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Der
Räuber
Maskenmann, wortlos im Laufrausch: ,,Der Räuber"
Wer dauernd läuft, ist unzugänglich: wie der Haftentlassene, der wortkarg und ohne Gesichtsausdruck in Wien wohnt, Marathon läuft und Banken überfällt, letzteres rauschartig, einmal gleich zwei hintereinander. Die Beute bleibt im Versteck liegen, stiftet weder Wert noch Sinn. Das gilt auch für die Inszenierung der Titelfigur und ist ein großes Plus von ,,Der Räuber": Man hätte den Film gern noch abstrakter und unzugänglicher. Leider erspart er uns nicht ein paar (kaum spielbare) Signifikanz schindende Sager in Sachen ,,existenzielle Zuspitzung vs. leeres Dahinleben". Doch in der zweiten Hälfte – nach manch starker Loser-Liebesszene zwischen Räuber und Exfreundin (Franziska Weisz) in einem 1950er-Museum von einer Wohnung – läuft er zur Bestform eines understateten Actionkinos auf: Die endlose Flucht per pedes und PKW vor der Polizei ins Wiener Umland hat mehr von Bresson und Melville als von Austrotristessekino. Hinzu kommt die interfilmische Intimbeziehung von "Der Räuber" zu Kathryn Bigelows "Point Break": Beide führen eine Ökonomie des Adrenalinkicks von außen vor und bieten irres Handkameralaufstakkato, und die Präsidentenmasken von Bigelows Bankräubern waren 1991 Hollywood-Echos der Fahndungsbilder jenes ,,Pumpgun-Ronnie" aus Wien, auf dessen Lebenslauf (wie auch auf Martin Prinz' Roman) ,,Der Räuber" basiert. Dass der statt Ronnies Reagan-Maske eine anonyme Larve trägt, wirkt wie eine filmische Wendung vom Obszönen der Politik ins Jedermannhafte; den umgekehrten Weg ging Regisseur Benjamin Heisenberg 2005 in seinem Debüt "Schläfer" (in dem Terrorparanoia eine Freundschaft ruiniert). Unter der Maske: Andreas Lust, der konzentriert spielt und obsessiv läuft wie schon in "Revanche", diesmal ohne Schuldgefühl, Psychoballast oder nur ein Gramm Fett. Super Body, super Antlitz, mit einem Hauch von Boris Karloff – auch er eine Filmikone solcher Outsider, die ohne Worte und Seele rührend sind.
Drehli Robnik
Dieser Text ist zuerst erschienen im: falter (Wien)
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Der
Räuber
Österreich
/ Deutschland 2009 - Regie: Benjamin Heisenberg - Darsteller: Andreas Lust,
Franziska Weisz, Florian Wotruba, Johann Bednar, Walter Huber, Josef Romstorffer,
Johannes Handler, Nina Steiner - FSK: ab 12 - Länge: 98 min. - Start: 4.3.2010
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