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Résiste
–
Aufstand der Praktikanten
Wer
nach Jahren der Ausbeutung durch Praktika beschließt, seinerseits als
Vermittler von Praktika und Berater von Praktikanten auf die Seite der Ausbeuter
zu wechseln, hat offenbar etwas bei der Arbeit gelernt. Auf der Strecke bleiben
so nur jene Praktikanten, denen nichts Besseres einfällt, als sich um das
nächste Praktikum zu bewerben. Als Jungunternehmer hat der ewige Praktikant
Till einigen Erfolg, der ihn schließlich sogar davon abbringt, die Arbeit
seiner Firma als subversiv zu verstehen. Darauf gar nicht gut zu sprechen sind
seine Eltern, aufrechte Alt-68er, die in einer mit allerlei nostalgischen APO-Devotionalien
ausgestatteten Kneipe die Schmidt-, Kohl-, Schröder- und Merkel-Jahre ausgesessen
haben und noch immer wissen: Die Grundidee der RAF, die war gut, nur die Mittel
zur Umsetzung haben nicht gepasst. Till hat seine Eltern lange nicht mehr gesehen.
Dafür begegnet er seiner Jugendliebe, der französischen Aktivistin
Sydelia, die immer noch von Veränderung und Widerstand träumt, Rosa
Luxemburg zitiert und Till wie „Che Guevara auf Speed“ erscheint. Allerdings
hat Till, ein Röntgenbild zeigt dies genau, dort, wo im Gehirn die Abteilung
für schwierige moralische Entscheidungen sitzt, einen Knoten. Ihm wird
also noch zu helfen sein!
Jonas
Grosch („Der
Weiße mit dem Schwarzbrot“,
fd 38760) will mit den Mitteln der Komödie dazu anregen, über die
Problematik der „Generation Praktikum“ nachzudenken. Schließlich liegt
es im Trend kapitalistischer Gesellschaften, Arbeit nicht einmal mehr symbolisch
zu entlohnen und die Brauchbarkeit eines Arbeitnehmers durch seine Lust an der
Selbstausbeutung zu bemessen. Grosch wählt stark schematische Figuren,
die in einer leicht verfremdeten – das reduzierte Set des Großraumbüros
erinnert von fern an „Dogville“ (fd
361759) – und sichtbar stilisierten Realität Dialoge aufsagen, die aus
dem Fundus einer fast vergessenen Politisierung stammen. Zu den Momenten der
Stilisierung gehört der ganz in Weiß gekleidete Kapitalist Magnum
(eine Verbeugung vor Dr. Mabuse?), merkwürdig absent gespielt von Devid
Striesow, der immerhin weiß, dass es kein falsches Leben im richtigen
gibt. Oder war es umgekehrt? Grotesk überkandidelt ist auch die Szene,
in der sich der Unternehmer Feldmann in einer „Carwash-Szenerie“ von Hostessen
verwöhnen lässt und sich dadurch erpressbar macht, oder ein kurzer,
durch nichts motivierter Ausflug in die Welt der Martial Arts. Vielleicht zeigt
sich hier ein Einfluss von Steffen C. Jürgens, der nicht nur eine der Hauptrollen
übernommen hat, sondern selbst für Trash-Ikonen wie „Der
Generalmanager or: How to Sell a Tit Wonder“
(fd 38993) verantwortlich zeichnet. Für die „linke Ironie“ inklusive einem
„Bots“-Zitat ist eher Christof Wackernagel verantwortlich, der die nostalgischen
Ausflüge in die Historie mit dem nötigen Know How unterfüttert
und zugleich weiß: „Wir spielen hier doch nur Theater!“
„Résiste
– Aufstand der Praktikanten“ kann sich nicht so recht entscheiden, ob er Polit-Komödie
oder deren Satire sein will. So organisieren Till und Sydelia den „Aufstand
der Praktikanten“, indem sie deren praktische Qualitäten gewissermaßen
ins Politische umleiten, doch die „besten Kräfte des Landes“ wissen damit
nichts Besseres anzufangen, als „Wir sind Deutschland!“ in die Kamera zu rufen.
So wechselt der Film beharrlich die Tonlagen und torpediert sich letztlich selbst,
weil der Aufstand der Spaßguerilla nur in einem flammenden Appell an die
Moral der Herrschenden mündet. Die Praktikanten wollen nicht an den Fehler
im System heran, sondern nur ein bisschen Anerkennung. Um die unbedingte Feierwilligkeit
dieser „anpolitisierten“ Generation zu befriedigen, reicht es schon, wenn die
Bundeskanzlerin anruft und um ein Gespräch nachsucht. Wenn schlussendlich
eine „Agentur für Revolution“ als Startup gegründet wird, dann scheint
die Ineinssetzung von Comedy und Politik an ihr Ende gekommen. Oder ist diese
Agentur etwa eine Verbeugung vor Wladimir Iljitsch Lenin?
Ulrich
Kriest
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: film-Dienst
Résiste
- Aufstand der Praktikanten
Deutschland 2009 - Regie: Jonas Grosch - Darsteller: Katharina Wackernagel, Hannes Wegener, Sabine Wackernagel, Christof Wackernagel, Devid Striesow, Michael Kind, Steffen C. Jürgens, Fanny Staffa, Anja Knauer, Sebastian Schwarz - Länge: 95 min. - Start: 12.11.2009
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