestaunen ist es im diese Woche in deutschen Kinos
startenden französischen Blockbuster "Public Enemy No. 1".
Vom Ende her erzählt der Film seine
Geschichte. Und dies Ende - die Erschießung des Verbrechers Jacques Mesrine
im Jahr 1979 - zeigt der Anfang eben im Split-Screen-Verfahren. Eine Fahrt durch
Paris, Mesrine (Vincent Cassel) und seine Freundin (Ludivine Sagnier), dank
den Aufnahmen aus verschiedenen Winkeln ist da gleich ein latentes Bedrohungsgefühl
in den Bildern. Dann öffnen sich vor dem Wagen Mesrines die Ladetüren
eines Lasters, man sieht Menschen mit Gewehren, Schüsse fallen und der
Staatsfeind ist tot.
So erzählt man einzig und allein
von Legenden. Der deutsche Titel buchstabiert denn auch, was in Frankreich als
bekannt vorausgesetzt werden kann, in englischer Sprache aus.
Der Mann, der im Zentrum des Films steht, ist von Überlebensgröße,
er ist der Public Enemy No. 1. Das ist ziemlich viel Ehre für einen Mann
wie Jacques Mesrine, der kein politischer Terrorist war, schon gar nicht ein
Mann der radikalen Linken. Als ewiger Gangster und Ausbrecherkönig kam
er vielmehr zu Ruhm. (Die in politischer Hinsicht interessantere Geschichte
wäre, dies nebenbei, die des international gesuchten Terroristen Carlos.
Über ihn dreht der auch sehr viel interessantere Regisseur Oliver Assayas
gerade in deutsch-französischer Koproduktion einen fünfstündigen
Fernsehfilm in drei Teilen. Es ist das spannende Konkurrenzprojekt nicht nur
zu diesem Film, sondern viel eher noch zu Uli Edels und Bernd Eichingers "Baader
Meinhof"-Machwerk.)
Dass Mesrine auf die Rechte gehört,
macht ein kurzer Prolog klar, der ihn in Algerien auf der Seite der französischen
Kolonial-Unterdrücker zeigt. Auch danach ist er nicht in die Geschäfte
der Revolution, sondern einzig der Mafia verstrickt. Auftritt Gerard Depardieu
als Mafiapate Guido, massiger denn je. Aufstieg des Jacques Mesrine, der erst
eine Bank und dann auf der anderen Straßenseite eine andere Bank macht.
Abtritt Gerard Depardieu als Mafiapate. Das ist die Kurzfassung des Beginns
der Verbrecherlaufbahn Mesrines.
Er muss dann fliehen, nach Kanada. Er
kommt in den Knast. Jean-Francois Richet hetzt durch die Karriere Mesrines,
und das, obwohl er sich alles in allem vier Stunden Zeit nimmt. (Der zweite
Teil - Untertitel: Todestrieb - kommt am 21. Mai in deutsche Kinos.)
Er erzählt linear, er bringt dabei auch noch eine Liebesgeschichte unter
(Cecile de France). Im kanadischen Knast verspricht Mesrine, als er ausbricht,
dass er die, die zurückbleiben müssen, da rausholen wird. Der Mann
macht keine Sprüche, sondern hält in einer Aktion, die grandios größenwahnsinnig
ist, sein Versprechen. Bzw. lässt es am Willen dazu nicht fehlen.
Der Film folgt den Memoiren, die Mesrine
selbst verfasst hat. Von großer Distanz zu seinem Protagonisten kann schon
deshalb nicht die Rede sein. Der Glamourisierung der Figur setzt "Public
Enemy No. 1" denn auch herzlich wenig Widerstand entgegen, ausdrückliche
"Bonnie
and Clyde"-Reminiszenzen
inklusive. Aber was soll man sagen: Natürlich ist Vincent Cassel als Verkörperung
des Gangsters eine Schau und ein Darsteller mit seiner Präsenz und seiner
Physis schon mehr als die halbe Miete für einen solchen Film. Der ist mal
mehr, mal weniger spektakuläres Kino der Attraktionen und hat einen Diskurs
zu gesellschaftspolitischen Fragen so wenig im Sinn wie Mesrine selbst. Das
ist einerseits schon ganz angemessen, andererseits doch arg problematisch und
in jedem Fall wohl der Grund für seinen Riesenerfolg.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen in: www.perlentaucher.de
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Public
Enemy No. 1 - Mordinstinkt
Frankreich / Kanada / Italien 2008 - Originaltitel: Mesrine : L'instinct de Mort - Regie: Jean-François Richet - Darsteller: Vincent Cassel, Cécile De France, Gérard Depardieu, Roy Dupuis, Gilles Lellouche, Elena Anaya - Länge: 114 min. - Start: 23.4.2009
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