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Schock
Labyrinth 3D
Der
neue Film von Takashi Shimizu ist schockierend und beängstigend. Jedoch
drohen die Schrecknisse nicht etwa auf der Leinwand. Gruselig ist das Drumherum.
Klappern
gehört zum Handwerk, und Filmmarketing klappert manchmal besonders laut.
Der gesteuerte Fantasy-Szene-Hype um Takashi Shimizus (Der
Fluch, The Grudge,
2004) neuesten Film war erheblich und schraubte hierzulande die Erwartungen
der Fangemeinde an den ersten Live-Action-3-D-Horrorthriller aus Japan in beträchtliche
Höhe.
Allein
das Presseheft wartet mit kühnen Thesen auf: So nutze Shimizu die spektakuläre
3-D-Technik für eine über das Plakative hinausgehende Dramaturgie,
die den Zuschauer emotional wie physisch in den Film involviere, ja der Regisseur
trage den japanischen Film mit Schock
Labyrinth 3D
(Senritsu
Meikyû 3D)
in nichts Geringeres als in eine neue Dimension. Indes: Schockierend mutet bei
diesem Werk eigentlich nur der Titel an, der Film selbst ist bestenfalls schockierend
misslungen.
Der
derb konstruierte Plot selbst hat gerade mal Gehalt für einen 15-Minuten-Kurzfilm.
Die Dehnung dieser akuten Substanzlosigkeit auf 89 Minuten zehrt allein schon
ob der Vorhersehbarkeit mächtig an den Nerven: Die über zehn Jahre
verschollene Yuki (Misako Renbutsu) – sie ging beim Spiel einer Kindergruppe
in der verlassenen Geisterbahn verloren – taucht urplötzlich auf, um ihre
mittlerweile herangewachsenen Jugendfreunde zurück an den Gruselort zu
locken, wo sie einst verschwand. Dort müssen sich die anderen zwei Mädchen
und zwei Jungen ihrer Verantwortung stellen, und dort kommen sie auch fast alle
um, denn Yuki – oder besser ihr umgehender Geist – nimmt Rache. Davor müssen
alle durch die immer gleichen dunklen Gänge rennen und beteuern, wie unheimlich
doch alles sei. Das ist auch nötig, denn die Geisterbahn, die ein Horrorkrankenhaus
mit entstellten Mechanik-Zombies darstellt, vermag niemanden wirklich das Fürchten
zu lehren.
Alsbald
begegnen die umherirrenden Protagonisten ihrer Vergangenheit. Das ist wörtlich
zu nehmen, denn die Heranwachsenden von heute interagieren mit ihren umherspukenden
Kindheitserinnerungen. Diese zweifellos stärkste Idee des recht sinnfreien
Plots findet jedoch in der Dramaturgie keine sinnvolle Umsetzung. Zwar kommen
erst durch diese Interaktion die Kausalverläufe in Gang, die die Backstory
erklären sollen, jedoch missrät die Auseinandersetzung mit traumatischen
Erinnerungen hier zur einfallslosen Bewegungschoreografie durch dunkle Gänge.
Dabei
traut Shimizu dem Publikum in Sachen Imagination rein gar nichts zu, und so
muss jede Einstellung der Vergangenheitsebene durch einen farbentsättigten
Weichzeichnernebel erzählt werden, damit auch jedermann versteht, was er
sieht. Das filmische Präsens hingegen folgt – o Wunder technischer 3-D-Innovation
– der pseudodokumentarischen Handkamera – was, anders als beworben, den Zuschauer
in der Tat physisch involviert, jedoch nur in Form spektakulärer Kopfschmerzen.
Doch
dessen nicht genug: Die Jungdarsteller agieren durchweg mit derartig überzogenem
Pathos, dass sämtlichen Figuren auch der kleinste Verdacht von Glaubwürdigkeit
genommen wird und sie sämtlich – wie auch der ganze Film – einfach nur
lächerlich wirken. So mehren sich alsbald die Verzweiflungslacher im Publikum,
und spätestens, wenn ein wohl die Kindheit repräsentierender Plüschhase
geisterhaft und bedeutungsschwanger durch die leeren Gänge schwebt, kommt
im Saal umfassend Heiterkeit auf.
Selten
ist derartig unverstellt die Abwesenheit von narrativer Kraft, von dramaturgischem
und handwerklichem Gespür zu besichtigen wie in Schock
Labyrinth 3D,
und das Horrible an diesem uninspirierten Trash-Film ist in Wahrheit nur die
Dreistigkeit, mit der das Marketing auf den 3-D-Effekt setzt, um das Publikum
zum Kauf einer Kinokarte zu verleiten. Am Ende verlässt der Zuschauer das
Kino mit dem mauen Bauchgefühl, irgendwie hinters Licht geführt worden
zu sein – einem Gefühl zwischen Enttäuschung und Wut.
Was
bleibt, ist die Überzeugung, dass dieser Film nichts Repräsentatives
an sich hat. Denn sonst würde Schock
Labyrinth 3D
tatsächlich eine neue Dimension des japanischen Films eröffnen. Gott
bewahre!
Robert
Zimmermann
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: www.critic.de
Schock
Labyrinth 3D
Japan
2009 - Originaltitel: Senritsu meikyû 3D - Regie: Takashi Shimizu - Darsteller:
Yûya Yagira, Ai Maeda, Erina Mizuno, Ryo Katsuji, Misako Renbutsu, Suzuki
Matsuo, Shôichirô Masumoto - FSK: ab 16 - Länge: 89 min. -
Start: 13.5.2010
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