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Shopaholic
– Die Schnäppchenjägerin
Verdummung
rulez!
P.J. Hogans "Shopaholic" demonstriert,
freiwillig und unfreiwillig, kreditkartengestützte Realitätsverluste.
Die Hollywood-Filmindustrie spricht, spricht
sie vom Kapitalismus, ungefähr so wie der Alkoholiker vom Alkohol: unzusammenhängend,
wahnhaft, aber auf einer eher unbewussten Ebene doch sehr kenntnisreich. Das
gilt auch für einen wirklich nicht guten Film wie "Shopaholic",
und zwar auch und gerade, weil er aus einer ganz anderen, der vermeintlichen
Vorkrisenzeit, stammt. Das macht ihn dann doch fast ein bisschen interessant.
Im Zentrum dieses aus der Literatur in
den Film, von London nach New York transferierten Traktätleins über
den Kaufreiz als Sucht steht eine Frau namens Rebecca Bloomwood (gespielt von
der schottisch-australischen Schauspielerin Isla Fisher). Ihr Problem: Sie shopt
bis sie dropt und ihr auf den Fersen ist immer und überall der Schuldeneintreiber
David Smeath, der sie mit dem Ingrimm des
Gestalt gewordenen schlechten Gewissens verfolgt. Er ist, anders gesagt, die
Kehrseite der kaum verhohlen orgasmischen Lust, die Rebecca beim kreditkartengestützten
Erwerb schöner Dinge erlebt. David Smeath ist das Realitätsprinzip,
der gelegentliche klare Gedanke inmitten der besinnungslosen Wunscherfüllungstrips,
als die Rebecca ihr Dasein weniger begreift als bestreitet.
Schuhe allein jedoch und die Gucci-Tasche
und dies Kleid und jenes Kostüm und ein grüner Schal machen nicht
glücklich. Nicht restlos jedenfalls. Ein Mann muss her, als dauerhafte
Deck-Erinnerung für den bebrillten Smeath, als blendend aussehendes Verblendungs-Ideologem,
als the real thing und wahrer Wert, den nur die Liebe verleiht. Der Mann, den
man nicht kaufen, sondern nur gewinnen kann, heißt Luke Brandon (Hugh
Dancy), ist ein Typ mit viel Erfolg und etwas Eigensinn. Er macht Rebecca zum
besten Pferd im Stall des nur sehr bedingt bösen Medienkonglomerats namens
Dantey. Was Rebecca von ihm will, sieht man, als sie ihn zum Vorstellungsgespräch
besucht, im Hintergrund als riesengroßen nackten männlichen Oberkörper
an einer Wolkenkratzerwand. Allerdings: ohne Kopf. Und: ohne Unterleib. Was
sehr bezeichnend ist für den Film, der mangels Hirn vor allem mit seinem
Waschbrettbauch bzw. seinem züchtigen Decolletee denkt und mit diesem bzw.
jenem, schlimmer noch, von Geld, Kredit und Wunscherfüllung fantasiert.
Kreuzbrav ist das alles, traut sich mit
gar nichts raus. Die Heldin als Hascherl ist eine Kreuzung aus Schreckgestalten
des Biedersinns wie Bridget Jones und Carrie Bradshaw. Mit großen Augen
appelliert diese Figur an wahlweise Identifikations- und Beschützerinstinkt
und ist doch Szene für Szene nicht zu ertragen. Der einzig bizarre Gedanke,
den sich der Film erlaubt, ist der, ihr als leibliche Eltern Joan Cusack und
John Goodman zur Seite zu stellen; was zum einen eine typische Jerry-Bruckheimer-Besetzungs-Idee
ist (ja, der hat hier produziert), aber natürlich auch zum Beleg taugt,
dass Hollywood, wenn der Scheck groß genug ist, mehr oder weniger jeden
- etwa auch Kristin Scott-Thomas als affektierte Mode-Magazin-Chefin - kriegt.
Die zentrale These des Films ist eine
wirtschaftsjournalistische, zusammengefasst lautet sie schlicht: Verdummung
rulez! Die Welt will nicht Fakten, Fakten, Fakten, sondern alberne Mode-Metaphern.
Weil die Vorlagen-Verfasserin Sophie Kinsella ihre Leserschaft erfolgreich auf
diese Weise für dumm verkauft hat, muss man wohl sagen: wird schon stimmen.
Wie dann wohl auch "Shopaholics" nur als niederschmetternde Kapitalismus-Diagnose
zu lesen ist, die da lauten muss: Eine Gesellschaft, die sich den gelegentlichen
Einspruch der Realität gegen maßlosen Luxus als zentrales Problem
vorstellen kann, produziert vorzugsweise langweilige Menschen, alberne Konflikte
und herzlich egale Filme wie diesen.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen
am 11.03.09 in: www.perlentaucher.de
Shopaholic
- Die Schnäppchenjägerin
USA
2009 - Originaltitel: Confessions of a Shopaholic - Regie: P.J. Hogan - Darsteller:
Isla Fisher, Hugh Dancy, Joan Cusack, John Goodman, John Lithgow, Kristin Scott
Thomas, Nick Cornish, Stephen Guarino
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