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Der
Rosenkrieg – bis
daß der Tod uns scheidet
Ist
denn gar nichts mehr heilig?
Herr und Frau Rose machen ihr Haus kaputt,
oder Karriere und sexuelle Ökonomie in der tertiären Kultur – Danny
de Vitos Film »Der Rosen-Krieg«
Seine Methode (jedenfalls eine von dreien)
erklärt der Film von Danny de Vito schon im Vorspann; während wir
unter anderem erfahren, daß Michael Douglas, Kathleen Turner, Danny de
Vito und Marianne Sägebrecht die Hauptrollen spielen, das Drehbuch von
Michael Leeson stammt, der einen Roman von Warren Adler bearbeitete, und daß
Stephen H. Burum, A.S.C. für die Kamera und David Newman für die Musik
verantwortlich sind, fährt die Kamera über ein endloses weißes
Laken, auf dem, zwischendurch, eine Rose liegt. Wir denken an Unschuld einerseits,
und an Sex andrerseits. Nur ein sich liebendes Paar könnte dieses Spannung aufheben, aber als die Kamera endlich
sich von ihrem Objekt distanziert, da ist es ein Taschentuch, in das sich der
Rechtsanwalt, den Danny de Vito spielt, geräuschvoll schnäuzt.
Es geht also darum, daß Formen täuschen,
und auch in die reinste und unschuldigste Form früher oder später
irgendein biologischer oder kultureller Abfall befördert wird: Schmutz.
Er ist Scheidungsanwalt, und er erklärt einem Klienten, der sich mit Scheidungsgedanken
trägt, die Geschichte einer Liebe, einer Ehe, einer Scheidung, eine Geschichte,
die tödlich enden wird (das einzige, was wir nicht vorausahnen). Und wenn
jemand, der 450 Dollar die Stunde verdient, einem etwas gratis erzählt,
sollte man sehr genau zuhören. Das ist bereits Danny de Vitos Methode Nummer
2: Der Klient erliegt dieser Logik genau wie wir es tun, und nur ganz allmählich
dementiert der Film sie: In Wahrheit nämlich verschenkt der Anwalt keineswegs
etwas, er beutet seinen Kunden vielmehr schamlos aus, indem er ihn als wehrloses
Opfer seines psychomoralischen Coming Out benutzt. Und in Wahrheit betrügt
er den Zuhörer schließlich auch noch um eine »vernünftige«
moralische Pointe. Dadurch hat der Regisseur, ein böses, intelligentes
Kerlchen, der morality tale, die sich durch die gesamte Struktur des Films zieht,
schon die Glaubwürdigkeit gemopst. Aber es kommt noch schlimmer.
Alles beginnt wie immer in einer Screwball
Comedy: bei einer kleinen Auktion lernen sich Barbara und Oliver kennen, als
sie gegeneinander bieten. So ein Streit endet gemeinhin mit Liebe, so auch hier.
Es regnet, das macht die Kleider durchsichtig und ist auch sonst sehr sinnlich;
Barbara, die Turnerin, zeigt einen gekonnten Handstand, Oliver trotzt seinem
Grinsen das Höchstmaß an Charme ab. Es ist die große Liebe,
und auch sexuell ein Höhenflug: »je nachdem, was die Zukunft bringt,
bin ich entweder eine Schlampe, oder dies ist der romantischste Tag meines Lebens«,
sagt Barbara, und wie um diese falsche Qualität noch zu bekräftigen,
versichert Oliver ihr: »Wir werden unseren Enkeln davon erzählen«.
