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Schilf - Alles, was denkbar ist, existiert
Zeitreisen für Taschenspieler
Zwei Freunde und Physiker zerstreiten sich über der Frage,
ob es Paralleluniversen gibt
Die Realität ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Gerade erst überraschte uns Hans Weingartner in seinem Film "Die Summe meiner einzelnen Teile" mit der Innenansicht einer Psychose, nun jagt uns die in theoretischer Elementarteilchenphysik promovierte Regisseurin Claudia Lehmann durch ein Labyrinth von Paralleluniversen. Erzählt wird die Geschichte eines handfesten wissenschaftlichen Disputs unter Freunden und der Zerrüttung einer Ehe, mit Entführung, Mord, Ehebruch und Kindesentführung, voller Spiegelungen und Verdopplungen.
Sebastian lehrt Physik und vertritt die Auffassung, dass die Existenz von Paralleluniversen mathematisch herleitbar sein müsste. Sein Studienkollege Oskar forscht und hält Sebastians Thesen für Humbug und für ethisch verwerflich. So wird Sebastian eine grausame Lektion zuteil, die ihn an den Rand des Wahnsinns führt.
Gemäß seines alle Freiheiten des Erzählens eröffnenden
Untertitels–"Alles, was denkbar ist, existiert" – mixt der auf einem
Roman von Juli Zeh basierende Film "Schilf" sehr krude Science
Fiction und Mystery-Thriller. Zeitreisende sehen mitunter aus wie der späte
Jopi Heesters an einem guten Tag. Schon nach kurzer Zeit, wenn man das Interesse
an den durchschaubaren Taschenspielertricks des Films verloren hat, fragt man
sich, ob dieses Scheitern auf ganzer Linie vielleicht sogar subversiv gemeint
sein könnte. Meint: in einer anderen Welt könnte man einen Film wie
"Schilf" für gelungen halten. Kaum vorstellbar, aber wahrscheinlich
mathematisch herleitbar.
Ulrich Kriest
Dieser Text ist zuerst erschienen in der: Stuttgarter Zeitung
Schilf - Alles, was denkbar ist, existiert
Deutschland 2011 - Regie: Claudia Lehmann - Darsteller: Mark Waschke, Stipe
Erceg, Bernadette Heerwagen, Nicolas Treichel, Sandra Borgmann, Bernhard Conrad,
Paul T. Grasshoff, Sophia Löffler, Sebastian Haase - FSK: ab 12 - Länge:
90 min. - Start: 8.3.2012
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