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Same
same but different
Same
same but very different? Detlev
Bucks neuer Film versucht sich in einer ruhigen Genremischung aus Drama und
Abenteuerfilm an den Möglichkeiten der Liebe im Schatten einer machtvollen
Krankheit.
Als Rucksacktouristen in Phnom Penh, der Hauptstadt von Kambodscha,
wollen Ben (David Kross) und sein Freund Ed (Stefan Konarske) in erster Linie
Spaß haben. Der Wechselkurs macht aus ihnen reiche Männer, die so
offenen Zugang haben zu Alkohol, Drogen und Sex. Inmitten dieser nächtlichen
Partywelt lernt Ben die Einheimische Sreykeo (Apinya Sakuljaroensuk) kennen.
Zuerst geht auch sie nur mit ihm in ein Hotelzimmer, um sich am nächsten
Morgen bezahlen zu lassen. Doch als beide sich später am Tag wieder treffen,
beginnen sie sich ineinander zu verlieben. Den Rest des Urlaubs verbringt Ben,
sehr zum Ärger Eds, Seite an Seite mit Sreykeo, und sogar als Ed die Heimreise
antritt, bleibt Ben in Kambodscha. Dort lebt er einige Tage auf engstem Raum
mit der Familie Sreykeos und lernt so nicht nur seine Freundin besser kennen,
sondern auch, was es heißt, in einer Stadt wie Phom Penh zu (über)leben.
Kurz vor seiner Abreise begleitet Ben Sreykeo wegen eines üblen
Hustens noch zu einem Arzt. Als dieser bei ihr eine Lungenentzündung diagnostiziert,
hilft Ben mit Geld für Medikamente aus. Wieder zurück im winterlichen
Deutschland, tritt er eine durch seinen Bruder vermittelte Praktikumsstelle
in einer Presseagentur an. Bens Familie und Freunde reagieren skeptisch auf
die Fernbeziehung und rechnen dieser keine lange Lebensdauer aus. Doch Ben ist
verliebt. Als Sreykeo sich dann via Skype bei Ben meldet, teilt sie ihm mit,
dass sie HIV-positiv ist, und bricht den Kontakt ab. Verwirrt und vor den Kopf
gestoßen, entschließt sich Ben doch, an der Beziehung festzuhalten,
und fliegt zurück nach Kambodscha, um an Sreykeos Seite zu sein. Dabei
stellen den beiden nicht nur die körperlichen und finanziellen Auswirkungen
der Krankheit fast übermenschliche Hürden in den Weg, sondern auch
der Zusammenprall zweier äußerst unterschiedlicher Kulturwelten.
Detlev Bucks Film lebt auf verschiedenen Ebenen von den Gegensätzen,
die er aufmacht und vertieft. Auf der Ebene der Narration ist dies der schon
oft bemühte clash of cultures, der die mitteleuropäische Kultur auf
die asiatischen Gepflogenheiten und Riten treffen lässt. Dabei handelt
es sich nicht nur um kulturelle Eigenarten, wie etwa den Wunsch von Sreykeos
Vater, Ben als zukünftiger Ehemann möge eigenhändig ein neues
Haus für die (Groß-)Familie bauen, sondern auch um Verhaltensweisen,
die das Leben in den ärmeren Regionen einer Metropole wie Phnom Penh mit
sich bringt. So reagiert Ben (und mit ihm der Zuschauer) anfänglich noch
irritiert, wenn Sreykeo ständig um mehr Geld bittet, um dafür Lebensmittel
für die Familie einzukaufen (oder es dann ihrer Mutter gibt, die es als
Einsatz beim Kartenspiel verliert). Während er anfangs als typisch westlicher
Rucksacktourist vorwiegend sein Vergnügen sucht, wandelt er sich im Laufe
des Films zum liebenden, wenn auch zögernden, Versorger für seine
kranke Freundin und spätere Frau, ohne dabei die aufgemachten Gegensätze
vollkommen zu neutralisieren.
Dass Same same but different auf einer wahren Begebenheit beruht, kann einen zunächst
dazu verleiten, über die Kohärenzschwächen
hinwegzusehen. Dennoch: Die Wandlung Bens ist nicht immer nachzuvollziehen und
wirkt oft plakativ und aufgesetzt. Den Kampf, den Ben mit sich und seinem Vorhaben
austrägt, deutlicher zu machen, hätte dabei nicht geschadet. So gibt
es viele Szenen, die den ruhigen und in sich gekehrten Ben zeigen, bei denen
die Nahaufnahme aber auch hier auf der Oberfläche seines Gesichts bleibt
und nicht in seine Gedanken eindringt. Kross’ Mimik lässt den Zuschauer
nicht erahnen, was in Bens Innerem vorgehen mag.
Auf einer anderen Ebene, die ein wenig mehr das „Dazwischen“ Bens
visualisieren möchte und dabei dennoch in letzter Konsequenz ebenso plakativ
und oberflächlich bleibt, vermittelt sich der Gegensatz der Kulturen über
die Bildkomposition. Während Phnom Penh in hellen, warmen Farben dargestellt
wird, zeigt Buck Deutschland in tiefem Winter, verschneit und mit verhangenem
grauem Himmel. Noch stärker wird diese Kälte in den Innenräumen
von Bens Firma betont, unter deren kühlem, entlarvendem Neonlicht eine
fast albern anmutende Sterilität herrscht. Auf die Spitze getrieben wird
dieser Gegensatz durch Bens Bruder Henry (Jens Harzer), der mit seiner anämisch
wirkenden Kollegin eine Affäre hat. Beide werden mit einer Form der absurden
und exaltierten Gestik und Mimik eingeführt, die offensichtlich den Kontrast
zur Einfachheit Asiens vorführen soll. Obwohl kaum ein Vorbild in Sachen
Beziehungsfragen, glaubt der kühl kalkulierende Pragmatiker seinem Bruder
Ratschläge erteilen zu müssen. Dabei spricht Henry mit einer bewussten
Monotonie, die seine Auftritte mit einer leichten Ironie unterlegen, ohne ihm
dabei die Glaubwürdigkeit als Charakter zu nehmen (im Gegensatz zu Bens
Vater, gespielt von Olli Dittrich, der anders als Henry einer gewissen Romantik
anhängt, die dabei ebenso sinnlos erscheint wie die sachlichen Ratschläge
des Bruders).
Same same but different ist ein ruhiger, technisch brillanter Film über die Liebe
und die Opfer, die man bereit ist in ihrem Namen zu erbringen. Doch auch wenn
Bucks Film dabei nie in Kitschgefahr gerät, wird die Motivation der Protagonisten
nicht immer verständlich. Wie auch Ben und Sreykeo sich nur auf Englisch
unterhalten, hat auch der Zuschauer das Gefühl „irgendwo dazwischen“ zu
bleiben, ohne wirklich dabei zu sein. Auf diese Weise kann ein Drama nur wenig
mitreißen.
Tobias
Haupts
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: www.critic.de
Same
Same But Different
Deutschland
2009
Laufzeit:
106 Minuten
Regie:
Detlev Buck
Drehbuch:
Ruth Toma, Michael Ostrowski, Detlev Buck
Produktion:
Claus Boje
Darsteller:
Apinya Sakuljaroensuk, David Kross, Stefan Konarske, Jens Harzer, Michael Ostrowski
Kamera:
Jana Marsik
Musik:
Konstantin Gropper
Schnitt:
Dirk Grau
Kinostart
(D): 21.01.2010
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