Wir haben mit der Liebe und mit dem Kino
so unsere Erfahrungen und sind deshalb längst nicht mehr überrascht,
daß es in der Geschichte des Ehepaars Rose nun kaum noch anderes geben
wird als den bedingungslosen gesellschaftlichen Aufstieg einerseits und sich
mehrende Zeichen einer Katastrophe andererseits. Es ist Weihnachten – und das
ist so ein Angelpunkt für diesen Familienfilm: diese dumpfe Disney-Pracht,
die die Familie mit Gewalt zusammenführt, ist wie geschaffen für Zusammenbrüche
(und Zimmerbrände) – ausgelassen wird hier nichts. Oliver muß arbeiten,
und die Kinder stören ihn, Barbara kommt nach Hause, gestreßt und
entschlossen. Ein Stern für die Spitze des Weihnachtsbaums scheint ihm
zu geschmacklos, sie gibt noch einmal nach (natürlich prangt dieser Stern
Jahre später, als Weihnachten nicht einmal mehr eine Kampfpause im »War
of the Roses« bedeutet, wieder am Baum); in die gereizte Stimmung schlägt
sie ihm einen Spaziergang vor; da platzt alles vor Weihnachtlichkeit, und sie
schenkt ihm einen sehnsuchtsvoll erhofften Sportwagen. Da ist er wieder überglücklich.
Die Beziehung, so hat der Film uns mit
wenigen Szenen erklärt, ist im Zustand der Verdinglichung. Man kommuniziert
über Sachen, für die sowohl die Arbeit des Aufstieges, als auch die
gegenseitige Unterdrückung sich gelohnt haben soll. Und die Kinder. Barbara
schenkt Söhnchen und Töchterchen Süßigkeiten, Oliver ist
dagegen, sie würden sonst süchtig nach dem Zeug, kann aber sonst auch
nichts mit ihnen anfangen. In der nächsten Einstellung sind die beiden fette verfressene Teenager geworden, die überdies
von ihren Eltern in hautenge Trikots gezwängt und zu sportlichen Aktivitäten
gedrängt werden.
Und die Roses
sind ein erfolgreiches amerikanisches Ehepaar. Er ist Sozius in einer Anwaltskanzlei,
sie richtet das Heim ein, mit soviel »Geschmack«, daß man
dahinter die Schreie hört. Dieser Aufstieg funktioniert nur, wenn man sich
gegenseitig gnadenlos benutzt, und der Gewinner ist dabei der Mann, vielleicht
auch, weil er nur der schnellere Verlierer war. Die Geschäftspartner werden
zum Essen eingeladen, Barbara soll dabei wie eine Marionette ihre Texte aufsagen
und Gesten herunterspielen; sie soll charmant sein, aber doch nicht so charmant
wie ihr Mann, der genau zu wissen meint, wie man eine Geschichte um wertvolle
Weingläser erzählt, damit man erfolgreich, amüsant und kultiviert
erscheint.
Wie eine Gesellschaft funktioniert, sieht
man auch daran, was Karrieren aus Menschen machen: die Karriere ist ein Gesamtkunstwerk
geworden, das längst die traditionelle bürgerliche Trennung in den
Bereich des Öffentlichen und Privaten aufgehoben hat. Wer Karriere machen
will, muß das Private öffentlich machen (und so haben sich das die
Kneipenklo-Schreiber nicht vorgestellt).
Barbara findet nun ein Haus, ein Traum,
und sie wird die nächsten Jahre damit verbringen, es in eine ebenso perfekte
wie museale Form zu bringen. Je mehr man ein Haus vervollständigt, desto
mehr wird es ein Grab. Und desto mehr will es nur noch einem einzigen Menschen
gehören, der darin und mit all seinen Grabbeigaben, die ihm des Lebens
»Erfolg« eingebracht haben, sterben will. Oder könnte er, befreit,
doch darin leben?
Jeder der beiden Roses will es wenigstens
versuchen. Oliver kommt nach einer Herzattacke, die sich dann als ebenso gewaltige
wie harmlose Blähung erweist, ins Krankenhaus. Dabei erkennt Barbara, daß
nichts ihr so lieb gewesen wäre, wie wenn Oliver gestorben wäre. Sie
verlangt die Scheidung und schlägt ihm zur Bekräftigung auf die Nase.
