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Religulous
– Man wird doch wohl
fragen dürfen
Der
US-Comedian Bill Maher hat in "Religulous" zwei Stunden lang nichts
besseres zu tun, als sich gelegentlich schon sehr komisch über den Glauben
als Verrücktheit lustig zu machen.
Um Religion geht es in "Religulous",
dem Film, mit dem der prominente US-Comedian Bill Maher im letzten Jahr nicht
nur viele Rechtgläubige mehr oder minder aller Religonen gegen sich aufbrachte,
sondern auch an den US-Kinokassen abräumte. An die 13 Millionen Dollar,
die er einspielte, kam kein anderer Dokumentarfilm des Jahres nur annähernd
heran. (Nur zum Vergleich: Errol Morris spielte mit seiner Guantanamo-Kritik
"Standard
Operating Procedure"
läppische 300.000 Dollar ein.) Nicht nur Religion, auch Religionskritik
ist offenbar ein einträgliches Geschäft.
Simpel freilich ist der Ansatz, simpel
ist auch die These. Sie lautet, wie der mindestens doppelt lesbare Titel-Pun
von "Religulous" schon verspricht: Religion ist eine lächerliche
("ridiculous") Angelegenheit für leichtgläubige ("credulous")
Menschen. Sie verleitet die Leute dazu, den größten Unsinn für
bare Münze zu halten und den Verbreitern
des Unsinns im Gegenzug bare Münzen in den Klingelbeutel zu werfen. Einem
schwarzen Prediger etwa, der im Gespräch mit Maher denn doch seine Mühe
hat, den allzu edlen Zwirn, den er am Leib trägt, dem Herrgott, in dessen
Namen er spricht, in die Schuhe zu schieben.
Der Film und Bill Maher machen es sich,
a la Michael Moore, ziemlich leicht. Sie suchen die ganze westliche Welt - und
die nahöstliche auch - ab nach möglichst verrückten Vertretern
ihrer jeweiligen Religion und führen sie im Gespräch mit dem schlagfertigen
Comedian Maher als typische Gläubige vor. Das ist immer wieder ziemlich
amüsant, etwa beim Besuch Mahers in einem gewissen Halperin-Institut, das
es sich zur Aufgabe gemacht hat, Maschinen zu bauen, mit deren Hilfe sich der
Buchstabe des jüdischen Glaubensgesetzes in Sachen Sabbat-Handlungsverbot
mehr oder minder listig umgehen lässt. Das führt sich selbst schon
derart ad absurdum, dass Mahers Triumphgesten - unterstützt noch vom albernen
Sounddesign des "Borat"-Regisseurs Larry Charles - in ihrer
Redundanz manchmal schwer erträglich sind.
Ein aparter Sonderfall immerhin ist Jesus
Miranda, der wiedergeborene, leicht schmierig ausgefallene Christus, der zu
belegen versucht, warum er in direkter Linie von des Erlösers Erstausgabe
abstammt. Außerdem verkündet er die für seine Anhänger
gewiss außerordentlich frohe Botschaft, dass es die Hölle und überhaupt
Sünden, seit er auf Erden zurückgekehrt ist, schlicht und einfach
gar nicht mehr gibt. Im Gespräch mit zwei Ex-Mormonen wird der Humbug serviert,
den man in Utah so glaubt. Auch ein von seiner schweren Krankheit durch bloße
Kraft seines Willens zur Besserung genesener Ex-Schwuler - Frau, drei Kinder!
- hat gegen den Schwulenehe-Vorkämpfer Bill Maher naturgemäß
einen schweren Stand.
Maher hat mit vielem ja recht,
aber er macht es sich einfach zu leicht. Mit atemberaubender Selbstgefälligkeit
gibt er vor, nichts als den Zweifel zu lehren, aber die rücksichtslose
Verachtung der Glaubenden lehrt er auch - mit Ausnahme einer Szene ganz am Anfang,
in der eine kleine Gruppe gläubiger Trucker einen harmlosen bis menschenfreundlichen
Eindruck machen darf. Allen anderen Vertretern der Gegenseite fährt Maher,
fährt spätestens dann die Regie mit geschickt angesetzten Schnitten
rabiat über den Mund. Das macht durchaus Freude bei den Allerdurchgeknalltesten
- dem Rabbi etwa, der sich mit Ahmadineschad verbündet und eine Wiederkehr
des Holocaust wünscht, auf dass das Volk Israels dadurch auf den Weg des
ultrarechten Glaubens geführt werde.
Auf der lang und länger werdenden
Strecke von 120 Minuten aber führt Mahers fortgesetzte Rechthaberei zu
Verdruss. Wer einen Fetzen jenes Widerspruchsgeists im Leib hat, den Maher als
eigenen Antrieb zur Religonskritik verkauft, wird sich dabei ertappen, schon
aus Trotz an im Grund eher nicht geteilten Positionen Gefallen zu finden. Ist
doch eigentlich eine schöne Sache, der Schaukasten mit neben einem Menschenkind
grasenden Dinosauriern im Kreationismus-Museum. Oder die grandiose Idee eines
Gottes, der neben dem Stern Kolob auf seinem Mormonen-Planeten mit seinen ungezählten
Frauen und Kindern lebt. Und die Chuzpe des wiedergekehrten, die Sünde
predigenden kleinen dicken Erlösers, ist die nicht auch ein bisschen bewundernswert?
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen am 1.4.2009 in: www.perlentaucher.de
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Religulous
- Man wird doch wohl fragen dürfen
USA 2008 - Originaltitel: Religulous - Regie: Larry Charles – Mitwirkende: Bill Maher, Jose Luis De Jesus Miranda, Jerry Cummings, Rabbi Yisroel Dovid Weiss, Pater George V. Coyne, Pfarrer Joe Copeland, Mark Pryor - Länge: 101 min. - Start: 2.4.2009
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