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Das
siebente Siegel
Allegorien
des Nichts – Zu Ingmar Bergmans „Das siebente Siegel“
Nicht die Handlung, nicht die Charaktere und nicht die Dialoge sind
die große Qualität dieses Films, sondern seine visuelle und bildhafte
Komposition. Er verleugnet nicht seine Inspirationsquelle aus den bildenden
Künsten, den 'Totentanz', und nimmt so die allegorischen Versuche des Spätmittelalters
auf, die unsichtbaren und unsicheren Mächte, die das menschliche Dasein
(möglicherweise) entscheiden, in konkrete Rollen zu zwingen, mit denen
sich spielen lässt wie mit Holzfiguren auf einem Brett. Gerade der spielerische
Charakter derartiger Versuche selbst wird im Film akzentuiert: durch das Schachspiel
gegen den Tod, das Theaterspiel der Schausteller, den mehrmals wiederkehrenden
Gesang, das Lautenspiel und insbesondere durch den bühnenhaften Habitus
dieses Films, der eben keine täuschende Illusion sein will, sondern die
Inszenierung des Existentiellen. Ein Kunstwerk also, das seine notwendige und
unüberwindliche Distanz zu seinem Gegenstand mitdarstellt, um nicht an
ihr zu scheitern. Neben dem Gott suchenden Protagonisten, einem die kosmische
Sinnlosigkeit witternden Kreuzritter, scheint nur der Künstler, im Film
durch den Gaukler Jof allegorisiert, mit einem Blick in jene andere Welt begabt,
in der der Tod selbst auftritt; wie wenn ihn zwar nicht der Verstand, aber ein
Kostüm zu fassen vermöge, nicht der Ernst, aber das Spiel. Mit dieser
kreativen Prämisse muss man diejenigen Szenen des Films ins Verhältnis
setzen (so etwa die erste Begegnung mit dem Tod), die auf einen an Eindeutigkeit
und storylastiges Heruntererzählen gewöhnten Konsumenten lächerlich
wirken müssen durch ihren scheinbaren Ernst: doch wenn bei Bergman der
Tod auftritt und sagt: „Deine Zeit ist gekommen“, dann ist das zwar keine Ironie,
aber nichtsdestotrotz auch weder ernst noch lächerlich, sondern – in der
panironischen Entertainmentära zunächst unverständlich – allegorisch gebrochen. Heißt das wiederum, dass Bergmans Films
unmodern, talmichristlich und regressiv zu nennen wäre?
Nein, denn die Allegorien eines Künstlers der Moderne überschreiten
immer auch die Grenze zum Symbolischen, Skeptischen, Unbewussten und Vieldeutigen,
das freilich vom modernen Zuschauer mitgeschaffen werden muss, dem nicht gezeigt
werden kann, was er zu sehen nicht fähig ist. In Bergmans existentialistisch
ernst gemeinten Allegorien – ja, doch auch 'ernst', weil er nicht nur unterhalten
will – ist aber das Unzureichende als spielerisches Element ebenso sichtbar
wie die ihm komplementäre Modernität, die über die Zweidimensionalität
der mittelalterlichen Ikonografie weit hinausweist, in traumhaften Visionen,
die trotz ihrer Zitate nicht mehr mit heiligen Texten ausgedeutet werden können.
Und genau dieses Versagen des weltdeutenden Textes, aus dem auch der Titel stammt,
vor den Bildern der Welt, deren Diesseits und Jenseits, Konkretes und Abstraktes
der Film auf seiner Bühne ordnend vereint, ist das eigentliche Thema dieses
Leinwand-Stücks – ein moderneres, das Medium Film besser erklärendes
und legitimierendes kann man sich schwerlich denken.
Sascha Becker
Zu diesem Film gibt es im archiv der filmzentrale mehrere Texte
Das
siebente Siegel
DET
SJUNDE INSEGLET
Schweden
- 1956 - 96 min. – schwarzweiß - Literaturverfilmung, Drama - FSK: ab
16; feiertagsfrei - Verleih: Constantin - Erstaufführung: 14.2.1962/12.4.1968
ZDF - Fd-Nummer: 10900 - Produktionsfirma: Svensk Filmindustri
Produktion:
Allan Ekelund
Regie:
Ingmar Bergman
Buch:
Ingmar Bergman
Vorlage:
nach seinem Theaterstück "Trämalning"
Kamera:
Gunnar Fischer
Musik:
Erik Nordgren
Schnitt:
Lennart Wallén
Darsteller:
Gunnar
Björnstrand (Jöns)
Max
von Sydow (Antonius Blok)
Bibi
Andersson (Mia)
Bengt
Ekerot (der Tod)
Nils
Poppe (Jof)
Gunnel
Lindblom (Stumme)
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