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Sex and the City – der Film
Klischee
und Alltag
Durchhalteparolen
vergebens: 145 Minuten Product-Placement mutet einem „Sex and the City – der
Film“ zu. Und am Ende steigen die Tempo-Aktien.
Wie kompliziert das Banale sein kann, ist immer wieder beeindruckend.
Das probate Mittel dafür: Missverständnisse. Ganze Fernsehserien bestehen
nur aus Missverständnissen. Er und sie empfinden dasselbe füreinander,
aber weil der Bruder/die Schwester/die beste Freundin gesagt hat, dass… usw.
Aber das meinte er/sie/es ja gar nicht so! Und der Zuschauer weiß das
und bangt: Werden die beiden doch noch die Wahrheit erfahren und zu ihrer Liebe
zurückfinden? Selbstverständlich, klassische Katharsis: Wasser marsch!
In „Sex and the City – der Film“ dreht sich alles um Carries gescheiterte
Hochzeit. Miranda, die das furchtbare Missverständnis auslöst, hat
durch ihr unüberlegtes „You are crazy to get married“ Mr. Big, Carries
Künftigen, extrem verunsichert. Nach zwei Scheidungen und kurz vor der
dritten Hochzeit denkt der Kerl zum ersten Mal über das Wesen der Ehe nach!
Das kann ja nur in die Hose gehen. Später siegt natürlich das Gefühl.
Häppchenweise gibt es zwischendurch allerlei andere Problemchen
und vor allem die Freundschaft der vier dauerkreischenden Mittvierzigerinnen
zu bestaunen. Die finden denn auch gemeinsam außer den Männern so
ziemlich alles dufte. Was bei Tarantino fucking ist, ist hier gorgeous. Vor allem natürlich die Klamotten von sage und
schreibe 81 Marken, die im Film mehr oder weniger subtil untergebracht wurden.
Schrie man früher noch empört „Schleichwerbung!“, als Mutter Beimer
friedlich ihren Nesquik schlürfte, sucht man heute nach dem Filmerlebnis
noch mit Glanz in den Augen bei Ebay nach gebrauchten Manolo Blahnik, die einem
aber auch zu teuer sind.
„Die Filme sind der Spiegel der bestehenden Gesellschaft“, schrieb
Siegfried Kracauer vor mehr als 75 Jahren. Aus Gründen der finanziellen
Selbsterhaltung richtet sich der Filmproduzent streng nach dem Geschmack des
Publikums. Muss anderswo noch das „sozialkritische Bedürfnis“ der Rezipienten
befriedigt werden, handelt es sich hier um die reinste Affirmation der bestehenden
Ordnung, zusammengekleistert mit Gefühlsbrei und Glitzer. Ob sich Filme
dieser Art ernst nehmen oder sich der Klischees bewusst sind, die sie ihrem
Massenpublikum servieren, sei dahingestellt. Dass diese Welt zumindest teilweise
ernst genommen wird, steht außer Frage; die Rührung kommt am Schluss
fast auf Zuruf. Danach kollektives Schnäuzen im Kinosaal.
„Die blödsinnigen und irrealen Filmphantasien sind die Tagträume
der Gesellschaft, in denen ihre eigentliche Realität zum Vorschein kommt,
ihre sonst unterdrückten Wünsche sich gestalten.“ (Kracauer) Die Filme
sind also vielmehr Wunsch-Spiegel. Sie zeigen, wie die Gesellschaft sich gerne
sehen will. Leuchtende Augen im Kinosaal bei soviel Glamour. Es darf noch geträumt
werden, aber neben dem Konsumwahn darf die Menschlichkeit nicht auf der Strecke
bleiben. Die Erbschuld der Weißen wird mit Louis-Vuitton-Tasche beglichen.
Dann darf auch geheiratet werden.
Sahen einige in der Serie noch den Ausdruck der selbstbewussten Karrierefrauen,
steht das Happy End am Ende des Films ganz im Zeichen konservativer Werte: Familie,
Treue, Ehe, Liebe fürs Leben. Besiegelt wird selbige
auf dem Standesamt. Das ist in dem Fall nicht nur kitschig, sondern äußerst
bieder. Fazit: Die Frau von heute wünscht sich den Mann, der ihr den begehbaren
Schuhschrank baut. Ich geh dann schon mal Holz hacken, Baby!
Jan-Philipp
Kohlmann
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Sex and the City
USA 2008 - Originaltitel: Sex and the City: The Movie - Regie: Michael Patrick King - Darsteller: Sarah Jessica Parker, Kim Cattrall, Kristin Davis, Cynthia Nixon, Chris Noth, David Eigenberg, Evan Handler, Jason Lewis, Lynn Cohen - FSK: ab 12 - Länge: 145 min. - Start: 29.5.2008
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