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Redacted
Das Hauptproblem des Anti-Kriegsfilms
steckt in der Erzählperspektive. Die auktoriale Sprecherposition taugt
nicht dazu, die Komplexität des Krieges in seiner ganzen Grausamkeit zu
erfassen. Jeder Versuch der Objektivierung ist daher zwangsläufig zum Scheitern
verurteilt, auch weil eine objektive Position zum Krieg a priori unmöglich
ist. Genauso wenig eignet sich aber auch die Zeugenschaft des Soldaten für
eine kritische Betrachtung des Krieges, allein schon durch die Tatsache, dass
sein Erfahrungsprozess immer nur einseitig verläuft. Brian de Palma umgeht
mit „Redacted“ dieses Problem einer dominanten und damit tendenziell immer auch
autoritären Erzählhaltung mit Hilfe eines formalen Experiments. „Redacted“
ist weniger Film als filmisches Kaleidoskop von verschiedenen pseudo-authentischen
Sprecherpositionen: das Videotagebuch eines Soldaten, Kriegsblogs, Überwachungsaufnahmen,
Bilder eines arabischen Nachrichtensenders und eine gefakte französische
Kriegsdoku (die einzigen Bilder von filmischer Qualität). De Palma zollt
der Bildmächtigkeit des Kriegs im 21. Jahrhundert Tribut, indem er die
multilateralen Erzählströme der modernen Kriegsberichterstattung gleichwertig
nebeneinanderstellt. Die Hierarchie der Massenmedien ist spätestens seit
dem Irak-Krieg überholt.
Auf dem Papier klingt das beinah godardesk,
und tatsächlich verkündet einer von De Palmas Protagonisten an einer
Stelle, dass seine Videokamera die Wahrheit und nichts als die Wahrheit einfangen
wird – 24 mal die Sekunde. Unter den Bedingungen
des Krieges bleibt das natürlich eine schöne Illusion. De Palma hält
dem Kipling entgegen, wenn er einen der Soldaten in die Kamera sagen lässt,
dass die Wahrheit das erste Opfer des Krieges („first casualty of war”) sei
– und damit auch indirekt auf seinen inzwischen fast zwanzig Jahre alten Film
„Die Verdammten des Krieges”
(„Casualties of War“) verweist, der eine ähnliche Geschichte erzählte.
„Redacted“ ist inspiriert von einer wahren Begebenheit: der Vergewaltigung eines
fünfzehnjährigen irakischen Mädchens durch amerikanische Soldaten.
Bei seiner Premiere in Venedig letztes
Jahr wurde “Redacted” – im direkten Vergleich mit dem thematisch verwandten
“Im
Tal von Elah” (Regie:
Paul Higgis) - äußerst kontrovers aufgenommen. Der Unterschied zwischen
beiden Filmen ist offensichtlich: Mit einem unabhängigen Produzenten im
Rücken (der Firma HDNet Films des Hobby-Philantropen Mark Cuban) hat De
Palma den ersten ernsthaften Kommentar Hollywoods zum amerikanischen Irak-Einsatz
abgeliefert, ein krasser Bruch mit filmischen Sedativen wie “Machtlos” oder
auch Higgis’ Film, die immer noch mit der eigenen Trauerarbeit beschäftigt
waren. Kaum verwunderlich also, dass “Redacted” es in Deutschland nicht in die
Kinos geschafft hat. Es ist ein unverhohlen wütender Film, der sich mit
seinen mitunter grellen Überzeichnungen (gerade was die Darstellung der
amerikanischen Soldaten angeht) oftmals unnötigerweise selbst im Wege steht.
De Palma war noch nie ein Mann der moderaten Töne; seine Filme neigen von
jeher zu pompösen Gesten und plumpem Voyeurismus. Mit “Redacted”, seinem
interessantesten Film seit einer gefühlten Ewigkeit, hat er jetzt allen
gezeigt, dass er auch nach vierzig Jahren im Filmgeschäft noch verdammt
ungemütlich werden kann.
Andreas Busche
Dieser Text ist (in gekürzter
Form) zuerst erschienen in: epd Film
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Redacted
REDACTED
USA 2007
87 Minuten
Regie: Brian de Palma
Kamera: Jonathon Cliff
Schnitt: Bill Pankow
Darsteller: Patrick Carroll, Rob Devaney, Izzy Diaz, Ty Jones, François
Caillaud
DVD
Erschienen
bei: Kinowelt Home Entertainment
Veröffentlichungsdatum:
06.02.2009
Bildformat:
1,78:1 (anamorph)
Ton/Sprache:
Dolby Digital 5.1, Deutsch, Englisch
Extras:
Interview
mit Brian de Palma, Interviews mit Flüchtlingen, Hinter den Kulissen, Trailer
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