Was nun folgt, ist der mechanische Teil
des Films (de Vitos dritte Methode), der mit allen Mitteln geführte Kampf
der beiden um das Haus. Das Werkzeug dazu ist eine besondere Form der Auseinandersetzung
im Slapstick-Format: der Slowburn, den wir vor allem von Laurel
& Hardy kennen. Die
eine Variante des Slowburn konfrontiert jemanden mit einer solchen Niederträchtigkeit
seines Kontrahenten, daß er sie geraume Zeit nicht einmal begreifen kann;
fassungslos starrt er auf die von seinem Gegner angerichteten Zerstörungen,
ohne einer angemessenen Reaktion fähig zu sein. Die zweite, bedeutendere
Version des Slowburn, verrät stattdessen die Taktik der Eskalation: Nun
betrachtet man die niederträchtige Zerstörungsaktion seines Kontrahenten
sehr genau, aber ohne direkt darauf zu reagieren: geduldig wartet man ab, bis
er sich in seiner Zerstörungswut erschöpft hat. Erst in diesem Stadium
geht man, ebenso überlegt und planmäßig dazu über, einen
Zerstörungsakt von noch größerer Niedertracht durchzuführen.
Entscheidend dabei ist, daß alles Gegenstand solcher kunstvollen Aggression
sein darf, nur nicht der Körper des anderen: man führt Krieg gegen
seine Sachen. Das ist eine sehr bürgerliche Art der Kriegsführung,
die den Vorteil oder Nachteil hat, wie man's nimmt, erst mit dem völligen
Ruin dessen beendet werden zu können, was die Kontrahenten besitzen. Wichtig
dabei ist noch, daß der Zerstörungsakt umso gelungener und umso lustiger
ist, je mehr die jeweils zu vernichtenden Besitztümer emotional aufgeladen
sind. Am allerlustigsten ist es, wenn jemand einem anderen, mit dem ihn vor
nicht allzu langer Zeit eine durchaus menschliche Beziehung verbunden hat, das
liebste kaputtmacht, was er auf der Welt hat.
Die Mechanik des Rosenkrieges schließt
die Zerstörung von Katzen, Hunden, Autos, Kunstgegenständen und Einrichtungen
ein. Der eigentliche Witz der Anwendung des Slapstick-Verfahrens auf die Beziehungskiste
besteht darin, daß die Gegenstände (und, nach und nach, auch die
sozialen Beziehungen), die man dem Gegner kaputtmacht, immer auch die eigenen
sind. Daher ist das Ende, die Zerstörung
des Hauses und der gemeinsame Tod am Kronleuchter nur folgerichtig. Oliver streckt
im Sterben seine Hand nach seiner Frau aus, und die schiebt sie mit letzter
Kraft beiseite. Das erinnert an die Schlußszene des gothischen Westerns
»Duel in the Sun«, wo Gregory Peck und Jennifer Jones sich gegenseitig
tödlich verwundet haben, um dann im Staub aufeinander zuzukriechen und
in einer letzten Umarmung zu sterben. Ja, ist denn gar nichts mehr heilig?
Danny de Vitos konsequenter Slapstick-Stil,
kommt gerade recht in einer Phase, wo Hollywood kaum etwas anderes so liebend
gern tut, als Babies die Familien, die Familien die Moral und die Moral den
Staat retten zu lassen oder das aufstrebende, skrupellose Neugroßbürgertum
der Reagonomics als liebenswerte Stadtneurotiker zu präsentieren. Der Slowburn, das ist nun wieder bei
Laurel & Hardy am besten zu studieren, ist die Rache der kleinbürgerlichen,
erfolglosen Fraktion an den prosperierenden Teilen einer neuen, durch schnelle
Modernisierung entstandenen Kategorie. Die Mechanik des Aufstieges (oder Nicht-Aufstieges)
spiegelt sich in der Art der Beobachtung: Mitleidlos beobachten wir einen Verteilungskampf,
in dem die Kontrahenten mit jeder Steigerung der Gewalt auch ein Teil ihrer
sozialen Identität verlieren. Als die Gewalt gegen Sachen nichts mehr nutzt,
sondern nun auch wieder den Körpern gilt, haben die Roses in ihrem Krieg
auch dessen Ziel verloren und sich in ihrem Mausoleum eingesperrt.
