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Star
Trek
J.J. Abrams gräbt in seinem "Star
Trek"-Neustart- Versuch ein Wurmloch in die Zeit und jagt eine neue Enterprise-Rasselbande
durch die unendlichen Weiten des Alls. Der Dokumentarfilm "Das Herz von
Jenin" folgt der erstaunlichen wahren Geschichte einer Organspende, die
viele heikle Punkte des Israel-Palästina-Konflikts berührt.
Einmal verschlägt es James T. Kirk
(Chris Pine), den allzu Unbändigen, der gleich zu Beginn mit einem entwendeten
Auto durch die ferne Zukunft rast, auf einen vereisten Planeten. Er wird, genauer
gesagt, von Spock (Zachary Quinto), mit dem er hier noch gar nicht befreundet
ist, strafversetzt. Kaum öffnet er die Kapseltür und kraxelt er hinaus
in die Kälte, ist aus dem Nichts Action. Er wird vom Monster gejagt, das
in rascher Bewegung vom Zuschauerauge kaum dingfest zu machen ist. Dingfest
gemacht, nämlich verspeist, wird das Monster von einem anderen, roten,
riesenschlündigen, größeren Monster, das nun seinerseits nach
der Verspeisung Kirk weiterjagt. Abrupt kommt in einer Höhle unter dem
Eis die Action zum Stoppen, als Kirk auf jemanden trifft, auf den er, ginge
es in diesem Paralleluniversum unsres Vertrauens mit rechten Dingen zu, wirklich
nicht treffen dürfte.
Diese Szene ist, wenngleich in mancher
Hinsicht ein Abweg des Films, exemplarisch: J.J. Abrams' "Star Trek"-Neuerfindung,
macht nicht nur, indem sie zeitlich hinters Vertraute zurückgeht, manches
neu (nur Spock, auch: Leonard Nimoy, macht sie zugleich sehr alt). Sie hat auch
ihren ganz eigenen Action-Erzählrhythmus, an den sich zu gewöhnen
nicht ganz leicht fällt. Urplötzlich, aus dem Nichts eben, rast der
Film immer mal wieder einfach los und kommt dann, ab-,wenn
nicht interrupt, wieder zum Halten und wird entweder komisch oder romantisch
oder explikativ. Letzteres vor allem, um die Abweichungen des Neustarts von
den dem Fan bekannten Tatsachen plausibel zu machen. So plausibel jedenfalls,
wie Zeitreise-Verschlingungen eben zu machen sind.
Mit anderen Worten: J.J. Abrams und die
Drehbuchautoren schlagen ein Wurmloch in die Zeit und legen einen eigenwilligen
Gründungsmythos hinein: "Star Trek" erzählt sich zurück
hinter den Beginn der bekannten Enterprise-Jahre, tut dies aber mit Variationen
zu dem, was bisher bekannt war. Er erfindet dabei das Rad, den Mythos, die Figuren
nicht neu. Aber mehr als nur die regressive Neugier der erbsenzählenden
Trekkies befriedigen will er doch; er will Treue und Freiraum zugleich. Er gibt
dem Affen Zucker mit vertrauten Griffen und Gruß-Gesten, aber er mutet
den analeren der Fans, die gern alles genau so hätten, wie sie es kennen,
doch mancherlei zu. Durchs Wurmloch fädelt der so nicht nur einen toten
Kirk-Vater, sondern auch einen Spock, der das Verhältnis mit Leutnant Uhura
(Zoe Saldana) hat, das Kirk hier gern hätte: Nun gibt es also zärtliche
Abschiedsküsse unter Eifersuchtsblick vorm Wegbeamen der Helden in die
Fährnisse fremder Räume und ihrer Schiffe.
Das Erzählen kann ja vielerlei Wünsche
erfüllen. Dem Ur-Wunsch des Lesenden/Hörenden, nämlich vom jeweils
nächsten "und dann" zu erfahren, ging J.J. Abrams als Autor in
der TV-Serie "Lost" so virtuos wie mit dem klaren Meta-Bewusstsein
der Beliebigkeit eines jeden "und dann" nach. Der anderen Lust, zu
erfahren, was vorher war und wie die, die man bereits erzählt bekommen
hat, waren, bevor man sie "kannte", der nachzugeben drängt in
der Sorte Erzählung, die "Prequel" heißt, alles. Stocksteif
malte etwa George Lucas als zu Geld und in die Jahre gekommener Verwalter des
eigenen Schatzes die Vorgeschichte seiner "Star
Wars"-Weltraumoper
nach Zahlen.
In diesen Dingen grundstürzend zu
verfahren, kann sich "Star Trek" als möglicher Beginn eines neuen Franchise, nun zwar auch wieder nicht leisten.
Dennoch zieht der Film die Linien der Figuren und Mythen in Details jedenfalls
anders und neu. Vom hinzugewonnenen Unterleib von Spock und Uhura war schon
die Rede. Spock, der ohnehin fraglos die Zentralfigur ist, bekommt den breitesten
Raum, auch für eine Neubestimmung seiner Vulkanier-Psyche: was es heißt,
halb Mensch, halb Vulkanier zu sein, wird hier ebenso beleuchtet wie das Trauma,
den Untergang des eigenen Planeten mitansehen zu müssen.
Zu finster freilich wird es in diesem
Film nie. Was buchstäblich an den auf die Dauer doch schwer irritierenden
"Lens Flares", also eigentlich technisch fehlerhaften, hier aber mit
Absicht omnipräsenten Lichtreflexen im Bild, liegt. Wie alles technisch
nicht perfekte in sauteuren Filmen ist das
der billige Versuch, ein Doku-Feeling zu faken. Besser vielleicht als die Wackel-Handkamera,
die Abrams im von ihm produzierten "Cloverfield"-Film an diese Stelle
setzte. Aber Fake ist Fake und solange es keinen experimentellen Überschuss
ergibt (und das tut's hier eher nicht), ist es etwas, das, merkt man die Absicht,
eher verstimmt.
Aber weniger buchstäblich liegt die
trotz Planetenzerstörung, Tattoo-Bösewicht Nero (Eric Bana), Monsterjagd,
Spock-Vergreisung etc. heitere Stimmung auch und vor allem am Pop-Bewusstsein
des Films. Sehr unbekümmert baut er Scherz und Ernst, Neuerungslust und
Bewahrungsfreude, Erwartungserfüllung und Erwartungsenttäuschung zu
einem mal fröhlich, mal eher langweilig, mal spannend, mal originell, mal
allzu vertraut, mal dämlich, mal schlau durcheinanderrumpelnden Weltraumzirkus
zusammen. Das macht oft Krach eher als Sinn, ist hübsch eher als toll und
gerät irgendwann auch ganz aus dem Takt. Aber böse sein kann man der
Veranstaltung nicht.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen
am 06.05.2009 in: www.perlentaucher.de
Star
Trek
Chris
Pine, Zachary QuintoUSA 2008 - Regie: J.J. Abrams - Darsteller: Chris Pine,
Zachary Quinto, Simon Pegg, Karl Urban, John Cho, Zoe Saldana, Eric Bana, Anton
Yelchin, Leonard Nimoy, Winona Ryder, Bruce Greenwood, Ben Cross, Greg Ellis
- FSK: ab 12 - Länge: 127 min. - Start: 7.5.2009
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