Der Film scheint hier und da seine eigenen
Gemeinheiten wieder zurückzunehmen (etwa, wenn der Hund, den die Frau dem
Mann gerade bei einem vorgeblichen Versöhnungstreffen buchstäblich
aufs Butterbrot geschmiert hat, in der nächsten, kurzen Szene im Bild ist),
aber vielleicht nimmt er noch viel genauer dieses Zurücknehmen wieder zurück.
Der Scheidungsanwalt, der uns dieses schwarze Märchen erzählt, (wozu
eigentlich? Soll der Klient deswegen Abstand von der Scheidung nehmen oder bloß
besser auf den kommenden Krieg eingestellt werden?), erklärt, nun selber
verheiratet zu sein und hält das für eine gute Idee. Wie das gekommen
ist und mit wem (vielleicht mit der sanften, deutschen, dicken Marianne Sägebrecht?)
läßt er offen. Von seinem Laster aber, das er längst überwunden
hat, und in das der Krieg der Roses ihn wieder zurückgestoßen hat,
nämlich das Kettenrauchen, hat ihn diese Wiederholungstat nicht befreit.
Kurzum, der Film tut so, als hätte er eine Moral, das ist ein ästhetischer
Trick, der mit unseren Kinoerfahrungen zusammenhängt, aber er hat keine,
und wenn er doch eine hätte, dann wäre sie auf nichts anzuwenden.
Höchstens auf Häuser.
Denn so sehr Hollywood wieder einmal die
Familie feiert, über allerlei Substitute, Unvollständigkeiten, Zerwürfnisse
hin rekonstruiert, was sich so wenig rekonstruieren läßt in einer
Welt, in der die millionenschweren Scheidungen alles zugleich sind: Wirtschafts-,
Kultur- und politische Nachrichten, so sehr fürchtet es sich doch seit
geraumer Zeit vor Häusern. Da können die Familien nur Opfer von Poltergeistern
werden, oder wenigstens, wie in »Geschenkt ist noch zu teuer«, von
irrsinnigen Handwerkern. In »War of the Roses« sind die Menschen
nur zu ihren eigenen Gespenstern geworden.
Die mythische Grundfigur für die
sexuelle Ökonomie ist nicht mehr die Verbindung sondern die Trennung. Nicht
von Traumhochzeiten, nur noch von Traumscheidungen kann unsere Presse phantasieren.
Insofern mag ein Film wie der von Danny de Vito in seinem humanistischen Slapstick
auch am Beginn einer neuen Romantik stehen, für die die amerikanische Dreieinigkeit
von Liebe, Haus und Karriere verändert oder nur neu formuliert wird. So
geht es nicht weiter, sagt der »War of the Roses«, und wir wetten
ein Porzellanservice gegen die Adresse eines guten Anwalts, daß es mehr
oder weniger doch so weiter geht.
Georg Seeßlen
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: konkret 04/1990
Der
Rosenkrieg - bis daß der Tod uns scheidet
THE
WAR OF THE ROSES
Regie: Danny DeVito
Buch: Michael Leeson
Vorlage: nach einem Roman von Warren Adler
Kamera: Stephen H. Burum
Musik: David Newman
Schnitt: Lynzee Klingman
Darsteller:
Michael Douglas (Oliver Rosen)
Kathleen Turner (Barbara Rosen)
Danny DeVito (Anwalt Gavin D'Amato)
Marianne Sägebrecht (Haushälterin Susan)
G.D. Spradlin (Harry Thurmont)
Sean Astin (Josh mit 17)
Heather Fairfield (Carolyn mit 17)
Peter Donat (Larrabee)
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